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AutorenbildJacqueline

Gute Vorsätze fürs nächste Semester und Kant

Und wieder mal ist es soweit, ein neues Semester startet und es werden gute Vorsätze geschmiedet, als wäre Neujahr. Aber irgendwie fühlt es sich ja auch so an, neues Semester- neue Chance. Nachdem die letzte Klausurphase wieder mit langen Nächten, einem erhöhten Kaffeekonsum und einem Stresslevel, das weit über die 1-bis-100-Skala hinausgeschossen ist, geendet hat, willst du es jetzt alles besser machen.

Doch schon zu Beginn dieser Gute-Vorsätze-Phase stehst du vor der ersten Aufgabe, die zwar harmlos aussieht, aber es faustdick hinter den Kursnamen hat: das Wählen der Uni-Veranstaltungen! Nun beginnt also das Jonglieren mit Seminaren, Vorlesungen, Übungen und deiner Freizeit, die optimalerweise um spätestens 18Uhr anfängt und erst um 10Uhr morgens endet. Doch ist es nicht nur wichtig, dass die Veranstaltungen in den eigenen Terminplan passen, sondern auch, dass die dozentische Leitung möglichst viel Wohlwollen und Positivismus in der Notenvergabe ausstrahlt. Da rückt das thematische Zentrum eines Seminars schon mal schnell in den Hintergrund und erst im Semester stellst du dann fest, dass das Seminar über Kafkas Selbstbild in diversen seiner literarischen Ergüsse leider einzig und allein die Frage in dir weckt, ob dieses Ungeziefer da an der Wand vielleicht Gregor Samsa ist.

Hast du diese Jonglage dann hinter dich gebracht und möglichst terminkalender- und notenübersichtsfreundliche Seminare, Vorlesungen und Übungen ausgewählt, hast du deiner neugewonnenen Motivation meist noch nicht Genüge getan. Jetzt muss auch noch ein Sprachkurs her, am besten etwas mit Zukunft. Wie wäre es mit Japanisch oder Mandarin? Oder vielleicht doch noch einmal das Englisch auffrischen und endlich die blöden If-Sätze auf die Kette kriegen? Die Auswahl ist auch hier mal wieder groß, aber die Termine wieder eher suboptimal. Der eine Kurs ist doch glatt um 08:30Uhr, ein weiterer zur besten Netflixzeit. Ein anderer kollidiert mit einem Seminar, das aufgrund des immer kranken, aber dafür umso nachsichtigen Dozenten einfach perfekt in deinen Stundenplan passt und eigentlich hast du auf Japanisch auch gar keine Lust. Am Ende bleibt dir nur ein Rätoromanisch-Kurs für Fortgeschrittene mit italienischem Sprachhintergrund und blonden Haaren und du entscheidest dich, den Sprachkurs auf nächstes Semester zu verschieben.

Eigentlich hast du jetzt schon keine Motivation mehr, aber, nachdem es mit dem Sprachkurs nicht geklappt hat, wie wäre es mit Unisport? Oh ein Morning-Yoga Kurs, als du auf dieses Angebot klickst, siehst du dich bereits bei Sonnenaufgang auf einem Hügel stehen, den linken Fuß auf das rechte Knie gestützt, die Hände wie zum Gebet vor der Brust verschränkt, ganz im Einklang von Seele und Körper. Und dann siehst du die Uhrzeit -7:00 Uhr- und die physische und psychische Einvernehmlichkeit ist dahin. Dein Körper schreit: „Da schlaf ich noch!“ und dein Verstand erklärt dir, dass er sich nicht morgens um 6:30Uhr mit deinen Gliedmaßen um die Ausführung von Bewegungsbefehlen streiten möchte. Also vielleicht doch kein Uni-Sport diesmal!

An dieser Stelle fragst du dich nun, ob Bemühen und ein guter Wille nicht ausreichen und du erinnerst dich plötzlich an den Philosophieunterricht zurück; hatte nicht mal Kant gesagt, dass ein guter Wille und damit gute Vorsätze das höchste Gut seien (mehr dazu in Kants ‚Grundlegungen zur Metaphysik der Sitten‘)? Damit wäre deine Arbeit doch getan, denn dein Wille zur Verbesserung war da, aber leider auch die Widrigkeiten des Lebens und so bleibt eben nur dein guter Wille, der aber auch dein höchstes Gut ist!


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