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#nachgedacht: Von dem, was wir denken und dem, was wir sagen

Es ist nicht immer einfach, klar zu sagen, was man will oder was man denkt. Viel zu oft stehen wir uns selbst im Wege, weil wir Angst haben etwas Falsches zu sagen, jemanden zu enttäuschen oder eine ungünstige Entscheidung zu treffen. Im Nachhinein bereuen wir es wiederum, nicht den Mund aufgemacht zu haben und schlagen uns mit Dingen rum, die wir eigentlich hätten vermeiden können. Wir geraten in Situationen, die uns noch unangenehmer sind, als die Wahrheit zu sagen. Und das, obwohl wir bereits im Vorhinein wissen, dass alles so enden wird und trotzdem ändern wir auch beim nächsten Mal nichts daran.

Ich kenne dieses Problem nur zu gut, viel zu oft habe ich in meinem Leben, Dinge gesagt oder Dinge nicht gesagt, nur weil ich dachte, dass dies oder jenes jetzt von mir erwartet würde oder weil ich teilweise auch selbst nicht wusste, was ich wirklich will oder dazu denke. Ich habe mich verbiegen lassen, habe mich gesellschaftlichen Pseudo- Normen gefügt, habe den Mund gehalten oder Dinge nachgeplappert - aber keine Verantwortung für mich und mein Leben übernommen. Ich denke, auch wenn ich mich jetzt weit aus dem Fenster lehne und damit vielleicht in die Komfortzone des ein oder anderen eindringe, dass dieses Problem viele Menschen kennen und manchen es noch niemals wirklich bewusst ist.

Auch ich habe lange in dem Glauben gelebt, dass in irgendeiner Weise eingeschränkte Entscheidungen oder Denkmuster, die einzigen seien, die mir zur Verfügung ständen. Lange habe ich gedacht, dass es das Wichtigste sei, dass mein Umfeld mit dem, was ich sage und tue, zufrieden ist. Ich war der Meinung, wenn ich den Personen um mich herum gefalle, gefalle ich auch mir selbst – in der Wissenschaft würde man hier von einem „eklatanten Fehlschluss“ sprechen, in der Umgangssprache von „totalem Bullshit“.

Gerade in den letzten zwei Jahren habe ich demnach erkannt, dass es nur den einen Weg gibt, um nicht weiter mit einem Maulkorb herumzulaufen, an dem zusätzlich eine Klischee- Leine dranhängt, nur um dann festzustellen, dass man des Weiteren auch noch in einem kognitiven, von gesellschaftlichen Ansichten beschränkten Zwinger sitzt: Man muss sich erstens klar darüber werden, was man selbst über Dinge denkt und was man im Endeffekt wirklich persönlich vom Leben will. Und zweitens muss man diese Dinge dann auch genauso klar aussprechen, wie man sie für sich wahrnimmt.

Insbesondere im Zusammenhang mit wichtigen Entscheidungen habe ich daraufhin versucht, nur noch in die Kategorien „Hell yeah“ oder „Hell no“ zu differenzieren und wie schon Mirellativegal in ihrem Buch schreibt: Bereits ein „Ja, aber …“ ist ein Nein.

(An dieser Stelle eine [eingeschränkte] Buchempfehlung „Kann man mal machen“ von Mirellativegal. Meiner Meinung nach manchmal etwas zu feministisch- idealistisch, dafür in anderen thematischen Bereichen herausragend eindringlich- realistisch.)

Des Weiteren habe ich begonnen mich auch in politische und soziale Themen einzuarbeiten und mich mehr zu informieren, was in der Welt so vor sich geht. Gerade in dieser Hinsicht war es mir wichtig, meinen Horizont zu erweitern, dessen partielle Beschränktheit eine kritische Meinungsbildung zu manchen Themen bis dato gar nicht erlaubt hatte.

Aber nicht nur eine klare, persönliche Positionierung wollte ich ab diesem Zeitpunkt in Angriff nehmen, sondern ebenfalls meine Fähigkeit verbessern, diese auch zu vertreten. Beides fiel mir im ein oder anderen Moment schwerer, als ich gedacht hatte. Wie blöd habe ich mich am Anfang gefühlt, als ich mich für die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Veganismus“ interessiert habe und ich Angst hatte, dass meine Freunde und Familie mich jetzt für eine penetrante Ökotante halten, die sich nicht mehr die Haare wäscht, um Wasser zu sparen und nur noch von heruntergefallenem Obst lebt.

