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#nachgedacht: Frauen in der Geschichte

Frauen machen und machten immer mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Sie lebten und arbeiteten seit Jahrtausenden genauso wie Männer. Sie leisteten ihren Beitrag zur wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklung unserer heutigen Welt und doch stehen sie im Schatten des anderen Geschlechts. Das patriarchale System, das insbesondere die europäische Geschichte prägte und dafür sorgte, dass Männer Geschichte schrieben und lange Zeit auch Geschichtsschreibung vergangener Zeiten wissenschaftlich aufarbeiteten, wird erst in der Moderne und in der heutigen Zeit langsam aufgebrochen.


Insbesondere in den spätmittelalterlichen Städten treten Frauen in zeitgenössischen Dokumenten primär als Verwandte oder Familienmitglieder auf. Ihre Bedeutung war abhängig von dem Ungleichgewicht zwischen dem Wert der Geschlechter. Weiblichkeit wird im ganzen Mittelalter mit Inferiorität gleichgesetzt, mit Minderwertigkeit und Unzulänglichkeit. Daran Schuld ist die christliche Kirche, welche – wen wundert es – von Männern dominiert wurde. Die Verführung Adams durch Eva und die Vertreibung aus dem Paradies werden in diesem Zuge nicht dem leicht beeinflussbaren Mann zu Lasten gelegt, sondern der listigen, unbedachten Frau. Eva ließ sich vom Teufel um den Finger wickeln, Eva dachte nicht nach und brach das einzige Gesetz im Pardies, Eva war damit nicht in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Kurzum: Die Frau war das Übel, was vom Mann in Ketten gelegt werden musste.


Auch die weltliche Obrigkeit – wieder nur Männer – machte sich diese Argumentation zu Nutze, um Frauen von der politischen Mitwirkung und der Übernahme wichtiger Ämter in Klerus und Welt auszuschließen. Ihrer Ansicht nach war jede Frau wie Eva verführbar, unreflektiert und naiv. Infolgedessen wurden Frauen als ungeeignet angesehen, politische Verantwortung zu übernehmen und die männliche Autorität in Ämtern und Positionen, welche die Welt lenkten, war erfolgreich verteidigt. Ähnliches galt auch für den Arbeitsmarkt in den spätmittelalterlichen Städten: Frauen wurden vom Erlernen eines Handwerks fast durchgehend ausgeschlossen; allgemein galt ihre Arbeitskraft als minderwertig in männlichen Domänen wie den Zünften und wurde sogar als unehrenhaft angesehen. Eine Frau in der Werkstatt zu beschäftigen, hatte einen verderbenden Einfluss auf die Arbeit ihrer männlichen Kollegen – jedenfalls galt dies als allgemein anerkannte Rechtfertigung für die Verdrängung der Frau aus dem spätmittelalterlichen Handwerk.


Frauen erlangten in der christlich geprägten, spätmittelalterlichen Mentalität zumeist nur Anerkennung, wenn sie verheiratet waren. Als ihren Mann mit Hingabe unterstützende Ehefrau und Gebärerin seiner Nachkommen hatte die Frau nach der zeitgenössischen Weltsicht ihren vorbestimmten Platz in der Gesellschaft eingenommen. Sie war sicher „verwahrt“ unter männlicher Aufsicht, hatte keine Recht über ihr Vermögen oder auch ihre Kinder, brauchte für fast alles die Einwilligung ihres werten Gattens und stellte damit keine Gefahr mehr für die öffentliche Ordnung dar – im Gegensatz zu Witwen und ledigen Frauen. Diese weiblichen Lebensformen waren gefährlich, denn sie sorgten dafür, dass Frauen eine gewisse Selbstbestimmung erhielten und sich der männlichen Autorität entzogen. Demnach musste diesen Frauen Einhalt geboten werden, immerhin waren sie führungslos und ihren niederen Gelüsten sowie ihrer Unfähigkeit, rational zu denken, vollkommen hilflos ausgeliefert.


Deshalb sah man diese Frauen am liebsten als Mägde oder Lohnarbeiterinnen in privaten oder öffentlichen Diensten. Denn hier war wieder die männliche Aufsicht gewährleistet und die patriarchale Ordnung gesichert. Die christliche Kirche sorgte ihrerseits nochmal dafür, dass ledige Frauen, sofern sie ihr Leben nicht als Jungfrau Jesus Christus verschrieben hatten, genügend Diskriminierung erfuhren, um sich bloß nicht zu wohl in ihrer Unabhängigkeit zu fühlen. Das Mittel ihrer Wahl war hierzu der Verdacht der Prostitution und dieser konnte bereits bestätigt werden, wenn eine Frau mit einem Mann eine nicht durch das Sakrament der Ehe abgesegnete Beziehung führte. „Hurerei“ war im Spätmittelalter nicht an die Regel „Sexuelle Dienstleistungen gegen Geld“ geknüpft, sondern an die einfache Tatsache, außerehelich sexuell aktiv zu sein – egal, ob mit einem Mann, zwei oder zehn. Nach diesem Verständnis wären viele Frauen unserer heutigen Gesellschaft in Partnerschaften, sowie auch ich, „Huren“. Und Hurerei war natürlich gegen Gott, gegen die gesellschaftliche Ordnung und gegen jegliche Moral. Diese Verdächtigung konnte Leben zerstören und Frauen bis auf den Richtblock bringen.


Dennoch darf man nicht dem Fehlschluss anheimfallen, dass Frauen sich diesen rechtlichen und sozialen Gegebenheiten resigniert und ohne jegliche Handlungsspielräume und eigene Konfliktlösestrategien unterordneten. Im Gegenteil: Auch Frauen sind historische Akteurinnen, welche Geschichte mitgestalteten und ohne deren Einfluss und Mitwirkung die Gesellschaft nicht hätte existieren können. Dies zu erforschen, speziell im Bezug auf arme, arbeitende Frauen im deutschsprachigen Spätmittelalter, widme ich meine Dissertation. Ich möchte Frauen eine Stimme geben, die zuvor nicht gehört worden ist. Es geht mir dabei aber nicht darum, eine Frauengeschichte zu schreiben, sondern meinen Beitrag zur Universalgeschichte zu leisten. Eine Universalgeschichte, die Männer wie Frauen inkludiert und damit beiden Geschlechtern ihren gleichberechtigten Platz in der Geschichte – den jeder von ihnen verdient – zu geben und ihren Anteil an derselbigen zu würdigen.

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