top of page
AutorenbildJacqueline

Die bedeutendste Frau Palermos

Reist man nach Palermo, begleitet einen das Bildnis einer schönen Frau auf Schritt und Tritt. Sie trägt einen Kranz aus Rosen auf ihrem Haupt, hält eine Lilie in der feingliedrigen Hand und ein Totenschädel ziert ihre Gemälde und Statuen. Diese mysteriöse Schönheit ist niemand anderes als Rosalia, deren Geschichte mit der der Stadt untrennbar verbunden ist.



Zu der Zeit, als die Normannenkönige über Sizilien herrschten, wurde dem Grafenehepaar von Quisquina und Monte delle Rose eine Tochter geschenkt, welche sie Rosalia tauften. Sie wuchs heran zu einem schönen Mädchen und ihre Mutter, Maria Guiscardi, schickte sie – wie es sich gehörte – zur Ausbildung an den Hof ihres Großvaters Roger I., wo nun bereits dessen Sohn herrschte. Dort nahm Beatrix von Rethel, die Königinselbst, die junge Rosalia als Hofdame unter ihre Fittiche und ehrte damit die verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Grafenfamilie.


Die Aufmerksamkeit, die Rosalia durch ihre Stellung am Hofe auf sich zog, und ihr Liebreiz ließen schon bald viele junge Männer an den Hof reisen mit der Absicht, um ihre Hand anzuhalten. Doch keiner schien dem König Roger II. passend für die, in seine Obhut gegebene Jungfrau. Eines Tages jedoch auf einem Spaziergang wurde Roger von einem Tiger angegriffen und ein kühner Held namens Baldwin rettete ihm das Leben. Überzeugt von dem Mut und der Tapferkeit des Mannes versprach Roger diesem zum Dank, Rosalia ehelichen zu dürfen.


Rosalia ihrerseits war zunächst sehr angetan von der Verbindung und freute sich auf den Tag ihrer Hochzeit. Als dieser jedoch gekommen war und sich die junge Braut im Spiegel betrachtete, erschien ihr das Antlitz Jesu. Die Erinnerung an ihre christliche Erziehung und an den Glauben, welcher sie durch ihre unbeschwerte Kindheit begleitet hatte, ließ sie erschaudern und Inne halten. Von der tiefen Liebe zu Gott erfüllt erkannte sie, dass sie niemals einen anderen Mann mehr lieben könne und floh noch im Brautkleid aus dem Palast. Sie kehrte niemals zurück, noch niemals in ihr Elternhaus.


Zuflucht fand Rosalia sodann im Basilianerinnenkloster Santissimo Salvatore und wollte sich als Nonne vollkommen dem Dienst an Gott verschreiben. Doch ihre Eltern, der König und auch ihr Bräutigam flehten sie an, zurückzukehren. Sie weinten und zeterten, sie fluchten und schlugen bis tief in die Nacht an die Klostertüren. Rosalia hielt die Bedrängnis bald schon nicht mehr aus, vollkommen auf sich allein gestellt, stahl sie sich eines Nachts fort und versteckte sich in einer Höhle in einem Berg, welcher heute ihr zu Ehren den Namen „Monte delle Rose“ trägt.

Nach einiger Zeit begab sich Rosalia, welche nun Anfang zwanzig war, auf Wanderschaft – ohne Ziel, aber mit unbändigem Vertrauen in die göttliche Führung, welche sie ins Heil leiten möge. Als sie ungefähr 32 Jahre alt war, ließ sich Rosalia, die mittlerweile von einer Grafentochter und Hofdame zu einer bescheidenen Eremitin geworden war, in einer Grotte aus dem Monte Pellegrino nieder, wo sie sechs Jahre später verstarb.


Vom Tode sanft zugedeckt legte sich auch das Vergessen über das Wissen um Rosalia bis Anfang des 17. Jahrhunderts der schwer kranken Gironima la Gutta di Ciminna Maria in einer Vision erschien. Die Heilige, welche ihr Kind auf dem Arm trug, schenkte der Kranken Trost und erzählte ihr eben jene Geschichte, die ich nun auch euch hier niederschreibe. Bevor die Vision erlosch, prophezeite Maria noch, dass man die Gebeine Rosalias schon bald auffinden würde.


Nicht einmal ein ganzes Jahr später, als die Pest gar unbarmherzig in Palermo wütete, begab sich der fromme Seifenhändler Vincenzo Bonelli auf die Suche nach seiner jungen Frau, welcher die Trauer um all ihre toten Angehörigen den Lebenswillen genommen hatte. Als er zum Berg Pellegrino kam, wo seine Frau kurz davor war, sich in den Tod zu stürzen, erschien ihm eine Gestalt, die niemand anders als Rosalia war. Ebenfalls kam sie auch zu Bonellis Frau, führte sie vom Abgrund weg und wieder in die Arme ihres Mannes. Gemeinsam folgten die beiden Rosalia dann zu der Grotte, in der sie einst verstorben war. Der Anblick, der sich ihnen dort bot, nahm ihnen den Atem. Vor ihnen lag eine wunderschöne Frau, die Augen friedlich geschlossen, als würde sie schlafen. Rosalias Leichnam hatte die Zeit überdauert und noch immer krönte ihr Antlitz ein Kranz aus blühenden Rosen.


Nachdem das Ehepaar aus den Bergen zurückgekehrt war, unterrichteten sie sofort den Bischof von Palermo über ihren wunderlichen Fund. Der Bischof ließ zunächst Skepsis walten. Er könne es nicht glauben, bevor er die Gebeine mit eigenen Augen gesehen hätte und so ordnete er an, Rosalias Leichnam in die Kathedrale von Palermo zu überführen. Als dies geschehen war, endete die Pestepidemie abrupt und forderte kein einziges Opfer mehr. Rosalias Anwesenheit hatte das krankhafte Übel aus der Stadt vertrieben und die Menschen begannen, ihr zu huldigen. Von Rosalias Heiligkeit nun überzeugt, legte auch der Erzbischof seine Zweifel ab und sorgte dafür, dass niemand anderes als Rosalia die Patronin der Stadt wurde.


(Anmerkung: Die Geschichte ist frei erzählt nach unterschiedlichen, hagiografischen Überlieferungen. Sie ist nicht belegbar, sondern bloß ein Märchen, aber ein schönes Märchen – wie ich finde. Und auch die Tatsache, dass die Gebeine in ihrem Reliquiar wahrscheinlich von einer Ziege stammen und auf keinen Fall meschlichen Ursprungs sind, tut dieser Geschichte keinen Abbruch.)

880 Ansichten0 Kommentare

Commentaires


bottom of page