Dieses Ding mit dem Älter- bzw. Erwachsenwerden – Was hat es damit eigentlich auf sich? Einerseits wird einem als Kind immer gesagt: „Das darfst du, wenn du älter bist“ oder „Da reden wir noch einmal drüber, wenn du älter bist!“ und „Ach, das verstehst du, wenn du auch erwachsen bist!“. Andererseits, wenn du dann älter bist, hält dir die Modeindustrie vor, dass Ältersein echt uncool ist. Alle müssen jung, die Haut muss glatt und die Brüste müssen klein und fest sein- Erwachsenwerden geht klar, aber altern geht dann doch zu weit. Aber ist dieses Älterwerden wirklich etwas, das immer nur mit Falten und grauen Haaren einhergeht? Wird man nur erwachsen, um sich seine Anti-Aging- Creme selbst kaufen zu können?
Heute an meinem 24. Geburtstag habe ich mich mal damit auseinandergesetzt, woran ich die letzten Jahre gemerkt habe, dass ich älter geworden bin und inwiefern dieser Prozess etwas mit Falten und hängenden Körperpartien zu tun hat. Dabei habe ich bemerkt, dass das Erwachsen- und damit auch das Älterwerden momentan noch ohne Q10-Serum funktioniert, dass es weniger erschlaffte Hautpartien sind, die mir jenen Prozess des Alterns offenbar gemacht haben. Es ist vielmehr eine Veränderung in Sachen Interessen und vor allem Bedürfnissen. Da ist z. B. der Wunsch nach einem größeren Gefrierfach, am liebsten einer Gefriertruhe. Und das nicht, um mehr Tiefkühlkost darin zu verstauen oder mich da über Nacht reinzulegen, um mich frisch und jung zu halten. Nein, einfach um mal Brot einfrieren oder für mehrere Tage vorkochen zu können und dann eben nicht drei Tage hintereinander das Gleiche essen zu müssen, sondern da eben flexibler zu sein. Meine Oma wäre an dieser Stelle stolz auf mich, wenn sie das hier lesen würde und ich glaube, wenn die Oma stolz auf einen ist (und man aus dem Alter raus ist, in dem das schon ein selbstgemaltes Kunstwerk jeglicher Hässlichkeitsstufe oder ein Bäuerchen zum richtigen Zeitpunkt schaffen würden), ist das ein Zeichen für eine gewisse Häuslichkeit, die man an den Tag legt und die für mich schon sehr eng verbunden mit dem Ältersein ist.
Eine weitere, ähnliche Entwicklung habe ich auch in letzter Zeit in Bezug auf meine Wäsche gemacht – nein, ich trage ab heute keine Oma-Schlüpper – gemeint ist hier die Schmutzwäsche (ja, ich weiß, die soll man nicht im Internet und dementsprechend eigentlich auch nicht auf seinem Blog waschen, aber das muss jetzt sein!). Ich habe doch tatsächlich und wahrhaftig angefangen, meine Wäsche zu trennen. Ich schaue jetzt auch in die Waschanleitung der Klamotten und weiß, wo das Fach für Weichspüler ist. Nur Bügeln, das tu ich noch nicht. Für diesen Schritt fühle ich mich noch nicht bereit. Ich weiß auch nicht, ob ich mich jemals bereit dafür fühlen werde – denn, wenn ich glattgebügelte Blusen trage, dann fallen die Falten in meinem Gesicht doch nur noch mehr auf. Oder nicht?
