Eigentlich wollte ich dieses Jahr „Nein“ zu guten Vorsätzen sagen. Ich wollte „Nein“ zum gesellschaftliche Klischee á la „New year, new me“ sagen. Ich wollte „Nein“ zu all dem Druck sagen, den solche Vorsätze machen und habe mir dann doch irgendwie einen Vorsatz gesetzt – nämlich den, öfter mal „Nein“ zu sagen.
„Nein“ ist bloß ein kleines Wort, aber mit ihm einhergeht sehr viel Bedeutung. „Nein“ ist ein klares Zeichen der Ablehnung, man weigert sich, etwas zu tun, man lehnt etwas ab. In unserer Gesellschaft haben all diese Begrifflichkeiten und Umschreibungen eine sehr negative Konnotation: Wer zu oft „Nein“ zu andere sagt, der ist egoistisch, egozentrisch oder weiß Dinge nicht zu schätzen. Die einzige Person, zu der es erlaubt und sogar anerkannt ist, „Nein“ zu sagen, ist man selbst. Und das tut man viel zu oft, weil man genau so sozialisiert wurde.
Wir alle werden dazu erzogen, nett zu anderen zu sein, andere und ihre Wünsche zu respektieren und haben wohl alle schon einmal den Spruch gehört „Der Klügere gibt nach!“. Wir werden dazu erzogen, „Ja“ zu sagen, weil es sich so gehört, weil man niemanden kränken, beleidigen oder ablehnen will. Unser Verhältnis zu den Worten „Ja“ und „Nein“ ist vollständig gestört, aus der Balance geraten und in ein ungesundes Extrem des Ja-Sagens gekippt. Natürlich ist hier auch anzumerken, dass immer nur „Nein“ sagen, auch keine Alternative ist, denn Extreme sind niemals gut, Extreme sind immer extrem schädlich. Oder ums kurz zu machen: Die Menge macht das Gift!
Und Gift ist eben auch, „Ja“ zu sagen, obwohl man eigentlich „Nein“ sagen will. Und das beginnt bereits bei Kleinigkeiten im Alltag und endet in Debatten und öffentlichen Diskussionen über „Nein heißt Nein“. Unsere Gesellschaft hat ein Problem, ein großes Problem und wiedermal bilden die Hauptursache hierfür die viel zu hohen Leistungsansprüche. Wer „Nein“ sagt, steht schnell unter dem Verdacht, etwas nicht zu können, etwas aus Faulheit nicht tun zu wollen oder einfach einer Situation nicht gewachsen zu sein. Ignoriert bei solchen Interpretationen wird die Tatsache, dass dies Gründe für ein „Nein“ sein können, aber in den meisten Fällen etwas anderes dahintersteckt.
Man kann nämlich auch „Nein“ sagen, weil man gerade wirklich keine Zeit für ein Treffen, eine weitere Arbeitsaufgabe oder Sport hat. Man kann „Nein“ sagen, weil es sich für einen in diesem Moment einfach nicht richtig anfühlt, „Ja“ zu sagen. Man kann „Nein“ sagen, weil man einfach mal ein bisschen „Me-Time“ braucht, um seine Batterien aufzuladen und beim nächsten Mal wieder aus vollstem Herzen „Ja“ sagen zu können. Auch dies sind vollkommen akzeptable Gründe, um etwas abzulehnen, was einem angeboten, aufgedrängt oder einfach aufgebürdet wird. Aber es ist auch okay, aus o. g. Gründen „Nein“ zu sagen, weil man weiß, dass es jemand anderes besser kann, weil man einfach auch mal keine Lust auf etwas hat oder weil einem einfach alles gerade zu viel ist und man sich erstmal selbst ordnen muss.
Ein „Nein“ ist somit kein generelles Nein. Im Gegenteil, oftmals ist ein Nein zu anderen ein Ja zu uns selbst – zu unseren Bedürfnissen, Wünschen und inneren positiven Glaubenssätzen. Wer diese Option wahrnimmt, kann sein Leben freier gestalten und steigert seine eigene Zufriedenheit. Dennoch sollte man stets auch seine Entscheidungen bzw. seine Entscheidungsfreiheit reflektieren. Sich Gründen hinter einem Nein oder einem Jahr bewusst zu werden, hilft, sich selbst besser kennenzulernen und vielleicht auch die ein oder andere ungesunde Gewohnheit hinter dem eigenen Handeln zu erkennen und beheben zu können. People-Pleasing, Angst vor Veränderung oder auch der mangelnde Glaube an sich selbst bzw. die eigenen Fähigkeiten sollten nämlich Entscheidungen nicht beeinflussen, auch wenn sie das oft tun. Dementsprechend sollte man sich selbst auch mehr Zeit für die Entscheidungsfindung geben, nichts überstürzen und sich nicht durchs Außen unter Druck setzen lassen.
Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass wenn man sich selbst dies zugesteht, es auch anderen zu ermöglichen und insbesondere ein Nein nicht zu persönlich zu nehmen. Wie ja bereits gesagt, steckt hinter einem „Nein“ nicht unbedingt eine Ablehnung des Gegenübers, sondern so viel mehr, was auf den ersten, oftmals durch die gesellschaftliche Sozialisation verstellten Blick nicht direkt zu erkennen ist. Und genau das möchte ich mir dieses Jahr als einzigen, kleinen Vorsatz nehmen, um mir wie auch anderen das Leben leichter zu machen und meine Empathie für mich und meine Umwelt zu stärken. Also sage ich „Nein“ zu gesellschaftlichen Konventionen und Leistungsdruck und „Ja“ zu mehr Selbstbestimmung und positiver Veränderung.
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