Es ist vollbracht! Die Fastenzeit ist um und mein Selbstexperiment hat letzte Woche Sonntag geendet. Ungefähr eineinhalb Monate habe ich jetzt auf Alkohol verzichtet und dabei einige neue Erkenntnisse und Erfahrungen gemacht, die ich nun in meinen Top 3 mit euch teilen möchte.
Re-Heureka: Saft
Ich hätte nie gedacht, dass dies ein Revival bei mir feiern würde – aber tatsächlich, ich habe sie wiederentdeckt, die zuckerhaltigen Saftgetränke. Lange Zeit habe ich auf sie zugunsten von Tee und Wasser in meinem Alltag verzichten können. Fast mag ich sie als „vergessene Genüsse“ bezeichnen, da ich sie eigentlich fernab meiner Kindheitstage nicht mehr angerührt habe, obwohl ich sie damals fast intravenös zu mir genommen habe. Mein sechsjähriges Ich hat Saft geliebt, zeitweise musste man mich sogar gewaltlos gewaltsam von diesen Fruchtgetränken fernhalten, damit mein Babyspeck nicht zu Riesenbabyspeck anwuchs.
In den letzten Wochen und Monaten erinnerte ich mich scheinbar an diese Zeiten, denn ich fing wieder an, Saft zu konsumieren. Nicht in rauen Mengen wie als Kind, aber so ein (Wein-)Gläschen unfermentierter Traubensaft pro Tag gehörte dann doch irgendwie dazu. Übertrieben habe ich das mit dem Safttrinken nur ein Mal und das war, als meine beste Freundin und ich unseren Saftkonsum als „alkoholfreie Cocktails machen“ getarnt haben, bevor wir zu einer kleinen Feierei in der – damals noch geöffneten – Karaokebar aufbrachen. Wie ihr an meiner Formulierung schon gemerkt haben werdet, waren jene antialkoholischen Mischgetränke, die wir uns gegenseitig ins Glas füllten, nichts anderes als ein saftiger Diabetikeralptraum oder anders gesagt eine wilde „Saftmischerei“.
Doch das war nur der erste Fehler diese Abends, denn in Kombination mit der anschließend konsumierten Cola light (man muss den ganzen Zucker ja wieder ausgleichen) endete alles für mich in einem koffeinhaltigen Glucoserausch. Als ich gegen zwei, halb drei nach Hause kam, war ich wach, wacher als wach. Ich war wie ein Kind, das einfach nicht schlafen gehen wollte, ich hätte noch stundenlang auf dem Bett rumhüpfen, laut kichern und meine Gott sei Dank weit entfernten Eltern den letzten Nerv rauben können. Was mir in diesem Moment des zuckerhaltigen, koffeingebombten Nebels noch nicht ganz klar war: Ich hatte mir mit alkoholfreien Cocktails und Cola einen Energydrink gebastelt, der mich in eine ganz eigene Dimension geschossen hatte. Am nächsten Morgen wachte ich – zwar ohne Kater – aber mit dieser Erkenntnis auf und entschied, für die folgenden Wochen auf diese Kombination zu verzichten.
Corona hat es schwerer bzw. leichter gemacht
Das gute Covid-19 und all das, was rundum diese Pandemie an Beschlüssen und Beschränkungen hervorgebracht worden ist, hat mein Selbstexperiment natürlich beeinflusst. Es hat u. a. dafür gesorgt, dass ich um die befürchtete Situation „Komm, trink doch einen mit!“ herumgekommen bin. Ich musste niemandem erklären, dass ich Alkohol faste und dass ein kleiner Schnaps oder ein Gläschen Wein leider nicht davon ausgenommen sind. Diesbezüglich hat es mir die Corona-Krise etwas leichter gemacht und mich – was sozialen Gruppenzwang betrifft – nicht so hart auf die Probe gestellt.
Jedoch darf man für das Fasten auf Alkohol die momentane Lage auch nicht unterschätzen: Zwar sitzt man die meiste Zeit alleine in seiner Wohnung ohne einen Saufkumpanen herum, aber man hängt gleichzeitig auch den gefühlt ganzen Tag auf Instagram fest. Und das ist fatal, denn wer kein Bananenbrot bäckt, an seiner Sommerfigur mit kranken Fitnessvideos arbeitet oder die Wohnung putzt, der zeigt sich munter und fröhlich mit etwaigen alkoholischen Getränken in der Hand. An vielerlei Stelle lief mir das Wasser im Munde zusammen, welches zuvor noch in meinem traurigen zwecksmissbrauchten Weinglas war. (Ja, für das Gefühl habe ich Wasser aus Weingläsern getrunken und insgeheim ein bisschen auf das Wunder von Kanaan gehofft.)
Gefühlt hat die ganze Welt um mich herum (bis auf die Bananenbrotbäcker und Fitnessfreaks) seine Covid-Sorgen also in Alkohol ertränkt, während ich die einzigartige Erfahrung machen musste, dass Sorgen und Langeweile in Tee und auch in Saft sehr gut schwimmen können und nicht untergehen. Selbst Kamille, Lavendel, Baldrian oder was noch als beruhigend und entspannend verschrien wird, half mir nicht, denn nichts erschlägt diese fiesen Weggefährten so gut wie ein Gläschen gegärter Traubensaft, der richtig reinhaut, die Sorgen nicht versucht, wegzuaromatisieren, sondern sie mit einer Holzplanke mitten ins Gesicht trifft.
(Disclaimer an dieser Stelle: Achtung Überspitzung! Ich weiß auch, dass Alkohol Flecken löst, aber keine Probleme! Für den humoristischen Faktor habe ich hier aber jene hyperbolische Wortwahl getroffen, die meine leicht zynisch bis passiv-aggressive Stimmung der vergangenen Wochen widerspiegeln sollte, welche dadurch hervorgerufen wurde, dass die Sorge an meiner Seele, statt Alkohol an meiner Leber nagte.)
Mein Weinchen bleibt
Auch wenn ich jetzt gemerkt habe, dass es mir generell möglich ist, auf Alkohol in verschiedenster Form zu verzichten – nicht, dass ich vorher nicht dran geglaubt hätte, aber nun ist es wissenschaftlich bewiesen – habe ich doch für mich festgestellt, dass insbesondere der Flasche Wein ein steter Platz in meinem Herzen gehört und in meinem Küchenschrank auch weiterhin eingeräumt wird. Diese wurde dann auch an Ostern, als Jesus sich wider meine Erwartung aus seiner Self-Isolation erhoben und mit Mundschutz sowie Mindestabstand sein Grab verlassen hat, gnadenlos geköpft. Und was soll ich sagen, es blieb nicht nur bei diesem einen Gefäß an dunkelrotem, alkoholischem Getränk, sondern eine weitere Flasche folgte ihr auf den Flaschenboden und ich feierte endlich die Hochzeit von Kanaan. Am nächsten Morgen bin ich dann – oh welch Nicht-Wunder – auch mit einem neuen, vorübergehenden Haustier aufgewacht, das mir kopfschmerzerregend imaginär ins Ohr maunzte und mit seinen 10kg Übergewicht sich auf meinem Magen zusammenrollte. Aber nun gut, solche Abende darf und muss es auch geben – so weiß ich die katerfreie Fastenzeit auf jeden Fall mehr zu schätzen, als noch vor ein paar Wochen.
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