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AutorenbildJacqueline

#nähkastchen: Gedankenwandern

Heute will ich einfach nur weg. Weg aus meinen eigenen vier Wänden, die ich im letzten halben Jahr sehr liebgewonnen habe. Der Blick aus meinem Fenster reicht mir nicht, er wird gebremst von der Häuserwand des Innenhofs. Wenn ich die gewohnten Straßen entlang gehe, kommt mir alles so eng vor. Dicht bebaut drängt sich ein Haus an das andere und der Blick auf den Dom durch die Querstraße ist mir derzeit nur ein schwacher Trost.

Auch den Sonnenschein und die sommerlichen Temperaturen kann ich heute nicht genießen, sie erdrücken mich vielmehr und erscheinen mir hämisch, als grinse mir die Sonne voll Hohn ins Gesicht. Ich will raus, ich will weg, ich will woanders hin. Und nicht irgendwo anders hin, sondern mir schwebt ein Ort vor, der mir viel vertrauter ist als meine neue Kölner Heimat. Ein Ort, den ich von Kindesbeinen an kenne. Der mir auch heute noch so schön erscheint wie ich ihn mit fünf oder sechs Jahren wahrgenommen habe.

Die Ostsee oder vielmehr Kellenhusen, die kleine Stadt in der Lübecker Bucht, die ich fast jedes Jahr meines Lebens besucht habe. Dort, wo ich mich auch heute noch am meisten zuhause fühle, vielleicht auch das erste Mal das Gefühl von Zuhause richtig gespürt habe. Dort will ich hin. Denn wenn ich dort bin, dringt die salzige Seeluft bis in mein Herz vor und reinigt meine Seele. Der Wind trägt meine Sorgen fort und ich kann einfach nur sein.

Was ist das immer für ein tolles Gefühl, wenn man nach fünf Stunden Fahrt am ersten Tag aus dem Auto steigt und einen der kleine Ort begrüßt wie ein alter Freund. Kaum etwas hat sich verändert. Die klare Luft umarmt einen stets mit ihrer salzigen Herzlichkeit und dem Versprechen „Auch dieses Jahr wirst du wieder genau das finden, was du suchst“. In diesem Moment fühle ich stets ein seltsames Gefühl der Dankbarkeit, dass sich hier am Meer, an dem eigentlich die Gezeiten herrschen und der Wandel durch Ebbe und Flut, Wind und Wasser allgegenwärtig ist, doch ein Ort befindet, der mir beständigen Trost und stete Zuversicht schenkt. Ein Zuhause, das ich niemals loslassen mag und das mich ebenfalls nicht loslässt.

Der erste Gang, nachdem man die Koffer schnell in der Ferienwohnung verstaut hat, ist immer der zum Strand. Ein paar Meter noch geht man durch Häuserreihen, aber man sieht schon den Deich und hinter dem Deich liegt das, was man ersehnt: Das Meer, welches bei Sonnenschein kaum zu sehen und nur als glänzende Flut, als Spiegel aus Licht zu erahnen ist. Doch man hört es, wie sich die Wellen am Strand brechen. Man riecht die einzigartige Mischung aus Salz und einer leicht bitteren Note von denen sich am Strand sammelnden Algen und der Tatsache, wie sehr man diesen Ort vermisst hat. Dazu kommt noch der süße Duft von Crêpes, der überall auf der Promenade verkauft wird und einem das Herz öffnet. In diesem Moment tauche ich sodann ein, ein in eine Woche, in der ich wieder Kind bin – unbeschwert, fröhlich und frei. Keine Negativität kann sich hier festsetzen, kein schlechter Traum sich halten, die Meeresbrise weht alles davon und Sand und Sonne lösen auch fest verhaftete Probleme von der Seele.

Hat man dann die Promenade erreicht, den schillernden Anblick des Meeres genossen, heißt es, sich um das körperliche Wohl sorgen. Der nächste Weg führt zum Lieblingscafé direkt um die Ecke. Bei heißer Schokolade (gerne mit Schuss) und einem der oben erwähnten Crêpes oder einer Schale Milchreis ist das Glück dann perfekt. Es mag noch so kalt an diesem Tag sein, der Wind mag noch so scharf wehen, aber in meinem Inneren ist es dann warm, denn das Gefühl des Angekommenseins breitet sich aus und lässt alles Belastende schmelzen. Ich schaue dann aufs Meer und bin glücklich, bin glücklich hier zu sein, zu leben, zu atmen, zu sehen, zu fühlen. Einfach hier zu sein im Moment, das salzige Meer dort vorne und den süßen Kakao genau vor mir. Ich löffle die Sahne von meinen Heißgetränk und lehne mich zurück. Hier will ich bleiben und hier will ich an diesem Sonntag eigentlich auch sein.

Warum ich euch das erzähle, fragt ihr euch vielleicht. Warum ich davon träume, woanders zu sein, wo ich aber gerade nicht hinkann. Genau eben aus diesem Grund, es gibt gerade keine Möglichkeit der Realität zu entkommen, es gibt keinen Ort, an dem gerade nicht passiert, was vor unser aller Haustüren passiert. Darum träume ich mich fort an diesen Ort, damit ich mich morgen nicht mehr so erdrückt von den Wänden und den engen Straßen fühle, damit ich aus dem Fenster gucken und vielleicht ein bisschen Ostseegefühl auch hier entdecken kann. Mit ganz viel Fantasie liegt hinter der nächsten Häuserreihe der Strand, meine geliebte Ostsee und ein bisschen sorgenlose Freiheit.

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