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AutorenbildJacqueline

#chronicalme: Vom Lipödem und Touri-Fettzellen

Es ist ein neuer Stempel in meinem Bonusheft dazugekommen – jedenfalls habe ich es angefangen, so zu bezeichnen. Zwar kriege ich mit diesem Bonusheft wohl nie einen Kaffee umsonst oder eine Freifahrt mit dem Karussell, aber es klingt einfach besser als „Ich bin gleich zweifach chronisch krank“.

Neben Endometriose habe ich nämlich seit ungefähr einem Monat auch die Diagnose „Lipödem“. Das Erste, was ich mir da gedacht habe, war: „Toll, noch mehr Zellen mit Individualisierungsdrang!“. Tatsächlich ist es beim Lipödem nämlich ähnlich wie bei Endometriose: Zellen, in diesem Fall speziell Fettzellen, verhalten sich anormal. Sie vergrößern sich beim Lipödem krankhaft und verlieren ihre natürliche Form. Dazu kommt, dass sie ab der Deformierung auch nicht mehr vom Körper abgebaut werden können. Sie legen quasi wie der deutsche Vorzeigetourist im Urlaub ein Handtuch auf ihren Platz – das ist meistens an den Oberschenkeln, an den Unterschenkeln oder auch an den Armen – und verhalten sich ganz nach dem Motto „Ich wohn‘ jetzt hier, das ist mein Liegeplatz, ich geh‘ hier nicht mehr weg!“.

Bei mir haben sich diese „touristisch angehauchten“ Fettzellen vor allem an den Oberschenkeln gesammelt, aber auch am Knie habe ich bereits Fettlappen an den Innenseiten. Damit gehöre ich je nach Einteilung zu dem Lipödemtyp 1 oder 2. Generell befinde ich mich aber noch im Anfangsstadium der Erkrankung, was man u. a. daran erkennt, dass meine „Reithosen“ an den Oberschenkeln noch eher von einem Pony als von einem Kaltblut herrühren – oder verständlicher ausgedrückt: Sie sind noch recht „klein“ und auch an meinen Knien ist das Fett noch nicht auffällig stark gewuchert. Landläufig könnte man dieses Erscheinungsbild mit „stabilen Beinen“ abhaken, wenn da nicht noch mehr wäre, was nicht nur die Optik betrifft:

  • Schmerzen und Schwellungen nach langem Stehen, Sitzen oder bei hohen Außentemperaturen

  • Schweregefühl in den Beinen

  • Starkes Auskühlen der betroffenen Partie bei kalten Außentemperaturen

  • übermäßig viele Hämatome, die sich schnell bilden

Das sind die typischen Symptome eines Lipödems und etwas, das ich lange Zeit als „normal“ abgetan habe. Ich war mir nie bewusst darüber, dass es nicht wehtun muss, wenn man auch nur leicht an die Tischkante mit den Beinen stößt und dass die Folge nicht direkt ein eskalativ großer blauer Fleck sein muss. Ich war mir bis jetzt auch nicht darüber bewusst, dass es nicht „normal“ ist, wenn man im Sommer abends gefühlt den doppelten Beinumfang hat und Fesseln so dick wie eine Bierflasche. Ebenfalls nicht klar war mir, dass es außerdem nicht normal ist, fast bei jedem Treppensteigen oder längerem Spaziergang Schmerzen in den Beinen zu haben. Ich dachte immer bloß, ich wäre unsportlich, untrainiert und einfach von Natur aus mit schwachem Bindegewebe und den oben bereits erwähnten „stabilen Beinen“ gestraft.


Aber nein, das war und ist nicht „normal“ in dem Sinne von „gesund“ bzw. „nicht krankhaft“. Diese ganzen unliebsamen Erscheinungen sind darauf zurückzuführen, dass ich ein verdammtes Lipödem habe. Neben den kranken, touristischen Fettzellen vermuten Wissenschaftler nämlich, dass auch die Blutgefäße im betroffenen Gewebe bei dieser Erkrankung insofern geschädigt werden, dass ihre Membran durchlässiger wird. Das hat zur Folge, dass nicht nur die Menge an Nährstoffen und vor allem Wasser in die Beine oder auch Arme (je nach erkrankter Körperpartie) abgegeben wird wie notwendig, sondern viel zu viel. Ein vor meinem inneren Auge sintflutartiges Schauspiel, das im nächsten Moment auch schon wieder ausgebremst wird.

