#nähkästchen: Datingwahnsinn im Netz
- Jacqueline
- vor 7 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Ich kann gar nicht anders, ich bekenne mich schuldig und nehme damit ganz die Schuld auf mich, wenn es darum geht, Dating-Apps zu benutzen. Ich gebe mich ganz bewusst der Misere hin, die mir dort begegnet – als Frau Anfang 30, welche noch grundlegende Ansprüche besitzt. Aber trotzdem kann ich nicht anders, als mich dann doch mit den drei folgenden Argumenten rechtfertigen zu wollen: 1. Ich arbeite größtenteils im Home-Office, wo soll ich also im Real-Life Männer kennenlernen? 2. Ich bin nicht der Typ, der jedes Wochenende oder auch nur jeden zweiten Freitag oder Samstag das Haus verlässt, um in Clubs und Bars auf die „Jagd“ zu gehen. 3. Alle meine Freund*Innen haben mich zu lieb, um mir die männlichen Singles aus ihrem Freundeskreis vorzustellen. Sie wollen mir das nicht antun.
Also bleibt mir eigentlich nichts anderes übrig, als mich durch die Profile von Männern im Internet zu swipen und darauf zu hoffen, dass ich doch eine der wenigen bin, die am Ende mit vollster Überzeugung singen können „I found love in a hopeless place“. Doch jeden Tag schwindet ein bisschen diese Hoffnung, wenn ich wieder mindestens zehn Männern in ihre Nasenlöcher schauen durfte, weil sie der Meinung sind, dass ein Kamerawinkel von unten ihre Vorzüge am besten zur Geltung bringe. Ich kann nicht in Abrede stellen, dass diese Personen tief blicken lassen, aber trotzdem bin ich zu wenig Hobby-HNO-Ärztin, als dass ich das zu schätzen wüsste.

Ähnlich wenig können mich auch die Herren von sich überzeugen, welche am liebsten in Badezimmern posieren – vor allem, wenn man zu 89 Prozent davon ausgehen kann, dass es sich hierbei noch niemals um die heimische Badstube handelt, sondern um eine öffentliche. Da kann ich nur sagen: „Brudi, ich schätze deine Spontanität, was Fotografie angeht. Ich schätze auch deine Offenheit, dich in deinem „Natural Habitat“ zu zeigen, aber am Ende bin ich nicht der Typ Frau, welcher ebenfalls den inneren Drang auf einer Raststättentoilette verspürt, ein Selfie für Tinder zu machen. Passt also leider nicht zwischen uns. Schade aber auch.“
Ebenfalls können mich auch Fotos mit wilden Tieren wie Tigern oder frisch gefangenen Fischen nicht wirklich beeindrucken. Sorry, aber im Gegensatz zu diesem dicken Heilbutt hast du mich mit solchen Bildern nicht an der Angel und auch dein Tigertatzikatzi möchte ich nicht werden – du scheinst ja auch dahingehend, versorgt zu sein. Und auch wenn du mit irgendwelchen Kindern auf deinem Online-Profil posierst, sehe ich das eher als Grund, Amnesty International einzuschalten, als dass ich denke: „Oh süß, ein Familienmensch!“. Und: Kurze Frage an die Eltern dieser Kinder, welche als Nichten, Neffen und Patenkinder auf Datingportalen deklariert werden: „Wisst ihr, dass Bilder eurer Kinder dort als nettes Accessoire veröffentlicht wurden? Und wenn ja, was stimmt mit euch nicht?“.
Aber nicht nur Kinder und Tiere erscheinen mir regelmäßig beim Swipen nach meinem Traummann, auch die Freunde oder die Exfreundinnen finden einen Platz auf den jeweiligen Datingprofilen. Während die verflossene Liebe hinter seltsamen Stickern und mit mangelhaften Photoshop-Kenntnissen rudimentär weg retuschiert wurde, posiert man(n) selbstbewusst mit den Freunden am Strand von Mallorca, scheinbar in der Zeit als Eimersaufen noch legal war. Und wenn ich dann auf so ein Profil mit so einem Foto stoße, habe ich kurz die Hoffnung, ich könne mir einen aussuchen – der z.B. vorne ganz rechts würde mir gefallen. Die Enttäuschung folgt dann aber spätestens mit dem dritten Bild, auf dem dann nur noch eine Einzelperson zu sehen ist – mit einem Fisch oder einem fremden Kind und dem sympathischen Bio-Text: „Wer matcht, muss auch schreiben!“. Also ich muss gar nichts, Brudi! Und außerdem hast du alles dafür getan, damit du von mir nicht enttäuscht wirst. Ohne Match muss ich dir auch nicht schreiben.
Achja, und das sind nur einige Beispiel der Dating-Profil-Fails, mit denen ich immer wieder konfrontiert werde, wenn ich eine dieser Apps öffne. Manchmal schließe ich sie dann auch sofort wieder, weil ein Heiratswilliger die Kamera viel zu nah an sein Gesicht gehalten hat und ich mich von einem Foto bereits in meinem persönlichen Nähe-Distanz-Empfinden nicht respektiert fühle oder weil mir einfach wieder direkt ein nackter Mann unter den Daumen gerät, der nur mit einer – hoffentlich frischen – Boxershorts bekleidet vor seinem Schlafzimmerspiegel posiert. Habe ich diese Person dann nach links geswipet, schließe ich das Erlebnis „Dating-Apps“ erstmal mit einer gründlichen Handwasch-Session im Bad ohne Selfie.
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