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AutorenbildJacqueline

#meckerecke: Who the f*** is Walburga? Gedanken zum „Tanz in den Mai"

Lichterlohe Feuerzungen züngeln gierig, locken funkenfroh die Nacht.

Rotgefärbter Himmel schwindet hinter gelben Flammen – alles dreht sich umeinander, um sich selbst. Welt bewegt sich auf der Achse, Jahreszeiten wechseln munter, jubelnd tanzen Menschen Kreise um den Maibaum in der Mitte. Zyklisch ist die Richtung der Bewegung, die die ganze Welt regiert; aus Tag wird Nacht, aus Winter Frühling, aufs Leben folgt der Tod. Walpurgisnacht - feiert das Leben, die Fruchtbarkeit. Sät die Liebe wie das Korn.

Vereint euch, Erde und Samen, wachset empor, um des Verderbens Willen.

Doch denkt heute nicht an Morgen, der Mai bricht an, der Winter ist vorüber.


Walpurgisnacht – ein Fest, das bereits aus vorchristlicher Zeit stammt und mit der Christianisierung von Nord- und Mitteleuropa zur Feier der Heiligen Walburga wurde, die als Beschützerin vor Krankheiten wie der Pest, dem Husten oder der Tollwut gilt. Der Tanz um den Maibaum lässt Mensch und Natur miteinander verschmelzen – all das um der Fruchtbarkeit Willen, die beide sich gegenseitig schenken sollen. Auch heute feiern wir noch Walpurgisnacht, aber meist schon unter einem anderen Namen und relativ weit weg vom ursprünglichen Zeremoniell.

Schon die „neue“ Bezeichnung lässt vermuten, dass nichts mehr mit der Heiligen Walburga ist. Jene wird einfach mal wegrationalisiert, weil die Alte eh keiner mehr kennt. „Tanz in den Mai“ ist der neue Begriff für das alte Fest und der Walburgistag (1.05.) wird zum „Tag der Arbeit“– der einzige Tag (neben Wochenenden, Feier- und Urlaubstagen), an dem man wohl wirklich zur Heiligen Walburga beten würde, nicht krank zu werden. Ansonsten ist ein kleiner Pestausbruch oder ein Tollwutanfall doch der beste Grund, nicht auf der Arbeit zu erscheinen.

Walpurgisnacht oder was?!

Auf nimmer Wiedersehen und verschwunden ist auch ein weiterer Teil des Brauches; wer tanzt denn heute noch um den Maibaum? Wenn wirklich einer im Dorf aufgestellt worden ist, dann steht er außerhalb des Bierzeltes und ist somit uninteressant. In Städten muss einfach der nächste Typ im Club als Birken-Pfosten herhalten (kurze Erläuterung: Maibäume bestehen traditionell aus Birke), der zum Mittelpunkt eines mal mehr, mal weniger stark ausgeprägten Fruchtbarkeitstanzes wird. Ob dieser am Ende dann auch wirklich fruchtbar ist, entscheidet hier meist die Natur in Form eines gewissen Rauschzustandes, der vielleicht das einzig traditionelle Element an der heutigen Interpretation der Walpurgisnacht ist. Jedoch wirkt sich jener, nenne wir ihn mal

„leicht transzendentaler" Zustand wiederum in manchen Fällen auch negativ auf die Wirkung des Balztanzes aus, denn Alkohol schwächt ja bekannterweise nicht nur das kognitive Stehvermögen. Generell auch eher in den Hintergrund gerückt ist die zyklische Dimension; dass aus Winter jetzt Frühling wird interessiert nach dem Klimawandel doch heute eh keinen mehr und der Übergang von Tag zur Nacht und wieder zum Tag wird auch eher nur am Rande wahrgenommen – jene gewisse „Blindheit“ ist in diesem Fall nicht der überaktiven Nebelmaschine in der Disco geschuldet, sondern der Tatsache, dass der nächste Tag bei dem ein oder anderen wie eine weitere Nacht verbracht wird; hinter zugezogenen Rollos und schlafend.

Die einzige zyklische Bewegung, die oftmals zu beobachten ist, stellt der stündliche Gang von der Bar zum Klo und wieder zurück dar. Ein Kommen und Gehen, ein Trinken und Wegbringen - hin zur Keramikschüssel zurück zur Bierflasche. Es ist ein stetiges Kreisen der Stoffwechseltätigkeiten, die zusätzlich zu ihrem Naturell von schlechter Gesellschaft (Flucht zum Klo) oder einem möglichen Balzpartner (Verweilen an der Bar) beeinflusst werden.

Jeglichen Charme, jegliche Tradition hat dieses Fest im Gedränge der Disco zu monotonen, Trommelfell zermürbenden Beats bereits verloren. Hier begegnen sich nicht mehr Mensch und Natur sondern Busen und Ellenbögen in den viel zu engen Clubs. Hier wird das Korn getrunken ,statt gesät und Walburgas Schutzkraft reicht gegen die ganzen Keime in der Luft nicht mehr aus. Statt die Erinnerung an ein extatisches Naturerlebnis, bei dem man die feuchte Erde unter seinen Füßen, das Gras auf seiner Haut und die Wärme der Flammen im Gesicht spürt, besitzt man mittlerweile am nächsten Morgen nur noch nach Zigarettenrauch stinkende Haare, ein Shirt, das ein riesigen Bierfleck aufweist, und einen blöden Stempel auf der Hand, der einen die nächsten zwei Tage zu einem tätowierten Club-Knasti macht.

Aber was soll’s, auch ich habe mich letzten Mittwoch ins Getümmel gestürzt, auch ich habe zu schlechter Musik mit weniger Platz als eine Legehenne in Käfighaltung mein Tanzbein geschwungen, auch ich bin um drei Uhr nachts noch durch die Straßen gewandert … nur um mal wieder festzustellen, dass manches wirklich früher besser war (und natürlich aus Recherche-Zwecken für meine heutige #meckerecke).

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