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AutorenbildJacqueline

#meckerecke: Lebkuchen im Sommer

Ich hab’s mir heute gemütlich gemacht; ich sitzt in meinem Bett, meine Lichterkette im Hintergrund ist an und neben mir steht ein Mandelmilch-Kakao. Aber nicht genug der heimeligen Stimmung, tatsächlich mampfe ich gerade auch ein paar Spekulatius, die mir meine Mum letztens in einem ihrer berühmten „Carepakete“ mitgebracht hat. (Wenn du das hier liest, Mama, ganz liebe Grüße gehen an dich raus!)

Mittlerweile gestehe ich mir ein, dass Weihnachtsgebäck langsam, ganz langsam seine Daseinsberechtigung im Süßigkeitenregal generiert, obwohl mich die Lebkuchen und insbesondere die Schokoweihnachtsmänner immer noch ein bisschen bis mittelstark irritieren. Letztere schauen mich gefühlt auch immer so forschend an, als ob sie mich fragen würden: „Hast du schon Geschenkideen für Weihnachten? Weißt du schon, was du an Heiligabend kochst? Und jetzt sag‘ nicht, du hast noch niemals deine Sommerkleider eingemottet!“.

Und dann stehe ich da vor diesen kleinen Männchen mit der Aluumhüllung und bin kurz davor schamvoll irgendwas wie „Aber es war doch grad noch Sommer“ zu stammeln – mitten im Supermarkt, allein, vor einem Pappaufsteller.

Aber, lenken wir von dem peinlichen Fakt ab, dass ich das Bedürfnis habe, mich vor Schokolade mit Gesicht zu rechtfertigen, und kommen zu dem Punkt, der mich wirklich aufregt: Das Desinteresse der Lebkuchen-Weihnachtsmann-Mafia an der Realität und damit eingeschlossen an der Tatsache, dass vor zwei Wochen noch über 25 Grad bei strahlendem Sonnenschein waren.

Was Gestern, Vorgestern oder in der letzten Woche war, ist denen aber Schnuppe, die schicken ihre Schoko-Weihnachtsmänner und Lebkuchensterne einfach schon Mal drei Monate zu früh los, mitten im August. Nur damit Leute wie du und ich bereits im Spätsommer in Panik verfallen, was Weihnachtsgeschenke und den Bauchumfang angeht, und den Sommer deshalb nicht mehr genießen können. Das ist ein bisschen so, wie wenn du dich nicht eine halbe Stunde früher zum Bewerbungsgespräch einfindest, sondern einfach schon einen Monat vorher deinen Klappstuhl vor dem Büro deines – dann wahrscheinlich nicht mehr – zukünftigen neuen Chefs aufstellst. Das macht doch auch keiner, also warum Lebkuchen und Co. bereits Ende August?


Jetzt mal ehrlich – gibt es in dieser Zeit wirklich schon eine lebkuchenorientierte Nachfrage nach diesen Produkten? Kennt jemand jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der eine Cousine hat, die einen Freund hat, welcher einen Bruder hat, der bei über 25 Grad im Schatten sagt: „Oh, jetzt einen Spekulatius, der ist ja so erfrischend!“.

Oder gehe ich das Thema ganz falsch an und der Sinn hinter Lebkuchen im Sommer ist ihr momentan noch fast unbekannter Sonnenschutzfaktor, der von innen wirksam ist. Oder ist das tatsächlich so gewollt, dass die Schokolade um eben jenes Weihnachtsgebäck in der Sonne schmilzt, weil sie ein super natürlicher Sonnenmilch-Ersatz ist? Oder ist es noch banaler und ich hatte einfach bei keiner Grillparty meines Lebens je die legendäre, gegrillte Pfeffernuss im Speckmantel, auf die echte Kenner niemals verzichten würden?

(Falls ihr Antworten wisst, immer her damit. Das sind alles [fast] vollkommen ernstgemeinte Fragen und Hypothesen!)

Ich für meinen Teil habe also den Sinn von Weihnachtsgebäck und -süßigkeiten im Spätsommer und Frühherbst noch nicht so ganz entdeckt. In diesem Zusammenhang gestehe ich auch (Sorry, Mama!), ich hätte mir wohl keine Spekulatius selbst gekauft. Mir schmecken die tatsächlich nämlich gerade auch ein bisschen zu stark nach Tannenbaum und Lametta – vor allem, weil ich just in diesem Moment auch noch auf meine Kleiderstange mit den ganzen Sommerkleidchen schaue. Aber die positive Nachricht, die ich daraus ziehe, ist: Hey Mama, die Packung Spekulatius hält wohl bis Weihnachten und ich werd‘ am 24. Dezember höchstwahrscheinlich den Letzten essen – ist fast wie ein Adventskalender.

Mag sein, dass auch jenes ausgeweitete Adeventskalenderprinzip hinter Lebkuchen, Spekulatius und Weihnachtsmännern im August steht, aber ganz ehrlich – das überzeugt mich auch nicht wirklich. Ich find’s einfach viel zu früh!

Und ganz ehrlich, vergleichen wir’s mal mit einer anderen Situation aus dem Leben: Wer mag schon Personen, die immer zu früh kommen? Kann mir doch keiner erzählen, dass er sich freut, wenn die erste Gruppe Partygäste bereits eine halbe Stunde früher als erwartet vor der Haustür steht. Dafür ist doch auch noch keiner wirklich bereit. Meistens hüpft man da noch in Unterwäsche durch die Wohnung und hat höchstens einen von zwei Lidstrichen geschafft … und das Konfetti ist dann auch noch im Locher. Das macht doch wirklich keinen Spaß – eben genauso wenig wie Lebkuchen im Sommer.

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