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AutorenbildJacqueline

#chronicalme: Ehrliche Worte mit Gewicht

Wie ihr als treue Blogleser und -leserinnen wahrscheinlich gemerkt habt, ging es in der letzten Zeit hier vermehrt um mein Lipödem wie auch damit zusammenhängend um meine Struggle im Hinblick auf mein eigenes Körperbild. All dies hat einen Grund, den ich lange versucht habe, geheim zuhalten bzw. mit großer Sorgfalt vermieden habe, öffentlich aber auch in meinem privaten Umfeld anzusprechen: Aufgrund einer neuen Medikation, welche ich seit Ende letzten Jahres nehme, habe ich zugenommen – und nicht nur wenige Kilo, sondern ganze zehn.


Schleichend, etwas ein Kilo pro Monat hat es sich auf meinen Hüften bequem gemacht und beschlossen, zu bleiben. Besonders frustrierend daran, ist die Tatsache, dass ich nichts an meinem Lebensstil geändert habe, nicht unbedingt mehr gegessen habe als gewöhnlich und auch an meinem Bewegungspensum sich nichts verändert hat. Den einzigen Unterschied machte das Medikament, was anscheinend meinen Hormonhaushalt stark beeinflusst, auch stärker, als es gewöhnlich zu sein scheint – sagt jedenfalls meine Ärztin.

Jeder Abnehmversuch ist daher gescheitert, teilweise habe ich dadurch sogar noch schneller zu genommen, sodass ich zum Herbstanfang so einen kleinen Mental-Break-Down hatte. Mir ging es wirklich nicht gut mit allem, ich habe mich selbst für die Zunahme verantwortlich gemacht und in keinster Weise gelten lassen, dass ich vielleicht weniger „Schuld“ daran habe, als mir diese gemeine Stimme im Kopf zu sagen pflegte. Beim Blick in den Spiegel war ich manchmal den Tränen nahe, beim Blick in meinen Kleiderschrank tat es weh, so viele Klamotten zu sehen, die mir einfach nicht mehr passten und generell hatte ich stetig Angst, von der Außenwelt auf meine Gewichtszunahme angesprochen zu werden. Schon der Gedanke daran, dass andere Menschen merken könnten, dass ich doch einig Kilos zugenommen habe, ließ meinen Magen verkrampfen. Mein Selbstwertgefühl haftete am Boden der Tatsachen wie plattgetretenes Kaugummi auf Asphalt.


Es hat dann tatsächlich einige Wochen gedauert und dauert auch irgendwie immer noch an, dass ich anfing, zu akzeptieren, dass ich momentan an der Situation nichts ändern kann bzw. dass ich nicht die Kraft habe, noch mehr zu versuchen, als bereits probiert. Das Medikament abzusetzen, ist leider keine Lösung – ohne es, verschlimmern sich meine Symptomatiken und meine Lebensqualität sinkt rapide. Demnach blieb und bleibt mir gerade nichts anderes übrig, als meinen Körper anzunehmen, wie er gerade ist, und meinen Selbstwert nicht diametral zum Anstieg meines Gewichtes sinken zu lassen. Ein Prozess, an dem ich heute immer noch an manchen Tagen zu knabbern habe und der nicht immer gleich leicht oder schwer fällt.


Dennoch gibt es einige Sachen, die mir dabei geholfen haben, nicht vollständig zu verzweifeln: So habe ich z. B. ausnahmslos ausgemistet. Alle Kleidungsstücke, die mir nicht mehr passten, habe ich verkauft oder gespendet und mir im nächsten Atemzug einfach Klamotten zugelegt, die mir passen. Anzuerkennen, dass ich keine 36 bis 38 mehr war, sondern nun speziell Hosen in L brauche, war vor allem psychisch herausfordernd. Als ich dann aber die erste Hose in dieser Größe anprobiert habe und diese wirklich gut passte, sagte mir mein Spiegelbild doch schon wieder etwas mehr zu. Oft ist es nämlich einfach so, dass man zumeist nur in Klamotten „unförmig“ wirkt, die einem nicht passen – egal ob zu groß oder zu klein. Irgendwann hatte ich dann sogar Spaß daran, auszusortieren und mich mit neuer Kleidung auch irgendwie neu zu erfinden. Ich bin auf jeden Fall froh, meine Freude an Mode und Second-Hand nicht verloren gegangen ist und mir hier in diesem Zusammenhang wieder ein bisschen Mut schenken konnte.


