Selbstbewusstsein- wir wollen es alle haben, ständig, 24/7, im Reisekoffer, in der Schultasche, morgens beim Aufstehen und abends beim Zubettgehen. Es soll unser steter Begleiter sein, egal, was wir machen, ob wir Dinge zum ersten oder zum letzten Mal tun, Kritik oder Lob erfahren, Tod oder Leben beiwohnen. Nur ist Selbstbewusstsein nicht etwas, dass man in die Wiege gelegt bekommt, man kann es nicht als All-Inklusiv-Paket buchen, in der Apotheke im Monatspack erhalten oder mitsamt des Abiturs ausgehändigt bekommen. Es ist etwas, das man lernen muss- dem einen fällt es leichter, der andere braucht mehr Kraft dafür.
Selbstbewusstsein ein Wort, das oftmals gleichgesetzt wird mit einem dominanzbetonten Auftritt und einer breitbeinigen, zurückgelehnten Sitzposition a la „Ich-bin-der-Geilste!“. Zunächst aber heißt selbstbewusst zu sein, eigentlich nur, was im Wort schon drinsteckt: sich sich selbst bewusst sein. D.h. nicht, dass man jetzt mit Sätzen wie „Ich denke, also bin ich“ um die Ecke kommen muss (sorry René!), es heißt, dass man weiß, wo seine Stärken und seine Schwächen liegen. Wo ist ein wunder Punkt und woher rührt er? Warum verhalte ich mich so und nicht anders? Es ist wichtig, sich selbst zu ergründen, sich selbst kennen zu lernen und sich vor allen Dingen selbst zu akzeptieren, denn nur dann kann man auf sich selbst vertrauen und selbstbewusst handeln.
Doch ich weiß selber, dass dieser Prozess des Selbstbewusstwerdens und damit verbunden auch die Akzeptanz der eigenen Person nicht von heute auf morgen einfach da sind. Es ist durchaus eine langwierige und auch mal beschwerliche Angelegenheit. Immer wieder ist dieser Prozess auch mit Höhen und Tiefen verbunden. Sogar die Personen, die sich ihrer selbst bewusst sind, müssen sich immer mal wieder im Leben dessen rückversichern, immer wieder in sich reinhorchen, um Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein aufrechtzuerhalten.
Eng verbunden mit dem Prinzip des Selbstbewusstseins ist das Social-Media-Schlagwort Self-Care. Für mich klingt das ein bisschen nach Luftpolsterfolie für die Seele oder einer Optimismus-Pflegelotion für ein leidgeplagtes Herzchen. Aber das, was es bedeutet, ist etwas, das sehr wichtig ist, um Selbstbewusstsein zu generieren und zu erhalten: es heißt nämlich, auf sich zu achten und für sich zu sorgen. Und damit ist nicht nur die Pinterest-Version von Self-Care gemeint, also ein heißes Bad mit Lieblingsbuch oder einem Abend mit heißer Schokolade und Bae unter der Lichterkette. Es ist so vieles mehr, u.a. auch seine Stärken zu zeigen und sich nicht kleiner zu machen, als man ist. D.h. sich trauen, klipp und klar zu sagen, was man kann und was man zu leisten im Stande ist, aber auch zu seinen Schwächen zu stehen. Ein solches Verhalten vereinfacht so vieles im Leben; es sorgt z.B. dafür, dass man in einem Team effektiver zusammenarbeiten kann, dass man sich nicht ständig beweisen muss und im Endeffekt auch dafür, dass man selbst lernt in sich und seine Fähigkeiten zu vertrauen. Und wenn man mal an den Punkt kommt, an dem man merkt, dass man nicht noch zusätzlich ein verstoßenes, blindes Nilpferdbaby mit der Flasche großziehen kann, dann ist es selbstbewusst und vernünftig in diesem Moment mal Nein! zu sagen.
Auch eine Form von Self-Care, die Selbstbewusstsein fördert, ist es Lob einfach mal anzunehmen. Ein bloßes Danke reicht aus, unnötige Relativierung wie „Die Hannelore kann das aber genauso gut, wenn nicht noch besser. Wenn die eine Kaugummiblase macht, dann ist die nicht nur größer als meine, sondern hält auch länger!“ sind fehl am Platz. Reagiert man nämlich in solcher Weise, wird das eigentliche Lob zum Katalysator für Selbstkritik und deprimierenden Vergleichen mit anderen. Seid also gut zu euch, nehmt das Lob an, bedankt euch, aber relativiert es nicht! Wenn ihr einen Oscar bekommt, dann gebt ihr ihn auch nicht an eure Nachbarin weiter- dann haltet ihr ihn gefälligst ganz fest und verteidigt ihn mit eurem Leben!
Ähnlich ist es auch mit Bitten oder Wünschen, die an andere gerichtete sind. Man muss lernen seine Bedürfnisse offen zu artikulieren, d.h. man fragt den Chef nicht: „Entschuldigen Sie, aber wäre es vielleicht möglich, dass ich heute noch -oder wenn es Ihnen in einem Jahr besser passt, dann vielleicht 2019- vorbeikommen könnte, um etwas zu besprechen, was mich ein bisschen gestört hat letzte Woche?“. Solch eine Bitte wirkt nämlich weder dringlich, noch wirklich ernstzunehmend, denn seien wir mal ehrlich, wann stört uns denn nicht mal irgendwas ein bisschen?! Also, einfach mal klar seine Bedürfnisse artikulieren und nicht in diese vermeintliche Höflichkeitsfalle tappen. Ein „Haben Sie vielleicht später noch mal kurz Zeit für mich? Ich möchte nämlich mit Ihnen über die Farbe Ihrer Socken reden, die hat mir nämlich überhaupt nicht gefallen!“ wird in diesem Fall um einiges mehr Wirkung erzielen, denn die Beschwerde klingt nach einer solchen und ihr zeigt, dass euch diese Unterredung wichtig ist.
Selbstbewusstsein und Self-Care sind also zwei Dinge, die unzertrennlich zusammengehören. Denn, um sich gut um sich selbst kümmern zu können, muss man sich über sich selbst bewust sein. Und andersherum, wenn man sich darüber bewusst ist, dass man die besten Kaugummiblasen der Welt macht, dann sorgt man auch dafür, dass man es selber ist, der den Hubba-Bubba-Werbespot bekommt und nicht die Hannelore!
Nachtrag: Sollte es hier eine Hannelore geben, die wirklich so tolle große, langanhaltende Kaugummiblasen macht- dann liebe Hannelore, fühl' dich bitte nicht angegriffen und mach' weiter so! #spreadthelove
留言