Die Sonne – sie fasziniert den Menschen schon seit Anbeginn der Zeit. Sie thront am Himmelszelt, wacht über uns und hat uns in den letzten Tagen elendig schmelzen lassen. Sie ist nicht nur Licht, sondern auch Wärme und sorgt sogar dafür, dass der Nachthimmel uns mit seiner Schwärze nicht erdrückt.
So wundert es wohl kaum, dass jener Gasriese mit einem Durchmesser von 1,392 Millionen Kilometern (Kurzer Aufruf an Galileo: Wie viele aneinandergereihte Fußballfelder wären das?) bereits in den frühsten Kulturen als Gottheit verehrt worden ist. Die Ägypter, Babylonier, Perser und auch Maya erhoben das Zentralgestirn unseres Sonnensystems zu ihrem Götteroberhaupt. Man denke nur an Ra oder auch Re, der als Urvater und König die Menschen erschuf und tagsüber mit seiner Sonnenbarke über den Himmel zog, um nachts wiederum den gleichen Weg – nur in die andere Richtung- durch das Totenreich zurückzufahren.
Manch einer von euch wird sich nun an eine andere, viel jüngere aber trotzdem noch sehr alte Gottheit erinnert fühlen – nämlich an den griechischen Helios, der mit seinem Vierspänner jeden Tag aufs Neue von seinem östlichen Palast in das westliche Pendant reiste. Der nicht zu verachtende Unterschied zum guten Ra oder Re ist aber Helios‘ Rückreise nach Osten: Während der ägyptische Gott sich eher mit tot(langweilig)er Gesellschaft auf dem Weg zurück rumschlagen musste, trieb Helios komfortabel auf einer goldenen Schale, schlief ein bisschen und machte noch einen erquickenden Zwischenstopp bei seiner Gemahlin.
Doch Helios ist nicht der einzige griechische Sonnengott; er teilt sich sein Amt mit Apollon. Letzterer ist der Zwillingsbruder von Artemis und gilt als Schutzpatron der Künste. Außerdem besitzt er zusätzlich ein großes Heilwissen und ist gleichermaßen auf dem Gebiet der Weissagung tätig. Wer nun aufhorcht und sich denkt „Warte, an irgendjemanden erinnert mich das doch?!“, dem kann ich nur zu einer hervorragenden Gedächtnisleistung gratulieren sowie voll und ganz zustimmen. Ein verwandtes „Fähigkeitsprofil“ findet man auch beim keltischen und göttlichen Helden Lugh, welcher vielleicht sogar ähnliche Probleme auf der Partnersuche wie Apollon gehabt haben könnte. Während man Lugh nämlich nicht ins Gesicht sehen konnte, waren auch die Menschen von dem strahlenden Apollon geblendet und im Gegensatz zu den restlichen griechischen Göttern führte er ein recht einsames und frustriertes Leben.
Hinter diesem – für Apollon, der Männlein wie Weiblein sehr zugetan war – sehr traurigen Tatbestand steckt aber wenigstens eine tiefere Bedeutung. Denn ebenso wie sein übermäßiges Strahlen ist auch die volle Intensität der Sonne für die Sterblichen kaum zu ertragen. Das diese Analogie der Wahrheit entspricht, haben wir, glaube ich, alle in den letzten Wochen zur Genüge erfahren.
Aber nun wieder von der Realität zurück auf eine transzendentalere Ebene: Wie euch sicher aufgefallen ist, sind alle Sonnengötter männlich. Dass wir im Deutschen die Sonne feminin deklinieren, ist eine sprachliche Seltenheit und widerspricht der eigentlich maskulinen Konnotation des Sternes, welcher mit seiner Masse 99,9 Prozent unseres ganzen Sonnensystems ausmacht.
Dementsprechend ist auch in der Astrologie mit der Sonne das männliche Prinzip des aktiven Erschaffens verbunden. Sonnenenergie steht für einen starken Willen, (Schöpfer-) Geist und Bewusstsein. Sie bildet die Basis für die Identität des Menschen und die Entwicklung seiner Selbst. Deshalb steht in der Trivialastrologie, die wir in Form von Horoskopen in Frauenzeitschriften und Co. finden, auch primär das Sonnenzeichen im Fokus, das sich aus dem Datum unserer Geburt ergibt. Im Gegensatz zum Mondzeichen und zum s. g. Aszendenten gibt uns unser Sonnenzeichen Auskunft über unser grundlegendes Wesen, unseren Geist, unsere Stärken und Schwächen – kurz gesagt: Über unsere generelle Persönlichkeit.
Wenn man nun wieder den Bogen in die griechische Mythologie schlagen möchte, könnte man noch einmal auf die Figur des Apollon verweisen. Dieser richtete nämlich Delphi, das berühmte Orakel, ein, dessen Leitspruch „Erkenne dich selbst, damit du Gott erkennst“ lautete. Ein Vorhaben, das wiederum ohne Licht (ob das der Sonne oder in Form von innerer Erleuchtung) nicht möglich und somit eng verwoben mit den Eigenschaften des riesigen Gasriesens an unserem irdischen Firmament ist.
Eine ähnliche Bedeutung wird der Sonne auch im Tarot zugesprochen. Jene Karte steht einerseits für Lebendigkeit, Wärme und Frohsinn, andererseits aber auch für Wahrheit. Deckt man die Sonne im Arkana auf, ist dies eine Ermutigung, seine Erkenntnisse zu nutzen, um die bevorstehenden, positiven Veränderungen voranzutreiben und das damit verbundene Glück in seinem Leben willkommen zu heißen. Die Tarotkarte der Sonne steht somit auch für Optimismus und eine kindlich-unbedarft anmutende Weltsicht, die das Leben bereichert und unser Glücklichsein fördern soll.
Damit ist die Sonne in ihrer Symbolik eine zutiefst positive Energie, die uns dazu anhält, unsere Pläne und Ziele für die Zukunft in Angriff zu nehmen und gleichzeitig unser Jetzt zu genießen. Sie beinhaltet eine Schöpferkraft und ein Bewusstsein für unsere wahre Stärke, die wir bei den Temperaturen momentan vielleicht nicht ganz so stark spüren, die uns aber an anderen Tagen antreiben kann, Großes zu schaffen. Nicht umsonst wird sie seit Jahrtausenden verehrt, sorgt sie doch dafür, dass alles wächst und gedeiht und wir nicht in der Eiseskälte des Alls erfrieren. So ist sie im übertragenen Sinne unser aller Glücksstern, der uns jeden Tag unseres Lebens begleitet und uns Wärme und Hoffnung schenkt.
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