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AutorenbildJacqueline

Cybermobbing neu definiert: Technik & Verzweiflung

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit stelle ich einen offiziellen inoffiziellen Antrag, die Definition von „Cybermobbing“ zu ändern. Diese entspricht nämlich nicht dem Tatbestand, dem ich seit Jahren ausgesetzt bin. Denn das Mobbing, das ich tagtäglich erfahre, manifestiert sich nicht darin, dass ich MITTELS mobiler Endgeräte oder Computer (anonyme) Ablehnung, Diskriminierung und Co, erfahre, sondern ganz im Gegenteil: Mein Handy, Laptop und Drucker ärgern mich jeden Tag ganz direkt und offensichtlich.

Beginnen wir nur allein bei den gefürchteten Computerupdates – schon das Adjektiv „gefürchtet“ beschreibt recht gut, welchen mentalen Drangsal diese Meldung in mir hervorruft, wenn sie hinterrücks auf meinem Bildschirm auftaucht. Ich glaube, der Großteil kennt dieses Gefühl und reagiert ähnlich wie ich darauf: Mit Verdrängung. Man versucht das Update immer wieder zu verschieben, es hinauszuzögern, um Lebenszeit zu gewinnen. Aber irgendwann passiert es dann irgendwie, das Update kommt in Gang und legt gleichzeitig alles lahm. Die nächste halbe Stunde bis Stunde sieht man auf seinem Laptop nur noch Prozentzahlen, die mit der Geschwindigkeit einer Schnecke auf Stoppersocken steigen. Zumeist färbt sich der Hintergrund dann auch noch in einer pseudo-beruhigenden Farbe, bei der nur noch fehlt, dass eine transzendente Stimme aus dem Off einen dazu auffordert, zu meditieren.

An diesem Punkt möchte ich eines mal klarstellen: Das ist kein Moment, in dem ich meditieren möchte. Eigentlich möchte ich nur, dass mein Laptop wieder einsatzbereit ist und ich da anfangen oder weitermachen kann, wo ich gerade aufgehört habe. Aber mein PC meint, ich muss mal entschleunigen – egal, ob ich gerade im Büro oder im Bett sitze. Das eindeutige Statement meines Laptops ist dann einfach: NEIN. Die pure Ablehnung und Ignoranz meiner persönlichen Bedürfnisse gegenüber schlägt mir ungefiltert ins Gesicht. Es ist dem Herrn Laptop einfach gleichgültig, ob ich jetzt eigentlich einen Blogartikel schreiben, ob ich im Büro an einem Grafikprojekt arbeiten oder dringend meine Mails checken muss. Und die Serie, auf die ich mich den ganzen Tag gefreut habe, die darf ich dann einfach auch nicht gucken.

Ich sag‘ euch: Ich lieb’s! Vor allem, weil ich eh so das Gefühl habe, dass insbesondere mein Computer und ich nicht den gleichen Tagesrhythmus haben. Denn, wenn ich arbeiten will, kommt er mir doch häufig mit der nonverbalen Aussage: „Mach‘ heute mal langsam, öffne nicht so viele Programme, mich überfordert das zurzeit irgendwie!“. Und dann öffne ich eine Anwendung zu viel und er zeigt mir direkt die kalte Schulter mit einem eingefrorenen Bildschirm. Danke für nichts, liebes Hochleistungsgerät, bei dem ich nicht weiß, wann es denn Hochleistungen bringt. Vielleicht ja so zwischen ein und drei Uhr nachts, wenn ich schlafe? Oder vielleicht auch nie!

Aber nicht nur Computer haben es festplatten-dick hinter den Bildschirmen, sondern auch Mobiltelefone. In letzter Zeit legt mein Handy nämlich suizidale Verhaltensweisen an den Tag: Mindestens einmal in der Woche hängt es sich auf. Das nenne ich ja ganz klar emotionale Erpressung, ständig damit zu drohen, nicht wieder anzugehen oder ewig das kreiselnde Symbol des Neustarts zu zeigen. In diesen Augenblicken wird mir nämlich immer ganz anders und ich bete zu Gott, dass der Bildschirm sich nicht für immer schwarz färbt. Im Endeffekt wird mir kurze Zeit später dann aber auch immer wieder schmerzlichst bewusst, welch ungesunde Abhängigkeit ich zu diesem kleinen, widerspenstigen Gerät verspüre, das jetzt gerade so unschuldig neben mir liegt, als könnte es keinen Bildschirm trüben. Doch was will dagegen tun? Was kann ich dagegen tun, solange es noch keine Paartherapien für Personen und ihre mobilen Endgeräte gibt?

Aber nun gut, über Handy und Laptop möchte ich nun gar nicht weiter klagen, denn es gibt da noch ein weiteres technisches Problemkind in meinem Leben. Ich denke, jeder weiß, welches Schauergerät ebenfalls einen Platz in der Neudefinition von „Cybermobbing“ finden wird und auch finden muss: Der Drucker – Endgegner eines jeden Studenten, Lehrers oder Büromitarbeiters. Mit einem fast schon herausfordernd ruhigem Display steht er vor einem und eigentlich wirkt er in seiner ganzen Erscheinung eher harmlos wie ein gutmütiger, etwas korpulenterer Weggefährte. Hat man aber die Dreistigkeit ihm einen Druckauftrag zu geben, verliert er vollkommen seine soziale Integrität. Entweder schreit er einen an, warum man nicht genug Papier eingelegt habe oder er verschluckt sich so an demselbigen, dass man eine Art Not-Operation vornehmen muss, um das vollkommen verkeilte, halbzerfledderte Blatt aus seinem Inneren zu bergen.

Doch damit nicht genug an negativen Charakterzügen eines Druckers: Dieses Geräte zeichnet sich nämlich zusätzlich durch seinen kompromisslosen Individualismus aus – ganz nach dem Motto: „Ich druck‘ mir die Welt, widdewidde, wie sie mir gefällt“. Man selbst steht in diesen Momenten hilflos daneben und fragt sich verzweifelt, was man mit so viel „Schmierpapier“ machen soll, denn irgendwo vorzeigen, kann man das Gedruckte nicht.

Doch das Risiko der Enttäuschung und Verzweiflung muss man bei der Benutzung eines Druckers einfach eingehen, denn er ist so ziemlich alternativlos: 50 Seiten Masterarbeit mit der Hand schreiben? – Wohl eher nicht! Flyer mit Filzstiften und Glitzer selbst gestalten? – Nur so semi-professionell. Fotos einfach nachmalen und als moderne Kunst verkaufen? – Möglich, aber ein Vabanque-Spiel ohne Erfolgsgarantie.

Und so zeigt sich am Ende meiner Ausführungen: Der Mensch ist nicht Herr oder Frau über die Technik, sondern die Technik dominiert den Menschen. Sie ist einfach klüger und vor allem gefühlskälter als wir. Sie zermürbt uns mit langwierigen Neustarts und Druckfehlern, bis wir von selbst aufgeben, weil wir nicht mehr können. In Update-Geschwindigkeit übernimmt sie heimlich die Weltherrschaft, sodass wir es schlimmstenfalls erst bemerken, wenn es schon zu spät ist. Deshalb erhebe ich hier und heute meine Stimme gegen Cybermobbing, gegen die Übermacht der Technik, gegen das Machtungleichgewicht zwischen analoger und digitaler Welt – und wie tue ich das? Natürlich mit meinem Laptop und einem Instagrampost!

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