In den Leben (fast) aller Menschen gibt es Personen, die diesen nicht guttun und trotzdem aus verschiedensten Gründen eine Art „Existenzberechtigung“ besitzen oder sich diese einfach selbst ausstellen. Diese Personen können toxische beste Freundinnen, cholerische Chefs oder auch Familienmitglieder sein – von Letzteren kann besonders ich ein Liedchen singen, nein, eigentlich kann ich gleich ein ganzes Album aufnehmen. Ach was, ich schreibe ein Musical und dann gleich die Fortsetzung hinterher. In den Hauptrollen u. a. zwei Personen aus meinem engsten Familienkreis; die eine liebte es, meine „dicken“ Oberschenkel zu kritisieren (kurzer Hinweis: Damals war ich noch fast 15kg leichter als jetzt) und nachdem ich von meinem ersten Freund verlassen wurde, bereits sich darum ängstigte, dass ich einsam sterben würde. Und natürlich nicht zu vergessen, der andere Protagonist, welcher nie verstanden hat und bis heute nicht akzeptieren kann, dass ich so bin, wie ich bin und nicht so, wie er sich mich vorgestellt hat.
So mannigfaltig wie die Personen und ihre Rollen im Leben des einzelnen sind, so facettenreich sind auch die Gründe, warum man diese Menschen nicht längst meidet. Diese Gründe können sozialer, emotionaler, finanzieller etc. Natur sein, aber grundsätzlich inkludieren sie immer eine direkte oder indirekte Abhängigkeit. Und deshalb können in solchen Verhältnissen Aussagen wie „Ja, dann geh‘ XY doch einfach aus dem Weg!“ oder „Dann rede doch einfach nicht mehr mit ihm/ ihr!“ Druck aufbauen, statt nehmen. Denn meistens hat man das alles schon versucht, bzw. ist bereits beim Versuch gescheitert – entweder an sich selbst oder auch an der anderen Seite, die dies einfach ignoriert hat.
Die meisten Menschen besitzen doch eine recht klare Sicht darauf, welche Personen in ihrem Leben ihnen guttun und welche nicht. Doch manchmal kann man sich einfach toxischen Persönlichkeiten nicht entziehen, da diese meist dazu neigen, übergriffig zu werden. Das ist nämlich das Hauptproblem mit Menschen dieser Art; mangelnder Respekt und fehlende Selbstreflexion. Sie merken in gewisser Hinsicht gar nicht, dass sie anderen zu nahetreten, Grenzen überschreiten und negativen Einfluss auf das Gegenüber haben. Vor sich selbst rechtfertigen sie dies oftmals mit ihren Rollen im Leben des anderen: „Ich bin ihre beste Freundin, ihr Vater, ihr Chef… deshalb darf ich das!“. Zudem nehmen sie ihre eigenen Fehler auch nicht als solche wahr; ihre destruktiven Aktionen machen sie zu einer Reaktion auf vorangegangenes „fehlerhaftes“ Verhalten des anderen. Das ist übrigens genau das, was man unter einer Täter*Innen-Opfer-Umkehr versteht.
„Aber du musst doch auch sehen, diese Menschen sind wahrscheinlich auch nur durch ihre Traumata, Ängste und Unsicherheiten so, wie sie sind. Hab‘ doch ein bisschen mehr Verständnis!“, ist ebenfalls ein Satz, welcher in Gesprächen über toxische Personen fallen kann und der wieder den Leidenden eine Art „Bringschuld“ auferlegt, welche sie in keiner Weise zu leisten haben. Man muss kein Verständnis haben für Menschen, die einem selbst oder anderen Personen wiederholt wehtun. Man muss keine Rechtfertigungen, noch niemals Erklärungen suchen für destruktives Verhalten anderer! Der oder die Klügere gibt nicht immer nach, sondern ist befugt, Zorn zu zeigen, wütend zu sein und dies auch zu kommunizieren – nur bringt das eben auch nicht immer was.
Man hat eben keine Kontrolle über andere Menschen, was generell auch ziemlich wichtig und richtig ist. Aber in mancher Hinsicht sorgt es eben auch dafür, dass man in toxischen Beziehungen und Verhältnissen stecken bleibt, weil der andere einfach beratungsresistent ist oder einen auch einfach nicht loslässt. Gerade innerhalb der Familie ist es z. B. schwer, sich dauerhaft aus dem Weg zu gehen. Möchte man doch z. B. Familienfeiern besuchen, auf die die andere Person auch eingeladen ist oder man hält Kontakt zu Menschen, die man liebt, aber die ebenfalls Kontakt mit dem toxischen Einfluss haben. Und auch diese Menschen haben wieder Gründe dafür.
Den Spagat demnach zu schaffen, seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu wahren und trotzdem in Kontakt mit toxischen Personen treten zu müssen, ist eine Anstrengung, welche nicht zu unterschätzen ist. Stets ist man auf der Hut, wägt Gründe für und Gefahren von einem Kontaktabbruch ab und läuft auch manchmal vor Wände, mit denen man nicht gerechnet hat. Andere, welche man selbst aufgebaut hat, werden z. T. auch wiederum einfach vom Gegenüber zerstört. Deshalb möchte ich an dieser Stelle um mehr Verständnis bitten für all diejenigen, die das betrifft, was ich gerade geschildert habe. Besonders wichtig ist, ihnen und ihre Geschichten zuzuhören, dabei aber nicht direkt zu verurteilen, sondern zu versuchen, zu verstehen. Und vor allem, sich mit gut gemeinten, aber nicht durchdachten Ratschlägen zurückzuhalten!
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