Kurzer Disclaimer vorweg: In diesem #loudandproud möchte ich nur meine persönliche Meinung und meine individuellen Erfahrungen mit euch teilen. In keiner Weise geht es mir darum, die laufende Anti-Rassismus-Bewegung in ihrer Bedeutung zu schmälern oder einen mahnenden Zeigefinger zu erheben. Ganz im Gegenteil: Ich möchte diesen aktuellen Diskurs gerne erweitern, sodass wir alle – mich eingeschlossen – unser Verhalten in diesem Kontext überdenken und wenn nötig ändern können. Sollte ich dennoch etwas geschrieben haben, was einer Berichtigung oder einer weiteren Aufklärung bedarf, bitte ich euch, mir das gerne mitzuteilen, aber dabei konstruktiv zu bleiben. #nohate
„Lasst uns über Rassismus reden“, ein Satz, der diese Woche oftmals in Instagramstorys und Co. fiel, und der u. a. mit dem #blackouttuesday einherging, der am Dienstag dafür sorgte, dass fast mein ganzes Instagramfeed schwarz war. Ausgelöst wurde all dies durch die grausamen Geschehnisse in den USA, die wieder einmal offenbarten, dass die heutige Gesellschaft doch nicht so fortschrittlich und tolerant ist, wie sie gerne tut. Dementsprechend haben sich viele Influencer und Privatpersonen zurecht dafür ausgesprochen, das Thema „Rassismus“ mehr in den Vordergrund zu rücken und auch in Bezug auf seine eigenen Handlungen und Denkweisen kritisch zu hinterfragen.
Auch ich habe dies getan, mich informiert und vor allem auch meine persönlichen Erfahrungen reflektiert. Infolgedessen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht reicht, einfach „nur“ über Rassismus zu reden, wie ihn z. B. Wikipedia definiert:
„Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale – die eine bestimmte Abstammung vermuten lassen – als „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden.“
(https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus, Stand: 02.06.2020)
Das Problem des Rassismus‘ geht nämlich, meiner Meinung nach, über das äußere Erscheinungsbild hinaus, Fremdenfeindlichkeit – und Rassismus ist nichts anderes – ist ein Tatbestand, der viele Facetten hat. 1965 definierte die UN im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung bereits Folgendes:
„In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck «Rassendiskriminierung» jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder der Staatsangehörigkeit beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.“
(https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICERD/icerd_de.pdf, Stand: 02.06.2020)
Damit fällt jegliche Diskriminierung, die ihren Ursprung in einer ablehnenden oder sogar feindseligen Haltung gegenüber vertrauten Lebensumständen Widersprechendem hat, unter die Kategorie „Rassendiskriminierung“. Das Feld, was mit dieser Definition abgedeckt wird, erweitert sich, sodass ich dazu anhalten möchte, nicht nur über „Rassismus“ in seiner engen Definition zu sprechen, sondern auch ganz allgemein über Fremdenfeindlichkeit. Damit sind nun nicht mehr „nur“ Menschen mit anderer Hautfarbe betroffen, sondern z. B. auch Personen mit einem Migrationshintergrund, der nicht aufgrund äußerlicher Merkmale festzustellen ist – so wie ich:
Mein Vater kommt nämlich aus Polen. In meiner frühen Kindheit empfand ich das als nichts „Schlimmes“. Doch als ich in die Schule kam und dies unvoreingenommen erzählte, bekam ich die ersten negativen Reaktionen. Zumeist äußerten sich diese in einer diffus-ablehnenden bzw. geringschätzigen Haltung, die man mir entgegenbrachte, sobald dieses Thema zur Sprache kam. Ich beschloss daraufhin, das Geburtsland meines Vaters am Gymnasium, auf das ich dann mit zehn Jahren wechselte, geheim zu halten.
Dies gelang mir bis zu dem Moment, als mein Englischlehrer, der einen Austausch mit einer polnischen Schule betreute, vor der gesamten Klasse meinen Nachnamen hinterfragte. Er legte offen, dass eine Stadt in Polen genauso hieße und wollte wissen, ob ich Familie dort hätte. Nach einigem Ringen mit mir selbst und einer unerklärlichen Scham gab ich zu, dass mein Vater polnische Wurzeln hat. Ich schämte mich dieses vermeintlichen Makels sehr und fühlte mich in dieser Situation wie „entlarvt". Meine schützende Fassade war eingebrochen, sodass mich die anschließenden Reaktionen meiner Mitschülerinnen und Mitschüler noch härter trafen. Es fielen Bemerkungen zu den gängigen Klischees von „Autos klauenden Polacken“ und "faulen, dummen osteuropäischen Baufuschern“ und diesmal schwappte mir eine Welle offener Geringschätzung entgegen, die nur langsam mit den Jahren abflachte. Für lange Zeit vermied ich sodann diese Thematik und tat unwissend, wenn mich jemand auf meinen Nachnamen ansprach.
Bis heute habe ich deshalb Hemmungen, diesen Teil meiner Familiengeschichte zu offenbaren. Es kostet mich auch gerade noch Überwindung, diesen Fakt über mich mit euch zu teilen – aber das soll hier nicht der springende Punkt sein: Ich will kein Mitleid oder mir anmaßen, zu verstehen wie sich u. a. gerade ein Teil der Bevölkerung in den USA fühlt. Ich möchte einzig und allein darauf hinweisen, dass Fremdenfeindlichkeit nicht erst da anfängt, wo äußere Merkmale sich unterscheiden, harte Beleidigungen fallen oder sogar Gewalttaten verübt werden. Fremdenfeindlichkeit ist etwas, das bereits viel subtiler zum Ausdruck gebracht werden kann und mehr Menschen betrifft, als wir auf den ersten Blick erkennen.
Und genau deshalb ist Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und jegliche Form der sozialen Ausgrenzung ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Es ist keine Kinderkrankheit, die die Menschheit in ihrer Entwicklung abgelegt hat, sondern immer noch ein aktuelles Problem. Aber genau das ist es auch, worin unsere Chance liegt: Wir können jetzt etwas ändern, um die Welt für diese, wie auch für nachfolgende Generationen zu einem fried- und liebevolleren Ort zu machen.
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