Es fängt an mit einem leichten Ziehen, als wären kleine, niedliche Gewichte an feinen Schnüren an Gebärmutter und unterem Rücken befestigt worden. Wie als hätte man einfach nur dafür sorgen wollen, dass beim nächsten Windstoß mein Unterleib nicht einfach wegfliegt. Vorm geistigen Augen malt sich also ein noch harmloses Bild, das vielleicht dem Anblick einer alten Standuhr ähnelt, die noch aufgezogen werden muss und in deren Inneren sich – für Laien unerklärbare und dafür umso magischer anmutende – Mechanik befindet, die mithilfe von Gewichten und Pendeln funktioniert. Und ähnlich unaufhörlich und unaufhaltsam wie das Ticken einer solchen Uhr und die Bewegung der Zeiger auf die 12 zu, nähert sich auch mit dem Ziehen in meinem Unterleib etwas an, das man nicht aufhalten kann. Etwas, das aber theoretisch aufgehalten werden sollte, ich spreche nämlich hier vom Beginn meiner Periode bzw. von den Anzeichen, dass ich sie bekomme - trotz Langzeitzyklus.
In meinen vorigen Blogartikeln zu dem Thema Endometriose habe ich immer schon angerissen gehabt, dass ich nach der OP zusätzlich mithilfe eines Langzeitzyklus‘ behandelt werde. D. h. schlicht und einfach, dass ich meine Pille bzw. momentan meinen Verhütungsring durchnehme bzw. direkt nach drei Wochen wechsele und das eben ohne Pause. Das sorgt im Idealfall dafür, dass weniger Gebärmutterschleimhaut – wo auch immer sie sich in meinem Körper befindet – gebildet wird und ich zusätzlich dem monatlichen Regelschmerz für 18 Wochen entgehe. Klingt in der Theorie wirklich nach einem tollen Konzept, nach einem Plan, der aufgehen könnte, wenn … ja, wenn da nicht mein Körper wäre. Der ist da nämlich ziemlich zwiegespalten: Die ersten Monate ist er tatsächlich relativ zufrieden mit der Gesamtsituation, doch spätestens bei der Hälfte der „regelfreien“ Zeit zweifelt er plötzlich an seinem biologischen Nutzen und muss dann doch mal wieder ausprobieren, ob da denn noch alles so schlecht funktioniert wie vorher. Mit dem Resultat, dass er anfängt, unsichtbare Gewichte mit kleinen, spitzen Haken an meiner Gebärmutter- und Rückenmuskulatur zu befestigen und mich gleichzeitig in ein total emotionales Chaos stürzt. Denn neben den Schmerzen, die meinem Unterleib nicht genug sind, um meine volle Aufmerksamkeit zu kriegen, schickt mir mein Hormonzentrum, in dem ja eh immer irgendwie terroristischer Ausnahmezustand herrscht, auch noch psychische PMS-Symptome.
Hell yeah, es gnade allen um mich herum Gott oder wer auch immer sich für Frauen vor der Regelblutung verantwortlich fühlt – Irgendwelche antiken Göttinnen da am Start? Menstruella? Periodessa? Oder wenigstens die Tante, die dann immer zu Besuch kommt? PMS, oder auch das prämenstruelle Syndrom, ist nämlich eine Erscheinung, die neben meinen oben beschriebenen körperlichen Beschwerden auch Stimmungsschwankungen und eine erhöhte Reizbarkeit mit sich bringen kann. Übrigens bin ich da nicht die einzige und es ist auch kein „Problem“, das nur mit Endo zu tun hat, sondern kann alle Frauen betreffen. So fühlen sich nach meinen Recherchen sogar 20 bis 40 Prozent der Frauen durch PMS, die vier bis vierzehn Tage vor der eigentlichen Periode einsetzt, im Alltag beeinträchtigt. Das kann ich nur unterschreiben, denn, wenn ich merke, mein Körper hat keinen Bock mehr, dem Hormondiktator zu folgen, bin auch ich immer sehr nah am Wasser gebaut – und nicht nur, weil ich jetzt in Köln und damit am Rhein wohne. Ich könnte nämlich in der Zeit vorm Einsetzen meiner Periode mit meinem Tränenreichtum und meiner allgemeinen Sensibilität perfekt für irgendein Trash-TV-Format drehen und da die Rolle der Heulsuse mit Bravour belegen. Tränen können in dieser Situation nämlich schnell zur besten und auch gleichzeitig einzig möglichen Reaktion für alles werden:
Ich habe Hunger und muss auf mein Essen warten – tot traurig, Tränenpegel steigt.