Die dichtgedrängten, nach Selbstentfaltung strebenden Lipo-Zellen behindern nämlich den Weg der überschüssigen Flüssigkeit zu den Lymphen, wo sie eigentlich hätte abtransportiert werden sollen. So geschieht genau das Gegenteil von dem, was bei einem gesunden Körper passiert: Das Wasser staut sich und man hat eben o. g. Symptome:

Angeschwollene, schmerzende Beine mit einem höchst unangenehmen Schwere- und Spannungsgefühl. Keine tolle Sache, kann ich euch sagen. Wenn ich solche Tage habe, an denen die Beschwerden besonders schlimm sind, wie z. B. jetzt bei den hohen Temperaturen, würde ich am liebsten meine Beine einfach abnehmen und in den Kühlschrank legen. Auch, wenn das wiederum zur Folge hätte, dass ich auf den Händen laufen lernen oder auf dem mehr oder minder sauberen Küchenfußboden chillen müsste…Aber das erscheint mir dann in diesen Momenten als kleineres Übel.

Nun jedoch zurück vom Küchenboden zum Boden der Tatsachen und der Frage, was man gegen ein Lipödem machen kann. Die Antwort steckt eigentlich schon in den ersten vier Zeilen meines Blogartikels: Nicht viel, denn ein Lipödem ist (bis jetzt) unheilbar.

Genauso wie bei Endometriose ist nämlich auch hier die Ursache nicht final geklärt und damit die richtige Behandlungsmethode noch nicht gefunden. Man vermutet bei beiden Krankheiten aber, dass sie auf einem Fehler im Hormonsystem basieren – aber wo genau dieser liegt, weiß man nicht. Was man erkannt hat, ist, dass beide Erkrankungen zumeist dann auftreten, wenn eine Hormonumstellung stattfindet, also z. B. in der Pubertät (in der es mich gleich doppelt getroffen hat), bei einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren. Alles andere, was über diesen Befund hinausgeht, sind Vermutungen, mit denen ich mich auch noch nicht 100 prozentig auseinandergesetzt habe, weshalb ich diese nicht einfach so verbreiten möchte. Wacklige Theorien ohne konkrete wissenschaftliche Grundlage kursieren ja gerade im Internet auch schon genug…

Nichtsdestotrotz werde ich euch natürlich weiterhin auf meinem Weg durchs Leben mit nun zwei Bonusheftstempeln mitnehmen, denn: Endometriose wie auch ein Lipödem sind ernstzunehmende Krankheiten, die man nicht mit „normalen Menstruationsbeschwerden“ oder den mehrmals erwähnten „stabilen Beinen“ abhandeln kann. Es sind Erkrankungen, die mit Beschwerden einhergehen, die das Leben maßgeblich beeinflussen. Betroffene brauchen dementsprechend von der Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit und Verständnis – und das nicht nur aus sozialer Perspektive, sondern auch aus medizinischer. Gerade bei der Diagnose hapert es nämlich noch so sehr, dass Erkrankte bis zu sieben Jahre un- oder falschbehandelt durchs Leben gehen müssen. Die ganze Liposuktionsdebatte möchte ich hier aus Platzgründen nicht noch zusätzlich aufmachen.

Ein weiterer persönlicher, aber auch wichtiger Punkt, warum ich hier nun offen über beides reden möchte, ist die Tatsache, dass auch ich nur durch Input von außen überhaupt meine Beschwerden infrage gestellt habe. Die Videos und Instastorys von DominoKati und Silvi Carlsson haben mir die Augen für diese Krankheit geöffnet, woraufhin ich mich dann untersuchen lassen habe. Deshalb fasse ich nun auch alle meine Blogbeiträge in der neuen Kategorie #chronicalme zusammen, damit ihr alles zu den Themen Endometriose und Lipödem ganz schnell finden könnt, falls ihr Erfahrungsberichte sucht oder euch einfach nur ein bisschen informieren möchtet.

Aber denkt dran, ich bin kein Arzt, studiere nicht Medizin, sondern lese mir alles nur an oder gebe das wieder, was mir eben Ärzte und Mediziner gesagt haben. Dementsprechend – wenn ihr noch Fragen habt – die über das Persönlich-Erlebbare hinausgehen – lest die Packungsbeilage und fragt euren Arzt oder Apotheker.

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