Wie lange habe ich mit der Entscheidung gerungen, meinen eigenen Blog zu veröffentlichen, nur weil ich Angst vor den Reaktionen hatte; dass mich Bekannte und Freunde auslachen könnten und keiner mich mehr ernst nimmt.

Wie oft habe ich über Artikeln gebrütet und mich gefragt, ob ich das jetzt so schreiben kann und ob ich mit meiner darin vertretenen Meinung auch keinem auf den Schlips oder den Rocksaum trete. Aber je öfter ich Dinge einfach frei ausgesprochen und mit anderen geteilt habe, was ich denke und mich auch mal abseits der gesellschaftlichen Gürtellinie positioniert habe, desto mehr merkte ich, wie gut das tun kann. Wie gut es im Endeffekt sogar tut, seinen verbalen Keuschheitsgürtel abzulegen und einfach mal frei heraus zu sagen, was man denkt. Einfach mal die Worte wogen, die Sätze fließen und die Gedanken fliegen lassen – ohne fremdgemachte Beschränkungen, dafür mit ganz viel eigener Überzeugung und Stärke.

Ich habe gemerkt, wie es mich selbst befreit hat, endlich „ehrlich“ sein zu können - mit mir selbst und mit allen anderen. Und statt der gefürchteten Ablehnung habe ich ganz viel positive Rückmeldung und ehrliches Interesse zu spüren bekommen. Mein Alltag wurde an der ein oder anderen Stelle leichter, obwohl oder gerade deshalb weil ich angefangen habe, Verantwortung für mich, meine Meinung und mein Leben zu übernehmen. Ich habe begonnen, in mich hinein zu horchen, auf meine innere Stimme zu hören, auf mein Bauchgefühl, das komischer Weise auch nur „Hell yeah“ und „Hell no“ kennt – und das nicht nur in Sachen vergammelt- nicht vergammelt.

Das alles heißt aber nicht, dass ich vollkommen aufgehört habe, mich um die Meinung anderer zu scheren. Ich versuche sie nur mittlerweile anders wahrzunehmen. Sie ist für mich nicht mehr die direkte Bewertung meiner Taten und Ansichten.

Sie ist für mich nicht mehr die Instanz, die mir entweder einen Heiligenschein oder Teufelshörner verpasst.

Sie ist für mich nicht mehr die Institution, die meine Meinung dem Erdboden gleichmacht oder sie in himmlische Sphären erhebt.

Die Ansichten anderer sind vielmehr Inspirations- und Reflektionspunkt in meinem Leben geworden, sie regen mich zum Nachdenken an, geben mir die Möglichkeit eine andere Perspektive auf meinen eigenen Standpunkt einzunehmen – aber sie sind für mich nicht mehr richtungsweisendes Normativ – Jedenfalls ist das meistens so, ich gebe aber auch offen zu, dass auch ich mich noch nicht vollkommen frei machen kann von Haltungen oder Erwartungen anderer. Auch ich habe noch Momente, in denen ich in alte Muster zurückfalle, einerseits, weil es vielleicht zunächst einfacher erscheint, als sich selbst eine Meinung zu bilden, andererseits, weil ich manchmal immer noch Angst vor Ablehnung habe. Ich glaube jedoch, dass das „normal“ ist, dass man sich nicht von Jetzt auf Heute vollkommen ändern kann, dass Denkstrukturen, die man von Kindheit an anerzogen bekommen hat, mit einer kleinen Bewusstseinsveränderung nicht direkt vergessen sind. Es ist wie alles, was man lernen muss, ein langer Prozess, aber einer, der mich sehr glücklich macht und auch weiterhin noch glücklich machen wird, denn alte Befürchtungen zu verlieren bedeutet immer auch neue Freiheiten zu gewinnen … Also: Habt keine Angst vor eurer eigenen Meinung und vor allem nicht vor der Meinung anderer!

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