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AutorenbildJacqueline

MABON oder Eine Reise in die Anderswelt

Es ist mal wieder Zeit, abzutauchen in längst vergangene Zeiten, in eine mythische Welt, die uns für einige Augenblick vergessen lässt, wo und wann wir uns gerade befinden. Dementsprechend reiche ich euch auch heute mal wieder die Hand und nehme euch mit in die zyklische Bewegung des keltischen Jahreskreises, der uns für nächste Woche ein Weiteres seiner Feste ankündigt.

Der Grund hierfür liegt – bekannter Weise – in den kosmischen Bahnen, die Sonne und Mond in Form der Tagundnachtgleiche am 21.09. in Balance bringen. MABON – ist der Name des Festes, welches zu Ehren jenes Gleichgewichts zwischen Licht und Dunkelheit gefeiert wurde. Es läutete das Ende der Erntezeit und den Beginn von Tagen, Wochen und Monaten voll Entbehrungen und Kälte ein. Nichtsdestotrotz feierten die Kelten auch dieses Fest mit einem unerschütterlichen Optimismus, wie man heute wohl sagen würde. Sie dankten der Muttergöttin und dem gehörnten Gott für die eigefahrene Ernte und ließen als Opfergaben sogar einen Teil der Nahrungsmittel auf den Feldern stehen. Damit baten sie einerseits um einen ähnlichen Gabenreichtum im nächsten Sommer, andererseits sollte es aber auch die dämonischen Kräfte besänftigen, die sich in der Zeit rund um die Tagundnachtgleiche ihren Weg aus der Anderswelt zu den Menschen bahnen konnten. Zusätzlich galt das Belassen eines Teils der Ernte auf den Feldern als Ehrerbietung den Ahnen gegenüber, denen es ebenfalls durch die geöffneten Portale der Anderswelt ermöglicht wurde, den Weg zu ihren noch lebenden Verwandten zu finden.

Mabon bzw. der ganze Herbst mit seinen weiteren Festlichkeiten wie auch Samhain wurde von jener Schwellen-Thematik zwischen den Welten beherrscht. Dies liegt daran, dass nicht nur die Tagundnachtgleiche durch eine Art Schwebezustand zwischen Hell und Dunkel zu charakterisieren ist, sondern die ganze dritte Jahreszeit. Die Kelten setzten nämlich den Jahresverlauf mit dem Zyklus eines Tages gleich: Im Frühling und speziell an Ostara feierte man den symbolischen Sonnenaufgang des Jahres, während der Herbst der Abenddämmerung gleichkam. Demnach befinden wir uns zu dieser Jahreszeit also in einem Zwischenzustand zwischen Tag und Nacht, welcher andere Zwischenzustände dem keltischen Glauben nach begünstigte – in diesem Fall die Nahtstellen zwischen Leben und Tod sowie menschlicher und dämonischer Welt.

Die Verbindung von Ober- zu Unter- bzw. Anderswelt wird auch in der Namensgebung jenes Feiertages sichtbar; er stammt nämlich aus einer heidnischen Legende und ist die Bezeichnung für den Sohn der walisischen Muttergöttin. Jener göttliche Sprössling verschwand nämlich drei Tage nach seiner Geburt und wurde später in der Anderswelt wiedergefunden. Er war durch eines der Portale, die sich traditionell in Hügeln, auf Gewässergründen oder Inseln befinden, in die mythische Parallelwelt gelangt – ein Schicksal, dass im keltischen Glauben auch jedem anderen an Tagen wie Mabon oder auch Samhain ereilen konnte. Das Kind wurde sodann aber gerettet und der sich sorgenden Muttergöttin zurückgegeben, fungierte von da an jedoch trotz des gütlichen Endes als warnendes Beispiel für die lauernde Gefahr in Herbstnächten.

Jene Dualität von Ober- und Unterwelt nahmen übrigens auch die christlichen Missionare als Grundlage, als sie kamen, um die Kelten zu bekehren. Wieder einmal griffen sie alte Bräuche auf, nutzten sie als Basis und formten darauf ihren eigenen, christlichen Überbau. So entstand zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert das christliche Fest des Heiligen Michaels, welches – am 29.09. zelebriert – die alten keltischen Zeremonien verdrängen sollte. Die Thematik blieb aber ähnlich; demnach feiert man an diesem Tag, den Sieg des Erzengel Michaels über den Teufel und die Verbannung Lucifers in die Hölle.

Ob man nun also Mabon feiert oder den Michaelistag, man erkennt eine gewisse Dualität in der Welt an, die dafür sorgt, dass Schwellengänge möglich sind. Man glaubt daran, dass es mehr gibt, als bloß das, was man auf den ersten Blick sehen kann. Und insbesondere im keltischen Glauben erlaubt man sich eine gewisse Hoffnung, die den Tod nicht zum endgültigen Fakt werden lässt, sondern die eine Hintertür zu längst Verblichenem offenlässt … in Hügeln, auf dem Meeresgrund oder auf dem Boden eines Sees.

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