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#dernachhaltigkeitnach: Das Problem mit dem Veganismus 1.0

Wie ich bereits in einem meiner vorigen Blogartikel zum Thema „Nachhaltigkeit“ erwähnt habe, versuche ich mich in meinen eigenen vier Wänden möglichst vegan zu ernähren. Ein Unterfangen, hinter dem ich momentan auch noch zu 100 Prozent stehe und was mir in Bezug auf den Variationsreichtum dieser Ernährungsform auch keinerlei größere Probleme macht. Als Teilzeit- oder auch als Vollzeitveganer muss man nämlich heutzutage eigentlich auf nichts mehr verzichten, mittlerweile sind ja schließlich die Supermarkt-Kühlregale voll mit verschiedensten Produkten, die dir helfen sollen, ohne das Gefühl von Verzicht tierische Produkte aufzugeben. Grundsätzlich eine tolle Entwicklung, wenn man bedenkt, dass noch vor zehn Jahren – als ich übrigens das erste Mal in meinem Leben Vegetarierin war – nur Bio-Supermärkte eine kleine Auswahl an Fleischersatzprodukten geboten haben. Da gab es dann ein Veggie-Schnitzel, das wie panierte Pappe schmeckte, und eine s. g. Tofu-Mortadella, die noch niemals farblich ans Original rankam. Zu diesen Zeiten haben nämlich gefühlt noch Personen Fleischersatzprodukte hergestellt, die in ihrem Leben noch nie ein Stück Wurst auf der Zunge hatten, die Fleisch nur im verbalen Zusammenhang in Form von Formulierungen á la „eingefleischte Vegetarier“ kannten und wahrscheinlich versucht haben, Sprichwortvariationen wie „Hier geht es um die Karotte“ und „Alles hat ein Ende, nur die Gurke hat zwei“ zu etablieren. Dementsprechend schmeckte auch die Tofu-Mortadella so, wie sich diese Menschen den Geschmack von Fleisch wohl vorgestellt haben: Widerlich, denn genauso müssen Wurstwaren als tierische Produkte jener nicht existenten Erfahrung nach schmecken.

Heute ist das dankenswerter Weise ja anders; bei manchen Produkten schmecke ich zum fleischlichen Pendent keinen Unterschied mehr. Dass ich vegan esse, fällt mir aber trotzdem auf – jedoch nicht auf der Zunge, sondern im Portmonee. Denn ach du heilige Kuh, ist das teuer, so kostet der vegane Schinkenspicker einer berühmten vvemi-vegetarischen Marke 1,49€/80g. Das konventionelle Produkt des gleichen Unternehmens kostet nur 1,09€/80g. Das ist aber nur eins von vielen Beispielen, die jedoch immer wieder den einen von zwei großen Haken am Veganismus veranschaulichen: Vegane Alternativen sind verdammt teuer, unverhältnismäßig teuer, so teuer, dass es mir als Studentin wirklich fast physisch weh tut, obwohl vegane Produkte ja eigentlich „cruelity free“ sein sollten. Und das betrifft nicht nur meine veganen Fleischersatzprodukte, sondern auch andere Nahrungsmittel, die mit dem Vegan-Logo gekennzeichnet sind: Weine, Schokolade, Müslis etc. Ich glaube mittlerweile, dass alle Vegan-Blumen von Menschen ohne Hände mit dem Mund aufgemalt werden müssen, um den Preisaufschlag zu rechtfertigen, der hierfür gemacht wird. Da kostet die vegane Schokolade einen Euro mehr als das Vollmilch-Pendent, obwohl dort weder Milch noch Butterreinfett verwendet worden und damit die Zutatenliste eklatant kürzer ist. Logisch wäre doch eigentlich, dass mehr Zutaten auch mehr Kosten verursachen würden – mal ungeachtet des Argumentes, dass tierische Produkte schon allein aufgrund der Pflegeintensität gegenüber Pflanzen und Co. viel aufwendiger erscheinen. Aber nein, die Vegan-Blume, der Verzicht auf Milch, Fleisch, Eier und Co. in den Rezepturen und die Mühe, von Natur aus vegane Produkte mit dem V-Label zu kennzeichnen, sind scheinbar so kostenintensiv, dass man Menschen, die versuchen wollen, die Welt ein bisschen besser zu machen, förmlich mit einer Art „Vegan-Steuer“ belegt, weil sie kein Hähnchen aus Bodenhaltung und Milch aus der Massentierhaltung kaufen möchten.

Natürlich werden jetzt einige einwerfen: „Ja dann iss doch einfach nicht diese blöden Fleischersatzprodukte, mach‘ dir deine Hafermilch selbst und trink‘ eben keinen Wein!“. Und ich werde die Hände heben, ihnen Recht geben in ihren Ansichten und Alternativvorschlägen, aber ganz klipp und klar sagen: „Ich bin noch nicht bereit, auf manche Geschmackserlebnisse zu verzichten!“. Ich weiß auch nicht, ob ich irgendwann vollkommen dazu bereit sein werde, meinen veganen Schinkenspocker aufzugeben und nur noch Bier zu trinken, weil der Wein mit dem mundgemalten V-Label einfach mal 2/3 mehr kostet als der ohne, bei dem man ja auch nicht 100prozentig sagen kann, ob er nicht vielleicht sogar aus reinem Zufall vegan ist.

Was ich also abschließend noch mal deutlich machen möchte, ist Folgendes: Ich finde es einerseits toll, dass es immer mehr geschmacklich ernstzunehmende Alternativen zu tierischen Produkten gibt. Aber ich finde es andererseits eine Unverschämtheit, dass man quasi finanzielle Sanktionen in Kauf nehmen muss, nur weil man Erbsenproteine dem Schlachten eines Schweines vorzieht. Es ist einfach paradox, dass Soja teurer ist, als einem Kalb die Muttermilch zu stehlen oder es scheinbar billiger ist, ein Hühnchen großzuziehen, als Weizen anzubauen. Jene Tatsache lässt mich nachdenklich werden, lässt mich meckern, lässt mich unzufrieden vor meinem Laptop sitzen und vor den Supermarktregalen stehen … und doch habe ich Hoffnung, Hoffnung darauf, dass die Auswahl an Alternativen zu tierischen Produkten weiter wächst und der Preis dafür sinkt. Hoffnung darauf, dass die richtigen Menschen in den richtigen Positionen einfach erkennen, dass Soja-Geschnetzeltes und Hafermilch die Welt ein bisschen besser machen können und deshalb subventioniert gehören. Außerdem hoffe ich auf die Erleuchtung, dass echtes Fleisch nicht billiger als ein Kürbis sein darf. Und ich hoffe auf eine leckere, knackige vegane Grillwurst-Kreation – aber das nur so nebenbei.

Was mein zweites Problem mit den veganen Alternativen ist, erfahrt ihr demnächst im zweiten Teil von „#dernachhaltigkeitnach: Das Problem mit dem Veganismus 2.0".

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