Fanfiction aus Westeros: Die schwarze Frau
- Jacqueline
- 1. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Asshai ist ihre Heimat. Hier war sie einst geboren oder erschaffen, darüber streiten sich ihre Mitmenschen – jedoch niemals laut, vielmehr flüstern sie, wenn sie eine der vielen Tavernen betritt. Keiner traut sich, ihr in die Augen zu sehen, manch einer zweifelt sogar daran, dass sie welche besitzt. Und auch wenn eigentlich kein Zweifel daran besteht, dass sie ein unvergleichlich schönes Antlitz trägt, so kann keiner es beschreiben. Deshalb nennt man sie auch „die Frau ohne Gesicht“. Doch meist munkelt man über sie als die „schwarze Frau“, welche durch die Straßen der Stadt im Südosten von Essos wandelt, in Tavernen abends ein seltsam dampfendes Getränk ordert und tagtäglich einfach nur stumm am Hafen steht.

Sie ist damit häufig das Erste, was Kapitäne sehen, wenn ihre Handelsschiffe nach Asshai einlaufen: Eine Frau, in einen schwarzen Mantel gehüllt, mit einem Gesicht, an welches sie sich niemals werden erinnern können. Diejenigen, die genauer hinschauen – aus Faszination oder Unbehagen – erkennen, wie der Saum ihres Rockes in winzigen Rauchschwaden aufgeht, als würde er bei Kontakt mit dem Boden verbrennen.
Die schwarze Frau hingegen beobachtet tagein tagaus die Schiffe und ihre Besatzung, welche über das Jademeer in die Stadt von Bannsängern, Wetterpropheten, Hexenmeistern, Blutmagiern und Schattenfängern kommen, um wertvolle Waren anzukaufen. Welche das erste Mal nach Asshai kommen, steht die Angst noch ins Gesicht geschrieben. Sie sind bleich, trauen sich manchmal fast nicht, das Schiff zu verlassen, doch irgendwann gewinnt die Gier über den Überlebensinstinkt. Sie gehen von Bord und kehren erst zurück, wenn ihre Schiffsrümpfe voll mit Drachenglas und magischen Artefakten sind.
Und doch sind sie am Ende froh, wenn wieder Wind ihre Segel aufbläst und sie von der Küste der Schattenlande fortträgt. Dann blicken sie meist mit einer gewissen Erleichterung zurück auf die Stadt, welche nachts in einem phosphoreszierenden, grünen Licht leuchtet, während sie von glimmenden Geistergras umgeben ist. Fast unwirklich wirke Asshai des nachts, berichten die zurückgekehrten Händlerinnen und Händler, vor allem, weil es tagsüber scheine, dass die schwarze Farbe der Häuserfassaden jegliches Licht absorbiere.
Nur wenige sprechen hingegen über die schwarze Frau. Manch einer von ihnen tut es aus Respekt nicht, glaubt er doch das Ammenmärchen, dass es sich bei ihr um den Schutzgeist der Stadt handele. Anderen fehlen die Worte, um sie zu beschreiben, zu überwältigend ist ihr Anblick, zu diffus ihre Erscheinung und zu verzerrt die Erinnerung an sie. Und wiederum andere können nicht über sie erzählen, lebt das Grauen, was sie bei ihrem Anblick erfuhren, lähmend und für immer in ihren Gedächtnissen fort. Was oder wer sie ist, können auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt nicht genau sagen, aber grundsätzlich gilt in Asshai, dass nicht viel gefragt wird.
Außer Frage steht jedoch, dass es sich bei ihr um eine mächtige Frau handelt. Eine der vielen mächtigen Frauen, deren Leben in Asshai begann. In Westeros kennt man nur einige wenige Namen, aber wenn, so erzittern viele, wenn diese ausgesprochen werden. Unter ihnen sind Quaithe, Melisandre und Mirri Maz Dur, welche Teile von Westeros ins Chaos zu stürzen drohten bzw. kompromisslos ihre Pläne verfolgten.
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