Weil mich noch nie jemand gefragt hat: „Hey Jacqui, wie ist eigentlich das Leben in einer Hinterhauswohnung in der Stadt?“, möchte ich euch heute Rede und Antwort stehen. Ich weiß, dieser Blogbeitrag ist sehnlichst nicht erwartet, aber er kommt heute genau deshalb.
Ich lebe – wie viel von euch wissen – bereits viele Jahre allein und habe auch sehr oft, meine Wohnung gewechselt; zum Teil auch innerhalb einer Stadt. Und irgendwie kam es immer dazu, dass ich bisher in einer Heimstätte in einem Hinterhaus mit Blick zum Innenhof gelandet bin. Man könnte es als Schicksal bezeichnen, damit ich euch heute endlich erzählen kann, was ich am Wohnen unter jenen Umständen so unglaublich liebe.
Zum ersten ist da dieses wunderbare Wir-Gefühl, dass meine Nachbar*innen und ich einfach teilen. Der Hinterhof, zu dem unseren Wohneinheiten alle angrenzen, ist ein Ort, an dem wir am Leben der anderen teilhaben können. So habe ich manchmal das Gefühl, morgens mit meiner Nachbarin zusammen im Bad zu stehen und ihr zuschauen zu dürfen, wie sie sich die Haare föhnt. Außerdem hat ein Pärchen in unserer Hinterhofgemeinschaft seit kurzem ein Baby, dessen zartes Stimmchen an den umliegenden Wänden widerhallt und bis zu mir in mein Schlafzimmer getragen wird. Was dazu führt, dass ich diesem Kind beinahe beim Aufwachsen zusehen kann und mitterleben darf, wie es Koliken hat oder zahnt. Das rührt mich doch in manchen Momenten zu Tränen.
Darüber hinaus schätze ich es sehr, dass auch wenn wir zumeist nicht in persönlichem Austausch stehen, ich oftmals weiß, was meine Nachbar*innen beschäftigt. Vor allem wenn sie auf ihren Balkonen oder Terrassen ihre Telefongespräche führen – teilweise bis in die Nacht hinein, sodass ich weiß, was gerade bei ihnen so los ist im Leben. Einen Podcast zum Einschlafen anzumachen, ist demnach an manchen Tagen obsolet geworden, kann ich doch einfach Geschichten aus dem echten Leben lauschen. Aber nicht immer ist es passive Teilhabe, die mir von meiner Nachbarschaft geschenkt wird. In Köln lebte ich in einem Mehrfamilienhaus mit einer sehr charmanten Dame, welche es liebte, betrunken auf ihrem Balkon im Hinterhof zu sitzen und tiefsinnige Ratschläge – insbesondere den jungen Frauen – im Haus mit auf den Weg zu geben. Immer wieder sah sie sich dazu berufen, mich darauf hinzuweisen, dass ich doch dringend mal wieder Geschlechtsverkehr bräuchte. Einfach aus dem Nichts hat sie sich demnach um meine körperlichen Bedürfnisse gekümmert und diese auch ernst genommen. Ich war darüber so glücklich, dass ich direkt noch mehr Menschen eingeladen habe, um von diesen Ratschlägen zu profitieren – und wer könnte diese besser gebrauchen als das Ordnungsamt.
Ebenfalls unglaublich bereichernd ist auch der kulturelle Austausch – speziell was Musik angeht. Meine Nachbar*Innen führen mich an Musikgenres heran, die ich sonst nie gehört hätte. Sie erweitern meinen Horizont z. T. bis in die Nacht hinein und lassen mich zu den wunderbarsten Klängen außerhalb meiner musikalischen Comfortzone einschlafen. Das nenne ich Abhärtung für den nächsten Festivalbesuch.
Allem in allem kann man sich dieser Hinterhof-Community nicht entziehen oder nicht daran teilhaben (wollen). Der Irrglaube von Anonymität in der Stadt wird mithilfe dieser Lebenssituation mehr als revidiert. Es ist fast schon wie bei Big- Brother, wenn alle Fenster der eigenen Wohnung in den Innenhof zeigen und man stets von Fremden beobachtet wird. Einige würden sich dafür ein Bein ausreißen, um an jener Show teilnehmen zu dürfen und ich habe das einfach im Mietvertrag inklusive – ich könnte echt nicht glücklicher sein.
Hachja, Hinterhöfe sind schon was ganz Besonderes und haben einen Platz in meinem Herzen, der nun mit Erfahrungen zum Bersten gefüllt ist. Infolgedessen habe ich in Bezug auf meine nächste Wohnung beschlossen, dem Charme der Hinterhof-Romantik abzuschwören, damit jene ganzen Erlebnisse der letzten Jahre möglichst einzigartig bleiben.
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