Ich war diese Woche krank – und habe mit diesem Satz wohl die formschönste und einfallsreichste Einleitung der Welt geschrieben. Aber mehr ist einfach diese Woche nicht passiert; Dienstag bin ich mit Ohren- und Halsschmerzen zum Arzt. Durfte auch direkt einen Corona-Test machen –ohne fremde Hilfe, draußen auf der Straße vor der Praxis und natürlich mit ästhetischen Würgegeräuschen, während ich mir dieses komische Stäbchen in den Rachen geschoben habe. Das war ein tolles Erlebnis, ich habe auch sicher eine tolle Figur inklusive toller Geräuschuntermalung gemacht und es war bestimmt auch tolle Außenwerbung für den Hausarzt meines Vertrauens. Da wunderte es mich auch nicht, dass ich fast allein im Wartezimmer saß, bevor ich dann zum Onkel Doktor reindurfte.
Diagnose: Ohren- und Rachenentzündung. Behandlung: Mütze auf, Ibuprofen rein, Nasentropfen dreimal täglich. Und natürlich zuhause bleiben, bis das negative Coronatest-Ergebnis da ist. Ich also nach Hause gedackelt und ins Bett. Erstmal Schlaf nachholen. Aber habt ihr schon mal mit einer Mütze geschlafen? Das ist das weirdeste Gefühl ever. Ich frage mich, wie die Menschen das früher ertragen konnten, regelmäßig mit „Schlafhauben“ und „-mützen“ zu Bett zu gehen. Da verdampft einem doch eine Gehirnzelle nach der anderen. Ich bin auf jeden Fall nach zwei Stunden Mittagsschlaf aufgewacht und jedes Bratenthermometer hätte angezeigt, dass ich gar sei.
Aber nun gut, Wärme hilft heilen und deshalb trug ich ganz tapfer meine Mütze – auch mit dem Nebeneffekt, dass so meine in Knoblauch getränkten Wattebäuschchen im Ohr nicht rausfielen. Dieses Hausmittel habe ich übrigens im Internet gefunden und es hat mir sehr geholfen – kein Vampir hat mich angegriffen und auch meine Ohrenschmerzen wurden ein bisschen gelindert. Kann ich also bei befürchteten Vampirangriffen und akuten Ohrenschmerzen weiterempfehlen.
Am Mittwoch dann, mir ging es schon ein bisschen besser, bekam ich nach 24 Stunden und ca. 40 Minuten das ersehnte Ergebnis meines Corona-Tests: Nicht coronös. Ich und die Wissenschaft konnten aufatmen: Ohrenschmerzen sind also (bislang) kein Symptom von Covid-19 und ich durfte wieder das Haus verlassen. Aber, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, wollte ich das gar nicht. Schwindel und ein dauerhafter, kleiner Schweißfilm auf meiner Haut wie aus einer schlechten Sexszene ließen mich doch für sinnvoll erachten, mich jetzt nicht direkt ins Supermarktgetümmel zu werfen, sondern auf den Inhalt meines Tiefkühlfaches zurückzugreifen. Für das körperliche Wohl war somit gesorgt, aber was ist mit dem Geistigen?
Schwere Frage, denn, wenn man Schmerzen und Knoblauch-Wattebäuschchen im Ohr hat, ist alles mit Ton so eine Sache. Bereits in meinem letzten Blogartikel sprach ich von Gratwanderungen, die uns täglich herausfordern. Eine ganz besondere Gratwanderung legte ich diese Woche mit der Justierung der richtigen Lautstärke meines Podcasts bzw. meiner Serie am Mittwoch hin, die ich mir anhören- bzw. anschauen wollte. Das war wirklich my-llimeter Arbeit und erforderte in meinem Entzündungs-Knoblauch-Mützen-Delirium einiges von mir ab. Aber ich schaffte es am Ende, die perfekte Lautstärke zwischen schmerzhaft und „Was-hat-er-gesagt?“ zu finden.
Die Folge: Am Mittwoch bingte ich die letzte Staffel „Magicians“ (keine Empfehlung, ich wollte es nur zu Ende bringen, der Serie den Gnadenstoß geben, dieses verschwendete Kapitel meines Lebens schließen) und stand dann vor einem neuen Problem: Was jetzt? Und wieder mal zeigt sich die Problematik des „homo optionis“ unserer Zeit. Denn wie wir einen Kleiderschrank voller Klamotten und trotzdem nichts zum Anziehen haben, haben wir mehrere Streamingdienste mit abertausenden von Serien und trotzdem nichts Geeignetes, um sich vom Kranksein abzulenken. Ich stand also da, vollkommen orientierungslos und mit dem Gedanken überfordert, wie ich nun die letzten Stunden des Tages verbringen sollte – es gab ja aufgrund des ganzen Knoblauchs noch niemals Vampire, gegen die ich zum Spaß kämpfen konnte.
Also entschied ich mich – wie jeder entscheidungsfreudige, neugierige Mensch – einfach mir etwas anzuschauen, was ich schonmal gesehen habe. Die BBC-Serie „Sherlock“ geht einfach immer, vor allem, weil sie einen recht gleichmäßigen Lautstärkepegel hat. Apropos Lautstärke: Am Donnerstag, als die Ohrenschmerzen bis auf ein leichtes Ziepen abgeklungen waren, ich aber immer noch den Wattebäuschchen-Mützen-Style bevorzugte, habe ich gemerkt, wie angenehm es ist, wieder die Lautstärke hochdrehen zu können und den berühmten Detektiv samt seines Helferleins Watson nicht bloß im Flüsterton zu lauschen. Als ich dann irgendwann die Wattebäuschchen aus meinen Ohren entfernte, merkte ich aber, dass meine Nachbarinnen und Nachbarn wohl das gleiche Vergnügen hatten wie ich. Die Serie war bis auf den Flur zu hören. Das erinnerte mich wiederum an meine Kindheit, als mein Vater pflegte, abends – wenn ich eigentlich zum Schlafen ins Bett gebracht worden war – einen Film anzumachen, dessen Dialoge und Soundkulisse durch zwei Türen ungewollt zu meiner Gute-Nacht-Schlaf-in-90-Minuten-wenn-der-Film-vorbei-ist-Geschichte wurden.
Nun gut, nach diesem Ausflug in meine Kindheit, kommen wir wieder zurück zu meiner Woche: Mehr ist nicht geschehen. Ende.
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