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AutorenbildJacqueline

Hochsommer, Erntezeit und Heldensagen

Heute nehme ich euch wieder mit – ich nehme euch mit in eine vergangene Zeit, in der Mensch und Natur noch eng verbunden waren; in der Götter noch den Alltag bestimmten und das Leben auf der Erde sich nach Höherem richtete – nach Sonne und Mond.

In der Nacht vom 31. Juli auf den 1. August feierten die alten Kelten „Lammas“ oder auch „Lughnasadh“ – ein Fest, das nicht nur zwei Namen, sondern genauso viel tiefe Bedeutung hatte: Zum einen bedankte man sich für die erste Ernte, die eingefahren werden konnte, zum anderen wurde man sich bewusst darüber, dass der Sommer sich nun seinem Ende neigte und der Herbst schon bald beginnen würde. Damit verstrich langsam die Zeit der überbordenden Energien des Sonnengottes, die in den vorigen Mondzyklen Mensch und Natur Wachstum und Überfluss geschenkt hatten und die Gewissheit kehrte ein, dass nun schon bald kältere und dunklere Tage bevorstanden.

Nichtsdestotrotz war Lammas – wie jedes keltische Fest – ein Fest, in dem das Gute zelebriert wurde. Zwar nahten Herbst und Winter und damit die Zeit der Entbehrungen, doch erfreute man sich an dem Jetzt, welches noch kein Leid beinhaltete: Zu diesem Zeitpunkt musste nämlich noch niemand hungern, noch wärmte die Sonne Glieder und Gemüt, noch begleitete mehr Licht als Dunkelheit den Menschen durch den Tag.

Und vor allem war zum 01. August auch bereits das erste Korn geerntet, aus welchem man frisches Brot als Stärkung für die festlichen Aktivitäten einerseits und für die kommenden Anstrengungen der Erntezeit andererseits backen konnte. Dieser erste „Brotlaib“, dem magische Kräfte nachgesagt worden sind, spielte auch für den Ursprung des „jüngeren“ Namens der Festlichkeit eine bedeutende Rolle: „Lammas“ stammt nämlich aus den angloirischen Worten „hlaf“ und „mass“, die zusammengesetzt so viel wie „Fest der ersten Früchte“ bzw. „Messe des ersten Brotlaibs“ bedeuten. An letzterer Übersetzung kann man bereits die Einflüsse der Christianisierung erkennen, die wiedermal versuchte, heidnische Bräuche in neue glaubenskonforme Bahnen zu lenken.

Doch dies gelang nur mit mäßigem Erfolg, denn tatsächlich wurde Lammas unter der alten keltischen Bezeichnung „Lughnasadh“ bis Ende des 18. Jahrhunderts in Irland noch regelmäßig zelebriert. „Vater“ jener älteren Namensgebung war übrigens ein keltischer Sagenheld namens Lugh. Dieser soll einst Anführer des Stammes Tuathta De Danonn gewesen sein und göttliche Kräfte besessen haben. So war er Herr über Blitze und Sonnenstrahlen und konnte mit Raben sprechen. Letzteres war in keltischer Zeit ein Zeichen für große Weisheit, denn diese Fähigkeit zu besitzen, ging über den „normalen“ menschlichen Verstand hinaus. Außerdem wurde Lugh nachgesagt, ein Heiler zu sein, der den Menschen Gesundheit statt Tod brachte, Nach seinem eigenen Ableben wurde er dann auch noch zum Schutzpatron von Sängern und Dichtern ernannt und spätestens zu diesem Zeitpunkt in eine göttliche Sphäre erhoben. Ob Lugh bei all seiner Großartigkeit auch noch gutaussehend war, kann leider niemand sagen, denn sein Antlitz strahlte heller als die Sonne, sodass er jeden, der es wagte, ihm ins Gesicht zu schauen, blendete.

Die Ähnlichkeit zum Sonnengott, den wir ja bereits von den anderen keltischen Festen kennen, ist wohl nicht zu leugnen. Lugh scheint eine menschlichere, weniger abstrakte Form des gehörnten Gottes zu sein und so verwundert es auch nicht, dass es in der Lugh-Sage auch einen starken weiblichen Part gibt, der der Muttergöttin ähnelt.

Hierbei handelt es sich jedoch nicht um seine Muttergemahlin, sondern um seine Ziehmutter bzw. Amme und damit um ein inzestfreies Verhältnis. Der Name seiner Amme war „Tialtu“ und sie opferte sich, so erzählte man, einst für Lugh, damit er zu dem grandiosen Helden heranwachsen konnte, den die Kelten so verehrten. Im Andenken an dieses Opfer soll Lugh sodann eben jene Festlichkeit ins Leben gerufen haben, die auch heute noch als „Lughnasadh“ bekannt ist.

Wie auch immer Lammas (oder Lughnasadh) entstanden sein mag, ob es seinen Ursprung in der landwirtschaftlich geprägten Mentalität der Kelten hatte oder in einer Sagentradition, war und bleibt es ein Fest, das sehr viel Dankbarkeit beinhaltet. Dankbarkeit für die kommende Ernte, für die Sorglosigkeit des Sommers, für das Leben, das einem von seiner Mutter oder auch Mutter Erde geschenkt worden ist. Deshalb regen die Energien, die momentan im Umlauf sind, dazu an, einmal zurückzuschauen – auf all das, was man in diesem Jahr schon erreicht und erlebt hat, worauf man stolz und wofür man dankbar sein kann.

Außerdem ist dies ebenfalls ein guter Moment, um noch einmal die letzten Sommertage zu genießen und die Sonne mit allen Sinnen aufzunehmen. Denn selbst heutzutage sind wir noch der Natur insofern „unterworfen“, dass wir nicht verhindern können, dass die Tage wieder dunkler und kälter werden. Und auch hierfür ist wieder Dankbarkeit angebracht, Dankbarkeit für so einfach Dinge wie die Jacke im Schrank lassen zu können, um 21Uhr noch nicht das Licht anmachen zu müssen und tolle Abend mit Freunden und Familie im Park oder im Garten zu verbringen. Deshalb lohnt es sich, mit einem Blick in den Himmel und den Füßen im Gras einmal Danke zu sagen für all das Gute, das einem wiederfahren ist, wiederfährt und wiederfahren wird.

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