Mein Bus kommt nicht, obwohl ich doch nach Hause will – Weltuntergang (noch schlimmer als Herpes in dem Moment), Tränenpegel kurz vorm Überlaufen.
Ich stoße ein Wasserglas um – doppelte Sintflut, Hochwassergefahr, Tränenpegel hat Höchststand erreicht, läuft über.
Ich glaube, mehr Beispiele muss ich nicht bringen, ihr habt’s verstanden.
Aber nicht nur, dass an meiner Gebärmutter gefühlt Gewichte hängen wie an Angela Merkels Mundwinkeln und ich einfach mal emotional etwas neben der Spur bin (um es nett auszudrücken), nein, man sieht mir auch noch an, dass ich meine Tage bekomme. Ich bin nämlich stolze Besitzerin eines s. g. „Endo-Bellys“, der lange nicht als Symptom dieser Krankheit anerkannt worden ist, obwohl viele Endo-Patientinnen unter dieser Form des Blähbauchs leiden. Entweder rührt nämlich ein Endo-Belly daher, dass eben zu der Zeit vor der Periode auch die Endometriose-Herde außerhalb der Gebärmutter aktiviert werden und dadurch eine Schwellung entsteht. Oder der Hormonumschwung sorgt dafür, dass innerhalb des unteren Verdauungstraktes die Bakterien anfangen eine Party zu feiern und mehr Gase als sonst ausstoßen. Generell sind übrigens Verdauungstrakt und Hormonsystem eng miteinander verbunden, sodass zusätzliche Hormone oftmals auch zu Verdauungsbeschwerden führen können. Eine Form davon zeigt sich eben im Endo-Belly, der ironischer Weise an einen Schwangerschaftsbauch erinnert, obwohl man seine Tage kriegt oder hat. Bei mir erreicht er „nur“ die Größe von einem Drei-Monats-Bauch, aber in vielerlei Fällen kann ein Endo-Belly auch so groß werden, dass er an einen Schwangerschaftsbauch im sechsten Monat erinnert. Da kann ich mich also wirklich noch glücklich schätzen, dass sich das bei mir in den Grenzen des „Kaschierbaren“ hält. Aber dementsprechend trage natürlich auch ich vor und während der Periode noch öfter Kleider und Röcke als sonst und verliere oftmals auch die Kontrolle über mein Leben, wie es Karl Lagerfeld diagnostiziert hätte, weil ich meine Yogahosen in der Öffentlichkeit trage. Sorry Karl, aber ein Endo-Belly will, was ein Endo-Belly eben will - und das ist nunmal Platz, viel Platz!
Endometriose ist und bleibt eben erstmal unheilbar, auch die medizinischen Therapien geraten hier an gewisse Grenzen, die vor allem die natürlichen Körperprozesse angehen. Trotzdem bin ich dankbar dafür (Dank sei Menstruella!), dass ich wenigstens durchschnittliche drei Monate lang ohne Regelschmerzen und ohne unangemessene Gefühlsausbrüche mit flachem Bauch leben kann. Und dass mein Körper ein bisschen wie ein kleines Kind ist, das nach einer gewissen Zeit Verbot, sich gegen jenes trotzig nach dem Motto „Jetzt mach‘ ich’s trotzdem“ auflehnt, ist doch irgendwie sympathisch – und deshalb kann ich ihm auch nicht böse sein, ich bin nämlich manchmal genauso!
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