Wieder einmal ist ein Jahr vergangen. Die Erde hat sich einmal um die Sonne gedreht und mein Magen einmal um sich selbst, da ich jetzt sagen muss: „Ich bin Ende 20“. 365 Tage sind nun seit meinem letzten „No-Birthday-Birthday“ vergangen und heute fühle ich mich seit vielen Jahren bereit, das erste Mal wieder Geburtstag zu feiern. Heute ist der Tag, an dem ich zelebriere, ein weiteres Corona-Jahr mit all seinen Tiefen überlebt zu haben und gleichzeitig feiere ich all die guten Dinge, die das letzte Jahr im Gepäck für mich hatte.
Heute, vor genau einem Jahr, plagten mich nämlich noch so viele Fragen. Meine Zukunft war ungewiss. Ich war gerade wieder nach Aachen gezogen, in acht Tagen sollte mein neuer Job an der Uni beginnen und all meine ehemaligen Kontakte in der neuen alten Heimat waren längst weggezogen. Nun, 365 Tage später, atme ich erleichtert auf. Ich habe das Gefühl, einen Platz in dieser Welt für mich gefunden zu haben, vielleicht sogar eine Bestimmung – jedenfalls für die nächsten Jahre. Ich werde promovieren, ich habe mein Nerdtum zum Beruf gemacht und blicke einigen tollen Chancen und Ereignissen in den nächsten Monaten entgegen, von denen ich niemals gedacht hätte, dass das Leben sie mir schenken würde. Ich fühle mich angekommen. So richtig. Ich stehe nicht mehr am Bahnhof des Lebens und warte auf den nächsten Zug, sondern habe mein Ziel erreicht. Für jetzt, für die kommende Zeit und was dann werden wird, wird an den nächsten Geburtstagen mehr und mehr Gestalt annehmen.
Dennoch war das letzte Jahr nicht nur Sonnenschein. Es war wechselhaft wie der heutige Tag. Ich zähle bei meinem Rückblick einige Kartoffeltage und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, muss ich das sogar in „Kartoffelmonate“ korrigieren. Letztes Jahr ging es mir an manchmal wirklich mies. Es gab Stunden, in denen mich meine innere Dunkelheit zu überrennen und den Horizont zu verschlingen drohte. Ich denke, einigen von euch da draußen wird es ähnlich gegangen sein, sind wir doch alle Menschen und keine emotionslosen Wesen, die einfach nur in den Himmel starren oder hochkomplizierte Rechenaufgaben lösen. Trotzdem kann ich heute an diesem Tag mit einem gewissen Stolz sagen, dass ich diese Tage hinter mir gelassen habe und momentan wieder mehr Sonne im Herzen trage als die Wetterkarte von Aachen. (Ich gebe zu, im Gegensatz zu anderen Städten ist das wohl auch nicht soooo schwer!)
Nichtsdestotrotz verdienen auch meine kartoffeligsten, kohlenhydratreichsten Tagen des letzten Jahresihre Aufmerksamkeit, verdanke ich ihnen doch mehr, als ich damals sehen konnte. In diesen Stunden habe ich nicht nur mehr zu mir, sondern auch Freunde gefunden, die mich insbesondere seit August 2021 begleiten. Die Kartoffelpflanze wächst nunmal nicht nur unter der Erde, sondern hat auch einen Teil, der das Licht jeden Tag in sich aufsagt. Und genau dieser Teil waren die Menschen, die ich letztes Jahr kennenlernen und in mein Herz schließen durfte. Viele schöne Momente verbinde ich mit diesen Personen, ob es nun Kinobesuche, Glühweinabende, Deeptalks oder bloß ein Bier mit am Elisenbrunnen waren, ich danke euch für all das und hoffe auf Wiederholung! (Übrigens: Wer sich angesprochen jetz gerade angesprochen fühlt, ist es wohl auch!)
Ansonsten hat mich das letzte Jahr auch einiges neu ausprobieren und lernen lassen. Eine der wichtigstens Lektionen, die mich in mancher Hinsicht auch überfordert hat, war die der zweiten Chancen. In mancher Hinsicht tue ich mich diesbezüglich etwas schwer, denn wenn ich einmal dabei bin einen Schlussstrich zu ziehen oder einen Punkt hinter eine Geschicht zu setzen, dann befiehlt mir mein Selbstschutz zumeist, das Radiergummi vollkommen zu meiden. Doch durfte ich dieses Jahr lernen, dass es sich auch mal lohnt, vernünftig unvernünftig zu sein und das Gehirn und die logischen Schutzwälle bis zu einem gewissen Grad auszuschalten und stattdessen auf sein Herz zu hören. Denn nicht jede zwischenmenschliche Beziehung ist in der Mikrowelle aufgewärmter kalter Kaffee, wenn man sie einmal aufgegeben hat, manche sind auch ein solider Eintopf, der ein zweites Mal erhitzt umso besser schmeckt. (Hätte ich bei diesem Blogbeitrag eine Kitsch-Warnung voranstellen müssen oder seid ihr selbst schuld, wenn ihr bis hierhin noch drangeblieben seid?)
Das letzte Jahr war demnach geprägt von gewissen Aufs und Abs und ich denke, dass auch noch viele Jahre dieser Art folgen werden. Manchmal bezweifle ich sogar, dass sich das jemals ändert. Was sich aber ändern kann, da bin ich mir sicher, ist speziell die Tiefe von Abs. Und ich glaube, da bin ich mittlerweile auf einem Stand angekommen, der diese nicht mehr zum Mariannengraben werden lässt, sondern bloß noch zum Bodensee. Die Abs bleiben Abs, aber trotzdem habe ich nicht mehr das Gefühl, so bald wieder in ihren Tiefen einem metaphorischen, grinsenden Anglerfisch zu begegnen, der mich mit seinem Lichtlein noch weiter in die Dunkelheit lockt. Ich schaue dem neuen Lebensjahr also durchaus optimistisch entgegen, es gibt viele Dinge, auf die ich mich freuen kann und es gibt Menschen, die mich aufmuntern, wenn etwas nicht so erfreuliches passiert. Und ich habe euch, meine lieben Bloglesenden, bei denen ich mir auch vieles von der Seele reden kann und mich unglaublich gut aufgehoben fühle. Auch wenn ich euch nicht sehen kann, ihr seid da und das ist echt cool. Vielen lieben Dank für eure Unterstützung, eure Klicks und eure stille Positivität!
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