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AutorenbildJacqueline

#andersgedacht: Beziehungen und die erste gemeinsame Wohnung

Als ich jetzt Mitte März wieder nach Aachen zurückgekehrt bin, sind viele Außenstehende und Bekannte von mir direkt davon ausgegangen, dass ich nun mit meinem aktuellen Partner zusammenziehe. Ist ja auch irgendwie logisch, immerhin sind wir jetzt schon eine Weile zusammen und ich ziehe in die Stadt, in der er wohnhaft ist! Da geht doch gar kein Weg vorbei am Zusammenziehen und das ist ja schließlich auch genau das, was alle Pärchen und vor allem der weibliche Part eines Pärchens – that’s me – will!

„Klischee-Alarm“ sage ich hier nur, denn auf mich und auch auf meine Beziehung trifft das nicht zu. Ich weiß, dass es sicherlich viele Pärchen gibt, die davon träumen oder auch bereits zusammenleben. Doch für mich ist das momentan, in näherer und auch in fernerer Zukunft nicht geplant – und das liegt nicht daran, dass ich meinen Partner nicht schätze oder nicht gerne Zeit mit ihm verbringe, sondern einfach an der schlichten Tatsache, dass ich das nicht möchte und dass das auch vollkommen okay so ist – auch für meinen Partner.

Hollywood wäre nun aber empört oder würde direkt eine zweite Staffel der Serie meines Lebens drehen, in der ich mich dann doch noch umentscheide und mit meinem Freund in die erste gemeinsame Wohnung ziehe, in der wir uns dann spielerisch um die Einrichtung und die Wandfarbe streiten, aber am Ende dann glücklich zusammen ins neu gekaufte Bett sinken, er legt den Arm um mich und wir lächeln erfüllt in die Kamera.

Wie gesagt, das mag auch für den ein oder anderen funktionieren, aber eben nicht für mich. Ich habe in den letzten Jahren wirklich gemerkt, dass eine eigene Wohnung zu besitzen, die ich mit niemanden teilen muss, für mich ein Stück Freiheit bedeutet. Ein Stück Freiheit, das ich einfach nicht mehr aufgeben will, denn ich kann meinen Tag so gestalten, wie ich es möchte. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, vor allem an Tagen, an denen ich vielleicht auch nicht die Kraft dazu habe und ich muss auch nicht mein Bett teilen, wenn mir einfach nur nach ausstrecken und den Seestern machen ist. Somit bin ich in meinen eigenen vier Wänden keinem „sozialen Muss“ unterworfen, das in vielerlei Hinsicht zwischenmenschliche Interaktion in unserer Gesellschaft definiert und dominiert. Ich lebe dementsprechend mit dem für mich sehr passenden Konzept des „sozialen Kanns“. Und neuerdings ist dieses „soziale Kann“ in Bezug auf meine Beziehung auch noch ein bisschen flexibler, denn mein Partner und ich wohnen nun nur ein paar Gehminuten voneinander entfernt und können uns demnach fast immer sehen, wenn wir das wollen.

Meinen Bedürfnissen entsprechend stellt dies die perfekte Balance von Nähe und Distanz sowie von eigenem und Zusammenleben dar. Eine Balance, die für mich (u. a. auf Basis früherer Erfahrungen) in einer gemeinsamen Wohnung nicht realisierbar ist, denn manchmal ist z. B. eine Tür hinter sich schließen oder mal einen Spaziergang machen nicht genug. Außerdem habe ich auch das Gefühl, dass ich dazu neige in einer Wohnsituation zu zweit, mich und meine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen und ich lehne mich nun mal weit aus dem Fenster, wenn ich sage: Das geht wohl vielen so und ist bis zu einem gewissen Grad eben auch notwendig, um ein harmonisches Zusammenleben zu kreieren. Aber trotzdem ist da wieder dieses „soziale Muss“, das ich einfach in meiner Beziehung wie auch in meinem Leben generell nicht haben möchte.

Warum erzähle ich euch das alles? Warum plaudere ich hier so ungewöhnlich intensiv aus meinem Beziehungsnähkästchen?

Das hat mehrere Gründe. U. a. betrifft es aber vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der viele davon ausgegangen sind, dass mein Partner und ich nun zusammenziehen. Das hat mich doch recht stutzig und auch ein bisschen wütend gemacht. Ja, mein Freund und ich sind zwei Individuen, die sich mögen – und das auch schon über einen längeren Zeitraum. Wir verbringen auch sehr gerne die Wochenenden miteinander und genießen die Zeit zu zweit, aber wären wir nicht in einer romantischen Beziehung, hätte niemand gefragt, ob wir zusammenziehen oder wäre sogar direkt davon ausgegangen. Für mich war jene Reaktion wieder ein Beweis dafür, dass in unserer Gesellschaft noch sehr steife und auch sehr alternativlose Bilder von einer romantischen Beziehung existieren. Und dieses „Idealbild“ macht auch vor so – für mich unwichtigen und überhaupt nicht eine Beziehung definierenden – Aspekten wie der Wohnsituation eines Pärchens nicht Halt. Mir wurde hier ein Konzept übergestülpt, das einfach für mich nicht passt und das ebenfalls auch jegliche anderen, äußeren Umstände einfach ignoriert; bin ich doch aufgrund einer beruflichen Veränderung nach Aachen gezogen und nicht primär wegen meines Partners. Dementsprechend gibt es eigentlich also keinen offensichtlichen Grund, warum nicht erstmal davon ausgegangen werden sollte, dass ich an meiner Wohnsituation etwas ändere. Aber nun gut, gesellschaftliche Klischees sind eben hartnäckiger als Rotweinflecken auf einem weißen Teppich.

Und genau deshalb möchte ich einfach auch ein bisschen mit an diesem Fleck schrubben und in die Welt tragen, dass nicht jede Beziehung zwangsläufig auf eine gemeinsame Wohnung als #couplegoal hinauslaufen muss, sondern eben auch funktionieren kann und vielleicht genau dadurch funktioniert, dass jeder noch seine eigenen Vierwände besitzt. Darüber hinaus finde ich es auch wichtig, klarzustellen, dass die Wohnsituation keinen Aufschluss über die Qualität einer Beziehung gibt. So haben Pärchen, die nicht zusammenleben, nicht direkt eine weniger liebevolle oder innige Beziehung zueinander. Ich z. B. genieße es durchaus, auch mal unter der Woche meinen Partner zu vermissen und freue mich deshalb umso mehr ihn dann am Wochenende zu sehen. Für mich gibt das unserer Beziehung neben der Tatsache, dass jeder noch sein „eigenes Leben“ hat, einfach noch eine zusätzliche Ebene, die einem in einer gemeinsamen Wohnung vielleicht schneller verlorengehen kann. Deshalb ist dies für mich das richtige Konzept und vielleicht gewöhnt sich die Gesellschaft auch irgendwann daran, dass anzuerkennen.

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