Diese Woche ist es mal wieder so weit gewesen, mein Erdbeerfeld wurde durchgepflügt, aber so richtig, mit ganz viel Gerät und wiedermal bis zum Erdkern. Dabei hatte ich die Hoffnung, dass es dieses Mal nicht so schlimm werden würde, denn bei der letzten agrarwirtschaftlichen Beackerung hatte sich die Brutalität wirklich in Grenzen gehalten, naja, vielleicht bis auf diese eine Sache … ich weiß es nicht sicher, aber ich glaube, jede Frau, jedes weibliche Wesen überhaupt, kennt diesen Mythos. Diesen Mythos, der eigentlich am besten Mythos für alle Zeit geblieben wäre, der einfach mit den griechischen Göttern im Olymp Nektar und Ambrosia schlürfen sollte oder am besten gleich in die Büchse der Pandora gehören würde. Ich meine natürlich den Mythos der Sturzblutung! Aber liebe Leute, dieser Mythos ist kein Mythos - jedenfalls nicht für Menschen mit Endometriose. Oder ganz explizit gesagt: Nicht für mich! Meine letzte Regelblutung hat es nämlich tatsächlich geschafft, (Alp-) Träume wahr werden zu lassen … und das auch noch auf der Arbeit … und ich arbeite als Tourguide, mache Stadtführung durch die wunderbare Kaiserstadt Aachen … ich glaube, mehr muss ich dazu nicht sagen. Es war kein schönes Erlebnis, ja es war eine Erfahrung, auf die ich gerne verzichtet hätte. Aber es ist nun mal meine Realität und ich kann eben nichts daran ändern, dass nach einem wunderbaren O.B.- Werbungsperiodenverlauf mit kaum Unterleibskrämpfen und einer moderaten Menge an Erdbeersaft plötzlich, in der hintersten, dunkelsten Ecke meines Unterleibs noch ein ganzes Fass darauf wartete, genau dann umzukippen, wenn ich gerade 16 Menschen etwas über die wunderbare Geschichte von Aachen erzähle ... und das in einem Rock und einer dünnen Strumpfhose an. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass diese dramatischen Erzählung – wem auch immer sei Dank – kein in Anführungsstrichen „passendes“ Ende gefunden hat: Ich hatte Glück im Unglück, das Fassungsvermögen einer Periodentasse hat mich zum Teil gerettet und der nächste Hot-Spot auf meiner Tour hatte eine Toilette, auf der ich wenigstens dafür sorgen konnte, dass mein Erdbeermassaker nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Für wen das jetzt „too much information“ war und wer jetzt keine Erdbeeren mehr essen kann, für den tut’s mir leid. Aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen, über etwas so Natürliches wie die Periode zu reden. Außerdem wissen wir ja Dank der Besteuerung von Monatshygieneprodukten, dass Regelblutung eine Luxusangelegenheit ist – warum soll ich also nicht meine Menstruationstasse verbal vor euch leeren, wenn andere ihren Schmuck und den nächsten Urlaub im 5- Sterne- Ressort vor euch ausbreiten dürfen? Also schaut alle her, hier sind meine Tampons mit ohne Diamantfassung, meine Slipeinlagen mit ohne Hermelinüberzug und meine Binden mit ohne Blattgold-Veredelung! Aber trotzdem sind sie Luxus, denn wir Frauen könnten unser Blut ja auch genauso gut in unseren Gummistiefeln auffangen!
Ja … „Luxus“ ist echt ein gutes Stichwort – auch in Bezug auf meine Endometriose (die damit ja irgendwie auch zu einem „Luxusproblem“ wird und keine ernstzunehmende chronische Krankheit mehr darstellt), denn die Kosten für meine Therapie sind hoch – vor allem, weil ich dieses Jahr schon drei Mal das Medikament aufgrund von Nebenwirkungen wechseln musste. D. h. ich habe von beiden Pillen-Varianten noch unverbrauchte Blister übrig, die weggeschmissenes Geld bedeuten. Und dieses Geld bekomme ich noch niemals von meiner Krankenkasse zurück, denn die erkennt die Pille nicht als ein Therapeutikum an, weil die ja noch – für mich als Nebenwirkung – verhütet. Dass ich die Pille aber nicht primär nehmen, weil ich nicht möchte, dass etwas innerhalb meiner Gebärmutter wächst, sondern damit nichts außerhalb dieser wächst – das interessiert die nicht. Aber hey, das ist auch wieder nur ein „Luxusproblem“! Sorry, not sorry für den kleinen Aufreger zwischen durch, aber das musste mal gesagt werden. Endometriose ist kein Erdbeerschlecken und die Periode ist weder Luxusproblem noch Tabuthema. Natürlich habe auch ich nicht das Bedürfnis, immer und dauernd und ständig und beim Essen darüber zu reden. Aber, wenn ich merke, dass es angebracht wäre, das Thema mal anzusprechen, weil jemand z. B. die Krankheit nicht kennt, oder, wenn ich mir auch einfach nur mal den Endometriose- Frust von der Seele reden muss, dann mache ich das einfach und das sollte jeder auch tun dürfen ohne schräg angesehen zu werden. Nur, weil meine Krankheit sich unter der Gürtellinie abspielt, heißt das noch lange nicht, dass ich ein Guerilla-Krieg dagegen führen muss, im Untergrund und im Geheimen – denn ganz ehrlich, geteiltes Leid ist auch im Fall von Unterleibskrämpfen und Sturzblutungen immer noch halbes Leid. Ich möchte einfach so vielen Menschen wie möglich die Augen öffnen und andere dazu ermutigen, auch mal den Mund aufzukriegen, damit diese Themen nicht weiterhin unter den Gynäkologenstuhl gekehrt werden. Also weg mit den Maulkörben der Gesellschaft und vor allem weg mit den imaginären Gürtelschnallen, die gesellschaftstaugliche von nicht- gesellschaftstauglichen Themen trennen. Ich möchte, dass bis zum höchsten Zacken des Olymps und bis in den tiefsten Mythensumpf hinein ein jeder offen und ehrlich über seine Periode, seine gynäkologischen Erkrankungen und sonstige stigmatisierte Themen reden darf – ohne so rot zu werden wie der Inhalt seiner Menstruationstasse! Ich möchte sagen dürfen, dass es mir richtig dreckig geht, wenn ich meine Tage habe und da hilft dann auch kein ultraflexibler Tampon, den ich kaum spüre, oder eine federleichte, geruchsneutralisierende Binde – ich kann dann nicht Volleyballspielen oder Schwimmen gehen – und das ist legitim und vollkommen in Ordnung so. Ich bin eine Frau, ich habe dementsprechend wie alle anderen Frauen auch meine Tage und zusätzlich habe ich auch noch Endometriose. Das sind weder Luxusprobleme noch Tabuthemen, das ist die Realität, die blutige Realität, aber auch die Realität, in der wir Frauen nun mal leben!
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