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AutorenbildJacqueline

#nähkästchen: Krimiliebe

Ich liebe es, zu lesen. Und jeden Sommer packt es mich aufs Neue, ich lese mich fort in den Urlaub. Am liebsten mit Krimis aus Frankreich – der Provence oder Bretagne. Der Mord ist dann Nebensache, das Verbrechen verschwimmt hinter den pittoresken Bildern der Landschaft, die in meinen Gedanken Form annehmen. Es ist, als würde ich auf Reisen gehen und neben dem Kommissar, der zumeist Hauptprotagonist ist, durch die Straßen eines kleinen französischen Dorfes flanieren. Fast schon merke ich die Sonne auf meiner Haut, ich rieche den Lavendel, den wilden Thymian oder den Duft von frisch gebackenen Croissants und einen Petit Café.

Ich genieße es, einfach mal abzutauchen. Urlaub zu machen, ohne in ein Flugzeug steigen oder ewig lang im Auto sitzen zu müssen. Keine Thrombosegefahr, keine begrenzte Beinfreiheit, kein Kind, was ungeduldig gegen meinen Sitz tritt, kein Stau, keine ekligen Raststättentoiletten – ich schlage das Buch auf und bin da. Die Buchseiten sind meine Flügel, die mich einfach forttragen.

Deshalb mag ich besonders Krimis, die sich nicht nur um die dunkle Seele eines Menschen drehen, um Abgründe, die sich in einer Person auftun, um die schwärzeste Seite des Herzens. Der Mörder ist mir tatsächlich immer relativ egal, von mir aus müsste dieser im ganzen Buch nicht mal gefunden werden. Die Beschreibungen der Landschaften und des Lokalkolorits würden mir reichen. Ich könnte ewig mit den verschrobenen Dorfältesten über den Tratsch der letzten 100 Jahre philosophieren oder mit dem Besitzer des einzigen Bistros im kleinen französischen Örtchen über die Stammgäste und deren Lebensgeschichten sprechen.

Und dann gibt es da noch meine Lieblingsabschnitte, die Abschnitte, in denen es weder um den Fall noch um irgendwelche schrulligen Gestalten aus der französischen Szenerie geht. Hierbei dreht sich alles nur um das Eine: Essen. Auch wenn ich sicher zwei Drittel der genannten Speisen in der Realität nicht selbst verkosten würde, da in Frankreich scheinbar der Vegetarismus noch nicht weit verbreitet ist, genieße ich doch jeden einzelnen Informationshappen über das aufgetischte Menü. Ich bin jedes Mal beeindruckt, wie vollmundig die Aromen beschrieben werden, die die im Roman aufgetischten Speisen ausmachen. Manchmal habe ich sogar wirklich das Gefühl, von allem gekostet zu haben – was speziell bei einem saftigen Entrecôte eine Erfahrung ist, die ich manchmal in meinem Leben misse. Ganz ehrlich.

Ich weiß, dass solche Krimis nicht jedermanns Sache sind und das ist auch okay so. Wir sind alle anders, jeder taucht auf seine eigene Weise in die schwarzweiße Welt der Buchstaben ein, die in so vielen Farben unsere Fantasie sprühen lassen. Bücher sind etwas Wundervolles, gerade in solchen Zeiten, in denen ich zumindest nicht so viel mit mir anzufangen weiß. Ich komme nicht wirklich raus, ich sehe nichts anderes, aber nehme ich mir ein Buch, kann ich plötzlich Orte entdecken, die mein bloßes Auge nicht wahrnehmen kann.

Dann bin ich plötzlich in St. Malo, an der Côte de Granit Rose oder in Calés. Ganz einfach, von meinem Bett aus oder wenn ich im Zug auf dem Weg nach ganz woanders bin. Ich lasse mich mitreißen vom Mörderischen Mistral und alles um mich herum verschwimmt zu einem undefinierbaren Gemisch von Zeit und Raum.

Das alles hört sich jetzt vielleicht etwas pathetisch an, idealisiert und romantisiert, aber es ist so. Kritiker werden es als „Weltflucht“ beschreiben, ich nenne es „Wandelreise“. Wenn ich einen dieser Krimis öffne, dann ist das meine Auszeit von dem Jetzt und Hier. Es verschließt mir vielleicht für die gegenwärtige Realität die Augen, aber öffnet sie mir für andere Horizonte, die vielleicht nicht wichtig, aber deshalb nicht weniger wunderbar sind.

Lesen – und besonders diese Art zu lesen – tut mir gut, sie hilft mir auch manchmal Distanz zu Sorgen und Problemen zu gewinnen, die mir einfach nicht aus dem Kopf gehen wollen. Es schenkt mir eine Atempause für die Seele und eine Denkpause fürs Gehirn So fühle ich mich, wenn ich das Buch wieder zuklappe, doch seltsam erholt, als ob ich aus einer kleinen Ferienzeit kommen würde. Außerdem inspirieren mich jene Krimis auch immer wieder zu Reisen, die ich auf jeden Fall noch machen will und von denen ich tagträumen kann – die rosa Küste in der Bretagne wäre nur eines von meinen zukünftigen Reisezielen.

Und genau deshalb, weil mir lesen so unheimlich guttut und die Bücher mir so sehr gefallen, möchte ich euch nun zwei meiner Lieblingskrimireihen ans Herz legen, damit ihr vielleicht das Gleiche Glücksgefühl erfahrt wie ich, wenn ich meine Nase ganz tief zwischen die Seiten stecke und meine Augen am Papier kleben bleiben: Zum Ersten


Jean-Luc Bannalec: Bretagne-Krimis mit Kommissar Dupin (Momentan lese ich das neunte Buch: Bretonische Spezialitäten)


und dann noch:


Cay Rademacher: Provence Krimis mit Captain Roger Blance (Wobei ich gestehen muss, dass der fünfte und siebte Band mir nicht so sehr gefallen haben, die restlichen sind aber wirklich gut!)


Viel Spaß beim Lesen!

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