Ein weiterer Schritt, der mir wirklich geholfen hat, ist die Akzeptanz, dass mein Körper mit Lipödem und nun auch ein paar Kilos mehr auf den Hüften gerade im sportlichen Bereich einfach nicht in der Lage ist, mit schlanken, gesunden Menschen mitzuhalten. Ich habe mir selbst erlaubt, manche Dinge einfach nicht zu können, die andere mit Leichtigkeit vollführen, ich aber nur unter größter Anstrengung und – Lipödem bedingt – Schmerzen leisten kann. Deshalb habe ich mein Sportprogramm umgestellt und mache nun täglich Workouts, die den Bedürfnissen und Fähigkeiten von Lipödem-Betroffenen wie auch leicht übergewichtigen Menschen angepasst sind. Diese sind zumeist zwischen zehn bis fünfzehn Minuten lang, gelenkschonend und verzichten auf Springen und starke Muskelbelastung in den Beinen. Wenn ich diese Workouts mache, fühle ich mich zum ersten Mal mit Sport – außerhalb von Yoga – einigermaßen wohl, ich würde sogar sagen, ich habe gewisse Freude daran und auch die Motivation ist in den letzten Monaten nicht gesunken, sondern eher gestiegen. Und auch, wenn ich durch die zehn Minuten Bewegung am Tag nicht unglaublich viel mehr Kalorien verbrenne und dadurch abnehme, habe ich doch das Gefühl ein bisschen Kontrolle über meinen Körper zurückgewonnen zu haben.


Zu guter Letzt half mir in dieser Situation ebenfalls das Verschieben von Maßstäben. Für mich ist momentan Abnehmen gar nicht mehr das große Ziel, sondern vor allem mein Gewicht zu halten. Gelingt mir dies, ist das schon ein Erfolg – und was soll ich sagen, die letzten Monate war ich erfolgreich, was das angeht. Zusätzlich versuche ich mehr auf meine Ernährung zu achten, wieder nicht mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren, sondern einfach meinem Körper etwas Gutes zu tun. Denn, wie dieser mir zeigt, ist er momentan hart am Kämpfen, das Medikament bringt einiges durcheinander und ich möchte ihn einfach nicht noch mehr belasten als nötig. Deshalb stehen wieder mehr Obst und Gemüse auf dem Essensplan und weniger Junkfood. Trotzdem verbiete ich mir auch nichts, sondern entscheide mich einfach für eine ausgewogenere Ernährung.


All das ist wieder Mal bloß ein Anfang, ein Anfang einer Reise, die ich dieses Jahr unerwarteterweise antreten musste und auf die ich keineswegs vorbereitet war. Ich kannte zwar bereits Gewichtsschwankungen, wie ihr wisst, bin auch ich ein kleines Jojo-Girl, aber in diesem Ausmaß hat mich das alles doch sehr geschockt und überfordert. Und allen, die ähnliches erlebt haben, sich in einer ähnlichen Situation befinden, möchte ich an dieser Stelle einfach nur sagen: „I feel your pain!“. Und ich hoffe, mit diesem ehrlichen Blogbeitrag kann ich vielleicht nicht nur für mehr Selbstakzeptanz bei Betroffenen sorgen, sondern ebenfalls etwas Awareness schaffen, bei all den Menschen, die immer noch denken, dass jede Person in jeder Lebensphase über ihr Gewicht selbst entscheiden kann.

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