Ein weiterer Umstand, der mir erst letztens wieder gezeigt hat, dass bei mir langsam dieses Erwachsenwerden eintritt, ist Folgender: Als ich vor zwei Wochen in Leipzig mit meiner Freundin einen Freund besuchen und auf der Leipziger Buchmesse war, da sagte ich doch plötzlich: „Ach ich freue mich auch wieder auf zuhause, weil ich da meine elektrische Zahnbürste habe.“ Elektrische Zahnbürsten, Zahnbürsten an sich – ein Gegenstand auf den wohl viele Kinder und Jugendliche gut verzichten können, aber ich plötzlich nicht mehr. Meine elektrische Zahnbürste ist mir plötzlich zu einem fast unentbehrlichen Gegenstand geworden. Ist das also dieses Älter- bzw. Erwachsenwerden von dem alle sprechen, wenn sie dir als Heranwachsenden sagen: „Das wirst du verstehen, wenn du älter bist!“? In diesem Zusammenhang finde ich jetzt eben auch nachvollziehbar, wenn jemand neben seinem Handy und seinem Netflix-Abo mittlerweile auch die elektrische Zahnbürste als fast überlebenswichtig kategorisiert. Und natürlich geht auch ein weiteres Symptom des Erwachsen- bzw. Älterwerdens nicht an mir vorbei; immer wieder in Memes gefeiert, als typisches Anzeichen für eben jene Entwicklung verklärt, bin auch ich mittlerweile ein Stubenhocker geworden. Samstagabends Party? – Nicht mit mir, jedenfalls nicht diesen Samstag und wohl auch nicht nächsten Samstag, vielleicht in einem Monat oder so, oder wenn ich wiedergeboren wurde und dann wieder süße 16 bin. Ja, dann frag mich doch noch mal! Jedenfalls reagiere ich meistens so. Aber das gilt nicht ausschließlich nur für durchgetanzte Nächte in überfüllten Clubs, die auch nicht mehr die Musik spielen, die ich kenne (Oh mein Gott, ich glaube, ich muss demnächst beim Autofahren echt WDR 4 anmachen!). Nein, das betrifft auch Sportkurse, Einladungen, sonstige Engagements in irgendwelchen Gruppierungen oder Uni-Veranstaltungen. Besonders unter Letzterem muss ich auch dieses Semester wieder leiden. Ich weiß nicht, wie ich es überstehen soll bis 20 Uhr in der Uni zu sitzen und dann erst um halb neun zuhause zu sein. Wann soll ich denn dann Abendessen? Doch nicht etwa, wenn ich nach Hause komme? – Nein, das ist doch eher was für diese jungen Leute, die dann auch bis nach 22Uhr laut Musik hören und um 22:15Uhr auch noch Pizza bestellen.
Älter- bzw. Erwachsenwerden definiert sich bei mir also momentan noch nicht über Falten oder Spannkraftverluste. Für mich ist es einfach eine Entwicklung, die ich selbst teilweise mit Erstaunen, teilweise auch mit leichtem Erschrecken wahrnehme. Es ist ein Prozess, der sich durchaus natürlich anfühlt und der nicht mit Spontan-Falten einhergegangen ist in dem Moment, als ich nun 24 Jahre auf dem Buckel hatte. Es ist etwas, das Ärzte wohl mit dem Spruch „Das müssen wir mal beobachten!“ abtun würden und etwas, das ich mit einer gewissen Gelassenheit hinnehme, sollte mich niemand nach 18Uhr aus dem Haus werfen oder meine Buntwäsche auf mehr als 30Grad waschen wollen. Also liebe Kosmetik-Industrie, sofern ihr nicht eine Creme erfindet, in der ich mein Chili von gestern einfrieren kann, bin ich nicht der Meinung, dass ich momentan schon eurer Q10-Anti-Aging-Zeugs benötige - noch gefällt mir das Älterwerden nämlich ganz gut!
Kleine Empfehlung an dieser Stelle für alle, die sich etwas ernsthafter mit dem Thema "Älterwerden" beschäftigen wollen; Jacko Wusch (ja Namensvetterin) hat einen tollen Podcast "Sprachnachricht von Jacko", in dem sie sich in einer Folge auch genau dieser Sache widmet. Sehr empfhehlenswert:https://open.spotify.com/show/55U86wlB3Fgq8Fg3GDvXpE?si=fJ1nzaO8ScG_tlyaCkQ3sA.
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