Warnung: Dieser Blogbeitrag kann Spuren von Ironie, Zynismus und Weihnachtsblasphemie beinhalten!
Hach jaaa, es ist wieder soweit: Die besinnliche Weihnachtszeit ist angebrochen und damit Wochen und Tage der heilsamen Hektik, des kostbaren Konsums und des glanzvoll zuckrig-schmerzhaften Glühweins auf dem vollkommen überfüllten Weihnachtsmarkt. Das Ziel ist auch dieses Jahr wieder ganz klar: Die Festtage mit der Familie verbringen, sich dort den Mund verbieten, um keinen Streit vom Zaun zu brechen und sich infolgedessen anschweigen, während man dem Müllhaufen unter dem Christbaum an Heiligabend beim Wachsen zusieht. Herrlich!
Aber bevor der Pseudo-Familiensinn erforderlich ist, steht noch einiges an. Z. B. zwischen hausgemachtem Stress und deprimierendem Winterblues durch die Einkaufsstraße zu hetzen, Slalom-Extrem durch die Menschenmassen zu spielen und das alles nur, um das beste, schönste und teuerste Geschenk zu ergattern, das jemals unters Volk gebracht wurde. Und das zumeist nicht primär, um dem anderen eine wahre Freude zu machen, sondern um derjenige zu sein, der das beste, schönste und teuerste Geschenk gemacht hat und an oberster Stelle auf dem imaginären Treppchen des noch imaginäreren Geschenkerankings zu stehen. Das Ego ist vollkommen on fire, so wie es der Weihnachtsbaum nicht sein sollte.
Aber natürlich gibt es nicht nur diejenigen, die die Stadt mit ihrem Weihnachtswahnsinn unsicher machen und mit Schaum vorm Mund durch die Läden hetzen, sondern auch die Gruppe von Menschen, die sich selbst als entspannt beschreiben würde: Die Online-Shopper. Mit dem gleichen Ziel vor Augen, das beste, schönste und teuerste Geschenk unter den Baum zu legen, scrollen diese manisch durch die ganzen Webshops, um am Ende dann doch nur einen Jochen-Schweizer-Gutschein zu schenken. Aber dafür haben sich die roten Augen, das bleiche Antlitz und die zittrigen Finger doch gelohnt!
Damit ist eine Aktivität der besinnlichen Weihnachtszeit abgearbeitet, aber ein weiteres Amüsement wartet noch darauf, minutiös geplant zu werden: Die Feiertage und die Familienbesuche. Am Ende soll im Bestfall ein möglichst eng getakteter Fahrplan à la Bahnverbindung und Schienenersatzverkehr entstehen: Um Punkt 10 Uhr zu den Großeltern; um 12:13 Uhr Abfahrt zu Tante und Onkel ins letzte Kaff vor dem Punkt, an dem die Welt endet und man über die Kante fällt. Um 14:43 Uhr dann zu der anderen Oma, die genau am gegenüberliegenden Ende des Kontinents wohnt, um dann um 18:37 Uhr bei den Eltern zum Weihnachtsessen zu sein. Und das natürlich all drei Festtage lang, sodass man bloß keine Luft zum Atmen oder Zeit für sich hat. Da wundert es auch niemanden, dass die meisten nach Weihnachten erstmal erschöpft auf dem Sofa zusammensinken und einen Schnaps statt einer Tasse Kinderpunsch benötigen.
Immerhin muss man sich betäuben, die Erinnerungen an das Familien-Jumanji verdrängen und all die Kommentare, die man sich verkniffen hat – um des liebes Pseudo-Friedens willen – , in Hochprozentigem ertränken. Ach, wie schön ist es, Familie zu haben, das Fest der Liebe mit ihnen zu begehen und einfach mal nicht man selbst sein zu müssen – bzw. zu dürfen! Da geht einem ja das Herz auf, während der Mund geschlossen bleibt, um niemanden mit der Wahrheit zu nahezutreten. Es ist ja schließlich auch die Zeit der Wunder, des Geheimnisvollen und der unbefleckten Familienehre. Wenigstens der Schein muss gewahrt bleiben, sowie der Heiligenschein des Kindleins in der Krippe.
So ist die Weihnachtszeit. Sie changiert zwischen Wunschdenken und Wahnsinn, zwischen Utopie und Unheil, zwischen Gollum und Smeagol. Ein wahres Fest für jede Zynikerin und jeden Zyniker, ein wahres Fest für Gesellschaftskritik, ein wahres Fest für all diejenigen, die sich gerade nicht angesprochen fühlen!
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