Eine feste, romantische Beziehung haben – für viele ein Lifegoal. Auf Instagram begegnen uns täglich kitschig-süße Pärchenbilder mit den Hashtags #couplegoals, #loveofmylife oder #lovestory. Wir sehen zwei glückliche Menschen vor einem Sonnenuntergang, am besten noch am Strand oder in einer gewagt-sportlichen Übung, halb ineinander verknotet aber gleichzeitig mit innigem Augenkontakt. „Wie funktioniert das?“, fragen wir uns insbesondere bei letzteren Fotos, während all diese Aufnahmen uns gleichzeitig unterbewusst suggerieren, dass so die perfekte Beziehung aussieht bzw. sogar aussehen muss. Und das tun sie, ärgerlicherweise, obwohl wir alle wissen, dass der betreffende Post eine inszenierte „Momentaufnahme ist, die mindestens 50 Anläufe und ganz viel Zeit gekostet haben wird.
Ich will an dieser Stelle weder die Pärchen verurteilen, die solche Bilder posten, noch die Menschen, die sich diese Bilder anschauen und vielleicht einen kleinen Anflug von Neid empfinden. Vielmehr geht es mir darum, mal darüber nachzudenken, was wirklich eine gute Beziehung fernab von vermeintlicher Instagramabillty ausmacht. Für mein Verständnis ist das besonders eine Sache: Sich nicht selbst zu verlieren.
Dies geht jedoch schneller, als man manchmal denkt: Ich (und so geht es wahrschlich noch einigen anderen) habe mich nämlich lange Zeit einem gefährlichen Trugschluss hingegeben, der mich mit dem linkischen Versprechen lockte, dass eine Beziehung und die damit verbundene Liebe all meine Probleme lösen, meine Wunden heilen und meine Selbstakzeptanz stärken würde. Dies funktioniere, nach meiner damaligen Ansicht, vor allem dadurch, dass man nicht mehr alles „allein“ durchstehen und vor allem generell nicht mehr allein sein müsse. Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, sehe ich darin einen Versuch, Eigenverantwortung und Zuständigkeiten für mein Leben abzugeben.
Trotzdem sollte man sich nicht für eine solche Denkweise verurteilen, denn das ist genau das, was uns die Medien ständig vorsetzen: Disney und Co. vermitteln uns doch allzu gerne genau jene Vorstellung, in der Partner zu einer entindiviualisierten Einheit verschmelzen. Auch der Mythos der Seelenheilung durch Liebe flimmert immer mal wieder über den Bildschirm und das romantisch-verzerrte Endboss-Pärchen-Level bildet die vollkommene Fusion der Charaktere in einer Beziehung. Letzteres, eher fragliches „Symbiose-Stadium“ geht in diesem Weltbild u. a. mit Symptomen einher, die vollkommen fernab der Realität sind. Wir sehen Pärchen, die gegenseitig ihre Sätze beenden, immer nur im Partnerlook auftreten, im Restaurant stets die Hälfte ihres Gerichtes essen und dann tauschen sowie sich am Ende eines Tages im gleichen Schlafanzugmodell synchron zur Nacht betten. Bitte auch nicht den platonisch-anmutenden Gute-Nacht-Kuss vergessen, der an dieser Stelle den Eindruck der romantischen Perfektion abrunden soll.
Ist das leichter Würgereiz oder ein ersticktes Lachen, was ich da in meinem hinteren Rachenraum spüre? Mir kommt diese Zwangssymbiose nämlich mittlerweile weder erstrebenswert noch positiv-kitschig vor, sondern einfach nur ungesund.
In meinen vergangenen Beziehungen habe ich nämlich gelernt, dass trotz einer „festen“ Bindung an eine bestimmte Person man selbst stets der wichtigste Mensch in seinem Leben sein sollte. Ist dem nämlich nicht so, läuft man schnell Gefahr, sich verbiegen und manipulieren zu lassen. Meist merkt man dies aber erst, wenn die Beziehung zu Bruch geht, denn dann steht man da und weiß nicht mehr, wer man ist. Man fühlt sich nicht nur verletzt, sondern vollkommen verloren und steht vor einem Nichts, das erst einmal wieder mit Inhalt gefüllt werden muss.
D. h. im Umkehrschluss aber nicht, dass das Ende einer „gesunden“ Partnerschaft, in der das eigene Selbst nicht vollkommen aufgegangen ist, weniger verletzend ist. Jedoch ist es nicht so, als würde einem der Boden unter den Füßen weggerissen, denn man hat etwas, an dem man sich festhalten kann: Sich selbst und damit die Gewissheit, dass man mehr ist als jene dualistische Einheit.
Ein solches Bewusstsein zu erreichen, ist nicht immer leicht. Werden wir doch von den Medien nicht nur tagtäglich dazu verführt, an ein totales Symbioseideal zu glauben, sondern gleichzeitig auch noch dazu, einen klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Partnerschaft und persönlichem Glücklichsein herzustellen. Viel zu oft werden wir in diesem Kontext mit Sätzen konfrontiert wie „Mein Partner macht mich zum glücklichsten Menschen der Welt“ oder „Meine Freundin ist mein Glück.“ Doch schaut man genauer hin, werden diese Komplimente eher zweifelhaft, denn ist es nicht recht naiv, sein eigenes Glück und Glücklichsein abhängig von einem anderen Menschen als sich selbst zu machen? Und ist es nicht fast schon anmaßend, seinem Partner oder seiner Partnerin - selbst in dieser indirekten Form – die Verantwortung für sein eigenes Wohlbefinden und die persönliche Zufriedenheit aufzubürden?
Ich glaube, die Antwort erübrigt sich. Es ist nun mal unser privat-persönlicher Job, dafür zu sorgen, glücklich zu sein. Auf den ein oder anderen mag das jetzt ernüchternd wirken, aber es ist nun mal so – das können wir auf keine andere Person abwälzen. Dies heißt aber nicht, dass Beziehungen nicht zu unserem Glück beitragen können. Jedoch möchte ich dies ganz klar davon trennen, eine Partnerschaft zur Basis des eigenen Lebensglücks zu machen. Als Lifegoal ist eine feste Beziehung somit eher fragwürdig.
Nichtsdestotrotz ist es schön, einen festen Freund oder eine feste Freundin an seiner Seite zu haben. Er oder sie ist zwar nicht dafür verantwortlich, dass wir Dinge machen, die uns Freude bringen, dass wir uns eine Auszeit nehmen, die unser Körper braucht oder dass wir mit unserer Lebensgestaltung zufrieden sind, jedoch können sie uns darin unterstützten.
Deshalb sollten wir eine Partnerschaft nicht als All-Inclusive-Happiness-Paket sehen, sondern unseren Freund oder unsere Freundin eher als jemanden betrachten, der uns auf der Marathonstrecke unseres Lebens ein Getränk anreicht, damit wir nicht dehydrieren, der uns anfeuert, wenn wir aufgeben wollen, der uns Elektrolyte einflößt, wenn einfach alles nur zum Kotzen ist. Ein Partner oder Partnerin nimmt uns nicht Huckepack und trägt uns ins Ziel. Hierbei wäre das Risiko auch viel zu groß, dass wir von unserer Strecke abkommen und irgendwo landen, wo wir gar nicht hinwollen. Jedoch sorgt eine gesunde Beziehung dafür, dass wir gestärkt unseren Weg gehen können und trotzdem ein Gefühl der Verbundenheit spüren dürfen, welches uns die Gewissheit gibt, dass wir nicht vollkommen allein auf diesem Weg sind.
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