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#gedankenwandern: Das Haus am See

Und manchmal möchtest du einfach nur fort, die vor Alltag triefenden Wände deiner Wohnung hinter dir lassen und endlich wieder atmen. Frische, unverbrauchte Luft, die nicht abgestanden nach Stress und Sorgen riecht. Die stattdessen nach Freiheit und Leichtigkeit duftet – ähnlich wie die ersten Frühlingsmorgenden, die Anfang März hereinbrechen und dich mit ihrer neuen Energie voll Vorfreude auf die kommenden Monate zurücklassen.

In solchen Momenten erscheint vor meinem inneren Auge immer das Bild eines Hauses, irgendwo im Nirgendwo, wo die Natur an die Tür klopft, wo vielleicht ein stiller See nebenan ist, in den man all seinen seelischen Ballast einfach hineinwerfen kann. Es ist ein Ort voller Frieden und Ruhe, für manche vielleicht ein Ort der Abgeschiedenheit und Einsamkeit. Doch manchmal brauche ich einfach eine Auszeit von dem Trubel der Stadt, dem ganzen Leben um mich herum, das mich mitreißt, obwohl ich gerade rasten möchte.

Ich bin das ganze Gezerre und Gezeter leid, ich muss mal wieder auftanken. Einfach raus und fort von hier, ich möchte flüchten von meinen von Alltag triefenden Wänden. Es ist ein Impuls, dem ich wenigstens gedanklich nachgeben kann, in Gedanken kann ich sein, wo ich will und dann bin ich in meinem Häuschen im Wald neben dem kleinen See, der sich meinen Sorgen annimmt, indem er sie einfach verschlingt.

Ich betrete das einladende Gemäuer, ich streife meinen Alltag ab wie meine Jacke und sehe einen gemütlichen Raum mit Kamin vor mir. Vor dem Kamin steht ein Sessel, auf dessen Lehne liegen handgestrickte, wohlig warme Socken. Das Feuer prasselt, es ist alles vorbereitet, ich muss mich nur noch setzen. Ich lasse mich fallen in den weichen Stoff des gemütlichen Lehnstuhls, es ist wie eine Umarmung, die mir sagt „Nun bist du sicher, nun ist alles gut!“. Ich gebe mich diesem Gefühl hin und versinke in dem Wohlbehagen, das mich umgibt – fernab von den Wänden, aus denen der Alltag trieft.

Es ist als würde ich Teil der Szenerie, das Gefühl, welches diese Hütte im Wald an dem kleinen See ausstrahlt, kriecht in meine Glieder wie die Wärme des Feuers. Erst ist es bloß ein Prickeln, als würde langsam etwas erwachen, dann wird es zu einem wohligen Strom der durch meinen Körper wandert und den kalten, lähmenden Stress einfach wegspült. Ich sitze dort in meinem Sessel und lasse es einfach zu, ich muss nichts kontrollieren, ich kann einfach nur dasitzen, los- und mich fallen lassen, denn der weiche Sessel hält mich fest in seiner Umarmung.

Und plötzlich steht neben mir auf dem kleinen Tischchen aus dunklem Holz, das einst ein mächtiger Baum gewesen ist, der Wind und Wetter trotze, eine Tasse Kakao. Ich weiß nicht, wo sie herkommt, aber sie ist da und schmeckt herb und süß zugleich. Ich trinke und Schluck für Schluck löst sich die Anspannung in meiner Brust, es ist als würde das Herbe jedes negative Gefühl vernichten und die Süße hinterließe eine Spur aus purer Lebensfreude. Ein Zusammenspiel, das seines Gleichen sucht und nur an diesem Ort funktioniert – mitten im Nirgendwo, in dem Häuschen im Wald, in meiner Vorstellung.

Doch dies hält nicht für immer, nichts hält für immer. Ewigkeit ist eine menschengemachte Illusion, genauso wie die Bilder, die sich auf die Netzhaut meines inneren Auges legen. Irgendwann verschwimmt das Feuer, verschwimmt der Raum um mich herum und statt im wohlig weichen Sessel befinde ich mich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Ich bin zurück, umgeben von den vier Wänden, die ich mein Zuhause nenne – mitten in der Stadt, im Trubel, im Alltag. Doch die Wände sind plötzlich trockener, die Luft weniger abgestanden und ich schmecke einen Rest von sanft-herben Kakao auf meiner Zunge … Ich bin zurück, das heißt, ich war fort. Nicht mit meinem Körper, aber mit meiner Seele und so stellt sich die Frage, ob all dies wirklich nur Illusion war.

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