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„893“ oder „Stress parat zum Unistart“

Aktualisiert: 4. Nov. 2018

„Ich gehe davon aus, Sie alle haben das 597-seitenlange Ausnahmewerk des berühmten Autors bereits gelesen, dann können wir ja direkt mit der Textarbeit starten!“, ist sicher einer der Sätze, die man nicht in der ersten Seminarsitzung von seinem Dozenten hören möchte. Noch weniger, wenn man zu diesem Seminar erst seit knapp 36 Stunden zugeteilt ist- denn das bedeutet, dass man bereits zwei Minuten nach Beginn der Lehrveranstaltung irgendwas zwischen zwei Wochen und zwei Jahren im Stoff zurückhängt…denn, wenn man ehrlich ist, hat man noch keine einzige Seite gelesen, geschweige denn die 596 Freunde dieser Seite schon bei Amazon bestellt.

Sollte man dann noch mehr Pech haben, ist eine solche Situation kein Einzelfall. Generell nämlich scheint bei den Dozenten an der Uni ein gewisses Einvernehmen darüber zu herrschen, dass einerseits sich Studenten innerhalb einer Woche das aneignen können, was ein berühmter Schriftsteller auf einer zweijährigen Reise erlebt hat, und andererseits darüber, dass alle anderen koexistenten Lehrveranstaltungen im Vergleich zum eigenen Seminar eine quasi vollkommen selbstverständliche Nichtigkeit besitzen.

So kommt es leicht dazu, dass man bereits in der ersten Uniwoche ganze sechs Bücherbestellungen aufgibt, wovon drei Bücher am besten rückwirkend zur ersten Sitzung gelesen und die restlichen wenigstens zur nächsten Sitzung überflogen sein sollten. Nimmt man jetzt nur die stattliche Gesamtzahl des geforderten rückwirkenden Lesepensums, kann eine Zahl wie 893 erscheinen. Diese entspricht leider weder dem eigenen Kontostand noch der Anzahl der für gesund befunden Schokostücke pro Tag. Nein, sie bezeichnet die Seitenanzahl, die man lesen muss, um den Seminarplänen entsprechend vorbereitet zu sein.

-Auf (großzügig) fünf Tage Zeit ist dies im Übrigen eine Leseleistung von 178,6 Seiten pro Tag und das zumeist bei Werken, die man genauso gut verschlingen kann wie ein Scheibe Toastbrot, ohne etwas dabei zu trinken. Spoiler: ist eine ziemlich langwierig und trockene Angelegenheit!-


Beweisbild ;)

Nebenbei muss man als Student, wenn man nicht wie Diogenes in einer Tonne hausen möchte, auch noch Geld verdienen. Dieser Umstand wird von manchen Dozenten dann mit einem „Ihr Studium ist Ihr Hauptberuf!“ abgetan und geflissentlich ignoriert. Dennoch soll an dieser Stelle angemerkt sein, dass diese Gleichstellung gewaltig hinkt, denn ein Kafka-Seminar kann zwar auf den Magen schlagen, aber nicht satt machen. Und auch die meisten Vermieter zeigen sich recht unkooperativ und unbeeindruckt, wenn man ihnen einen dreiviertelstündigen Vortrag über die verschiedenen Münzen im alten Griechenland anstelle der ausstehenden Miete anbietet.

So kommt es dann, wie es scheinbar kommen muss, die ersten Uni-Wochen werden schnell zum totalen Chaos; To-Do-Listen auf einem kleinen Notizblock sind Schnee von gestern, gefühlt füllt das Abzuarbeitende eine ganze Pergamentrolle, die bis zu den Zehen reicht und bestenfalls regelmäßig von einem Herold verlesen wird. Der Tag scheint darüber hinaus plötzlich keine 24 Stunden mehr zu haben, bzw. sind 24 Stunden schon bald nicht mehr ausreichend. Man bräuchte eigentlich 36 Stunden… und, wenn man jetzt schon dabei ist, zu verhandeln, warum nicht gleich verdoppeln und 48 draus machen!?

Grundvoraussetzung, um aus der mickrigen Stundenanzahl eines Tages möglichst viel rauszuholen, ist in dieser Zeit das gute alte Multitasking. Dabei fühlt man sich aber nicht wie ein gut verdienender Buisness-Mensch, der durch die Welt jettet und jedem ständig erklärt, wie busy-busy er ist, sondern eher als würde man auf einem Gymnastikball balancieren, dabei mit vier geölten Bällen jonglieren, sich derweilen ein Nießen verkneifen müssen, weil man zu allem Überfluss auch noch ein Gedicht aus der Grundschule rezitieren muss und das alles auf einem Bein stehend …auf einer Eisscholle mitten in der Antarktis… bei Minus 40Grad… im Bikini.

Aber das Schöne ist, auch es wird wieder vorbeigehen! Der Stress wird im Laufe des Semesters weniger (jedenfalls solange bis er sich zum Ende hin wieder monströs zusammenballt- aber das sollte momentan noch egal sein!)

Irgendwann hat man sich dann nämlich tatsächlich durch die 893 Seiten durchgequält oder eben eingesehen, dass Wikipedia zwei Jahre im Leben eines Literaten besser zusammenfassen kann, als jener es selbst vermag!


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