In der Tiefe, in des Berges Herz,
dort ruht er weit ab von aller Welten Schmerz.
Seine Farbe spiegelt Seelen und Geschichten,
bis die spitzen Hacken Dunkel lichten.
Hervorgebracht aus Fels und Stein,
in grober Hand so glänzend rein:
Ein Kristall, ein Quarz, ein kleiner Schatz,
ins Licht getragen von gar unwirklichem Platz.
Nun lasst mich ihn euch vorstellen, den Rosenquarz, den viele von euch wahrscheinlich kennen. Der ein oder andere mag ihn sogar sein Eigen nennen. (Ups, bin noch nicht ganz aus dem Reimen raus, wie ich gerade feststelle!) Dass er so bekannt ist, liegt u. a. daran, dass eben jener Quarz mit seinem rosigen Schimmer keine kristallene Seltenheit ist – selbst in Deutschland ist er zu finden. Die meisten Vorkommen befinden sich jedoch auf Madagaskar, in Brasilien und Namibia, wo der Rosenquarz auch primär abgebaut wird. Seiner Häufigkeit zum Trotze kann man den Rosenquarz, welcher auch „Liebesstein“ oder „böhmischer Rubin“ genannt wird, jedoch nicht als einen unbedeutenden Kiesel abtun, denn er spielt eine gewisse Rolle in der Geschichte der Menschheit.
Jene Quarzvarietät wurde nämlich bereits bei den Mesopotamiern um ca. 7000 v. Chr. zu Perlenschmuck verarbeitet. Auch die alten Assyrer und Ägypter trugen ihn als Schmuckstein in Amuletten und Co. stolz zur Schau. Letztere glaubten sogar daran, dass der Rosenquarz die Alterung verlangsame – eine These, die vielleicht nicht so 100prozentig zu verifizieren ist, aber vielleicht insoweit „funktioniert“, dass der Quarz mit seiner charakteristischen, zarten Rosafärbung in ein schönes Schmuckstück gearbeitet durchaus das Potenzial besitzt, von ersten Fältchen und kleinen Runzeln abzulenken. Sollte dann doch der Blick ins Gesicht wandern, kann man außerdem die Aufmerksamkeit wohlwollend auf ihn zurücklenken. Dafür braucht man nur zu erwähnen, dass seine allseits bekannte Rosafärbung auf einer bestimmten Eisen-Titan-Verbindung zurückzuführen ist. Ein nächster Blick ist hiermit garantiert!
Doch solange die Menschheit jene banale und sehr chemische Erklärung für die Farbe des Rosenquarzes noch nicht kannte, widmete man sich – meiner Meinung nach – formschöneren und gar romantischeren Ansätzen zur Begründung jener Farbgebung. Die Griechen z. B. erzählten sich über die Entstehung des Rosenquarzes folgende, tragische Sage:
Einst schenkte Aphrodite, die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, ihr Herz einem wunderschönen Jüngling namens Adonis. Jener ward übrigens aus einer gar seltsamen Inzestgeschichte – wie in der griechischen Mythologie recht üblich – hervorgegangen. Doch jener Umstand, dass seine Eltern Vater und Tochter waren, taten seiner Attraktivität keinen Abbruch und er galt als Sinnbild der menschlichen Schönheit. Das fiel auch der Göttin der Liebe auf und sie verführte den jungen Adonis, der sich ebenfalls ihres Liebreizes nicht erwehren konnte. Doch hatte Aphrodite die Rechnung ohne die neidische Persephone gemacht, die Tochter der Demeter und Gemahlin des Hades, die ebenfalls ein Äuglein auf Adonis geworfen hatte. Generell nichts Ungewöhnliches auf den ersten Blick; zwei Frauen, die sich um einen Mann streiten kennen wir ja schon aus dem Bachelorfinale, jedoch ist eine der Frauen (Persephone) zugleich auch Adonis‘ Ziehmutter und hier wird’s dann wieder etwas unangenehm. Aus den also nicht ganz rein mütterlichen Eifersuchtsgefühlen heraus beschloss die Herrscherin der Unterwelt sodann, das junge Glück zu zerstören, indem sie Ares zur Hilfe rief. Jener Gott war ein verflossener Geliebter der Aphrodite und scheinbar noch nichts so ganz über seine Liebelei mit jener hinweg. Er verwandelte sich nämlich in einen wütenden Eber und zerfleischte den guten Adonis ohne mit der Eberwimper zu zucken. Aphrodite ward daraufhin am Boden zerstört, sie weinte bitterlich neben dem toten, blutüberströmten Adonis, welcher zufälliger Weise direkt auf einem klaren Quarz seinen letzten Atemzug getan hatte. Sein Blut und die Tränen der Liebesgöttin vermischten sich sodann auf jener Oberfläche, sickerten ein und so entstand der erste böhmische Rubin der griechischen Geschichte. Später brachte dann Eros den Rosenquarz auf die Erde zum Menschen, wo er – doch ein bisschen paradox – zum Sinnbild von Liebe und Fruchtbarkeit wurde.
Romantisch, oder? Nicht ganz so romantisch und eher bedenklich – ähnlich wie die verwandtschaftlichen Verhältnisse im alten Griechenland – war die Verwendung des Rosenquarzes im Mittelalter: In dieser Zeit glaubte man nämlich, dass jener Quarz eine verlässliche, medizinische Wirkung besitze und gebrauchte ihn munter als Gegengift bei Vergiftungen. Ich denke, dass den meisten der Patientinnen und Patienten kein besseres Schicksal als dem guten Adonis blühte.
Aber nun gut, Placebo hin oder her, am Ende hat der Rosenquarz als vermeintliche Medizin doch nicht alle Menschen dahingerafft und wir dürfen ihn noch heute als einen kleinen Schatz der Natur bewundern.
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