Das Licht bahnt sich seinen Weg in den Raum; einzelne Sonnenstrahlen schaffen es durch die Jalousien – noch ein bisschen verlegen, aber auf ihre eigene Weise recht kühn. Viel zu lange ist es her, dass sie so frei und ungehindert den Weg zur Erde fanden. In den letzten Monaten versperrte ihnen doch oftmals eine dicke Decke von Regenwolken die Sicht, sie kamen nicht durch, sie verblieben in ihrem einsamen Reich über den Wolken. Doch jetzt sind sie zurück, sie kitzeln dich an der Nase, sie wecken dich auf, denn sie wollen dir mitteilen: Der Frühling ist da.
Du öffnest das Fenster, noch ein bisschen verschlafen, die Sonne erscheint dir so hell wie schon lange nicht mehr. Die Vögel zwitschern, sie flattern aufgeweckt von einem Ast zum anderen. Lang ist’s her, dass sie das letzte Mal so gesungen haben, ihre Stimmen waren verstummt. Viel zu lange hat nur das Krächzen der Raben das monotone Geräusch des Regens durchdrungen. Doch heute ist alles anders, der Tag wird eingeläutet von einer Symphonie der verschiedensten Stimmen derer, die dort am leuchtend blauen Himmel kreisen und ihre Flügel im Takt dazu schlagen. Du weißt nicht, was sie sich zuzwitschern, die Spatzen, die Amseln, die Meisen, aber irgendwas sagt dir, es sind die vier Worte: Der Frühling ist da.
Du lässt deinen Blick schweifen, du lässt die Bewohner der Lüfte ihre Kreise ziehen und ihre Lieder in die Welt tragen, und er fällt auf den Baum vor deinem Fenster. Noch ist er kahl, sein Blattwerk ist dem Winter zum Opfer gefallen, doch voll neuem Tatendrang streckt er seine Äste gen Himmel, der Sonne entgegen, die die Kälte der Welt vergessen macht. An den Spitzen seiner Zweige kannst du die ersten Knospen erkennen, es dauert nicht mehr lang, dann sprießen die ersten Blätter und Blüten und das frische Grün schenkt Hoffnung und Zuversicht. Vergessen sind bald die dunklen Tage, denn du erkennst: Der Frühling ist da.
Deine Augen wandern über die Rinde des Baumes hinunter zu seinen Wurzeln, hier tummeln sich bereits die ersten Blumen, welche farbenfroh ihre Köpfchen der Sonne entgegenrecken. Wie aus tiefem, nährendem Schlaf erwacht, heben sie ihre Blätter und strecken sich, als wollten sie sicher gehen, dass ihre bunten Blüten nicht im Gras verschwinden. Auch sie haben die Sonne vermisst, auch sie haben in der Kälte gefroren, doch nun ist der Winter vorbei. Ihre Blätter schwingen im Takt des Vogelgezwitschers und malen vier Worte ins Gras: Der Frühling ist da.
Doch das Leben im Grün ist so vielfältig, dass dein Blick von den tanzenden Blumen abgelenkt wird und einer trägen und doch in ihren Bewegungen recht geschmeidigen Hummel folgt, die sich ebenfalls für das Blütenmeer begeistern kann. Sie fliegt mit einem überraschend lauten Brummen über das Gras, es scheint, als ob sie kein genaues Ziel habe, als ob sie einfach auf einem kleinen Ausflug diesen wunderschönen Morgen genießen wolle. Sie summt und brummt wie ein kleiner Bass, der die Melodie des Vogelgezwitschers untermalt und scheint, vollkommen gedankenverloren in ihrer eigenen Welt zu sein – in einer Welt, in der alles nur von einem Gedanken bestimmt ist: Der Frühling ist da.
Bei all der Flut an Eindrücken kannst du nun nicht mehr an dich halten, du musst raus und es mit allen Sinnen spüren: Die Wärme der Sonne auf deiner Haut, das frische Gras unter deinen Füßen, den Duft der Blumen und die Frische dieses wunderbaren Morgens einatmen. Du willst es wissen, du willst, dass jedes Molekül in deinem Körper diese Botschaft erhält: Der Frühling ist da!
Du gehst also raus, im Pyjama, das ist dir egal, die nackten Füße auf dem von der Sonne aufgewärmten Boden, den Blick in den Himmel gerichtet. Dich durchströmen Glücksgefühle, du fühlst sie vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen. Ein Kribbeln breitet sich aus, es erreicht deine Nasenspitzen und „Hatschi“ – Gesundheit! Nun weißt du es wirklich: Der Frühling ist da - und die Pollenallergie auch!
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