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Mehr als Schwarz und Weiß - "Chicago - The Musical"

„Whatever happend to class?“-Eine Frage, die sich nicht nur die Charaktere im Musical „Chicago“ stellen, sondern auch man selbst als Zuschauer nach anderthalb Stunden „Schwarz-Weiß- Film“ auf der Musical-Dome-Bühne in Köln. „Chicago“ entführt dich hinter sowie auf die Bühne der 20er Jahre nach Amerika … in eine Stadt voll Gefahr und Gelüst, Liebe und Leiden, Wollust ud Whiskey, Hoffnung und Haftstrafe. Wenn der Vorhang aufgeht, öffnet sich der Schleier zwischen Wirklichkeit und Traum – dem Traum von der großen Karriere, von dem brandenden Applaus des Publikums, von der Show, die einen zum Star macht.

Natürlich musste auch ein Foto zur Erinnerung her :)

Zusehen ist zunächst nur das Orchester: Blechbläser, Klavier und Schlagzeug, der Dirigent davor. Diese Szenerie bildet die Kulisse für das ganze Spektakel, was sich ab dann auf der Bühne entwickelt; es ist weniger eine lineare Handlung, mehr ein Strudel aus Gelöbnissen und Gelüsten, aus schwarzem Humor und noch schwärzeren Abgründen, aus gelogenen Wahrheiten und wahrhaftigen Lügen. Alles ist Fassade und doch kommt die ganz Show ohne viel Bühnenbild aus; Kostümwechsel bestehen aus dem Überwerfen eines Jacketts und dem Tausch von schwarzen gegen silberne Schuhe. Es ist einfach und doch so grandios; die Musik malt die Szenerien, der Tanz kleidet die Akteure, der Gesang lässt dich spüren, was geschieht - eigentlich musst du nicht hinschauen, doch wegschauen kannst du auch nicht: Zu viel gewagte Aktion, zu viel falsche Emotion und vor allem zu viel nackte Haut, um sich das Treiben auf der Bühne entgehen zu lassen. Das eine ergibt sich aus dem anderen, alles passiert und funktioniert wie von selbst, man bekommt nicht genug „of all that jazz!“. Die Stimmen der Sänger entführen dich in die schmutzigen, rauen Ecken des Frauenknasts, in eine Welt zwischen Strapsen, Strass und Mord … und in die Arme von „Mama“, die dich von Schmutz befreit, wenn du ihr die Hand wäschst. Niemand ist hier wirklich schuldig – „not … guilty“ ist die Antwort auf alles, denn jedes Verbrechen war ein Unfall, ein törichtes Missgeschick, ein unvorhersehbares Unheil – man hat geweint, gefleht und natürlich gewarnt … mit zwei Warnschüssen … in den Kopf des untreuen Liebhabers. Und jetzt wartet man auf die Verhandlung, die Verhandlung, die einen zum Star macht, die das Leben verändert, einen endlich statt hinter Gitter vor den Vorhang bringt. Hier zählt nicht die Größe der tiefempfundenen Reue sondern nur die Größe des Artikels in der Zeitung; ein Verbrechen als Sprungbrett „Ein Schuss, ein Treffer“ wird hier noch wortwörtlich genommen: Der Schuss geht vom Herzen des Opfers bis in das des Publikums, man trifft die Hauptschlagader und den Puls der Zeit. Während man auf seinen großen Auftritt vor Gericht wartet, schwelgt man aber in Erinnerungen oder träumt von einer großen, schillernden Zukunft. Jeder bleibt für sich, auf seinem eigenen Stuhl, in seiner eigenen Ecke, denn man ist ja hier der einzig Unschuldige unter hundert Kriminellen. Wenn der Moment dann da ist, ein Termin ausgemacht und man endlich vor Richter und Publikum steht, dann hat man es geschafft. Jetzt fehlt nicht mehr viel und man wird von einer bloßen Häftlingsnummer zu der Nummer 1 am Broadway, auf den Bühnen, die die Welt bedeuten. Der Traum von der eigenen Show wird hier wahr, Paparazzi an den Eingängen, alle wollen ein Interview mit der Frau, die ihren Geliebten in Notwehr, aus Versehen, ohne Herrin über ihre Sinne zu sein, ihn vollkommener Ohnmacht, mit Tränen in den Augen und zitternden Händen im Anlitz des eigenen Todes erschossen hat. Die One-Woman-Show beginnt, man steht im Rampenlicht. Nicht zu zweit, nicht zu dritt, sondern ganz allein, in vorderster Reihe - man teilt nicht gerne, das Spotlight ist zu schmal für zwei ... und der beste Freund ist man eh sich selbst - ob im Gefängnis oder auf freiem Fuß. So heißt es so schön in einem solistischen Duett:„Three musketeers who never say die are standing here this minute: Me, Myself and I.“

Am Ende löst sich der ganz große Traum von der steilen Karriere jedoch auf, denn immer wird es einen blutigeren Mord, eine theatralischer gespielte Reue, mehr kristallene Tränen vor Gericht und ein kürzeres Röckchen auf der Bühne geben. So ist es am Abend eines langen Tages nicht mehr der eigene Name, der die Schlagzeile der morgigen Ausgabe sein wird. Es ist weder „Velma“ noch „Roxie“, noch ist es deiner oder meiner, es ist der Name desjenigen, der das Spiel noch besser spielen kann. Es ist der Name desjenigen, der noch weniger Klasse und Stil aufweisen kann, aber dafür ganz viel Jazz hat. Der Vorhang fällt in goldenem Lametta, der Traum ist aus, doch von Wahrheit keine Spur. Das einzige, was bleibt und zählt, ist nur das Eine:

„Give them the old razzle dazzle, give them an act with lots of flash in it. And the reaction will be passionate. Give them the old hocus pocus, bead and feather them.“
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