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AutorenbildJacqueline

#chronicalme: Mein Leben mit dem Erdbeermassaker

Aktualisiert: 26. Juni 2020

Nach der OP dachte ich, dass mein kleines Erdbeerfeld endlich in Harmonie gedeihen könnte. Ich sah schon kleine Schmetterlinge bei strahlendem Sonnenschein über die Beete fliegen und glaubte fast schon daran, dass ich demnächst auch nur noch von einer „Erdbeerwoche“ sprechen könnte. Vor meinem inneren Auge hatte ich das gängige Bild aus der Tampon-Werbung, auch während meiner Periode alles machen zu können, was ich machen wollen würde.

Mit diesen Gedanken und einer neuen Pille, die ich seit dem im Langzyklus nehme, verließ ich Anfang letzten Jahres das Krankenhaus. Eine solch kombinierte Behandlung aus operativem Eingriff und einer anschließenden Hormontherapie ist die gängigste Variante des Versuchs, der Endometriose Einhalt zu gebieten. Jene Erkrankung ist nämlich (noch) nicht heilbar. Dies liegt insbesondere daran, dass Ärzte und Ärztinnen noch nicht herausgefunden haben, woher die „Geschmackverirrung“ der Körperzellen kommt. Also, warum sich die eine oder andere Zelle plötzlich denkt: „Hmm, eigentlich wäre ich doch viel lieber eine von den Gebärmutterzellen, die sind eh viel cooler“ und dann anfängt, zu mutieren. Dementsprechend können nur Maßnahmen ergriffen werden, die entweder die Schmerzen lindern (Schmerztherapie) und/oder die Reproduktion von Endometriose hemmen. Um letzteres zu erreichen, werden meist Hormone verwendet, also diese kleinen Dinger, die darüber entscheiden, wie du heute drauf bist, worauf du heute Hunger hast und natürlich was in deinem Körper so abgeht. Die Ärzte haben sich in meinem Fall in diesem Zusammenhang für eine gestagenhaltige Pille entschieden: Dieses kleine, runde Ding gaukelt mir nun seit einem Jahr vor, schwanger zu sein. Das sorgt dafür, dass sich weniger Gebärmutterschleimhaut und (hoffentlich) auch weniger mutierte Möchte-Gern-Zellen bilden. Der zugehörige Langzyklus verhindert auch noch zusätzlich, dass mein Erdbeerfeld zu oft umgegraben wird.

In der Theorie klingt das schon ziemlich gut, deshalb habe ich die ersten Monate auch daran geglaubt. Doch im Endeffekt musste ich wieder schmerzhaft feststellen, dass es in der „landwirtschaftlichen Praxis meiner Gebärmutter“ leider nicht funktioniert. Zwar habe ich nun nicht jeden Monat, das Gefühl in einem Erdbeermassaker ausgeweidet zu werden, jedoch hält mein Körper es auch nicht den ganzen Langzeitzyklus durch, sich schwanger zu fühlen. Spätestens nach 5 Blistern bekomme ich Krämpfe, die erst wieder weggehen, wenn ich die eine Woche „Pillenpause“ gemacht habe, an deren – nennen wir’s mal „Intensität“– sich nichts geändert hat. Dementsprechend zerplatzte mein Traum, ein Mädchen aus der Tampon-Werbung zu werden, Rad schlagend im Tor zu stehen, Bälle abzuwehren, Schwimmen zu gehen, eine Nacht durchzutanzen und das trotz meiner Periode mit einem großen, schmerzhaften Knall.

Der Wahrheit ist und bleibt: In der Woche meiner Periode findet man mich optimalerweise in Embryonalstellung auf dem Bett, hoffend, dass den Traktoren bald das Benzin ausgehen oder ein riesen Komet mein Erdbeerfeld treffen wird, damit all dies endlich ein Ende hat.

Dazu kommt auch noch die Tatsache, dass ich außerhalb meiner Periode, leider auch nicht immer beschwerdefrei bin. Dadurch, dass meine Endometriose sich an der Blase angesiedelt hatte, habe ich immer mal wieder blasenentzündungsähnliche Symptome, die dann einige Tage anhalten. Ein Arztbesuch ist hier zwecklos, das dies nichts Bakterielles ist, sondern meine Blase infolge der Endo-Geschichte einfach zur Diva geworden ist, die mehr beleidigt als hungrig erscheint und damit auch noch Snickers-restistent ist. (Hier helfen in den meisten Fällen nur Brennnesseltee und Geduld.)

Mein Motto: Stark MIT Endometriose!

Aber so ist das Leben mit Endometriose bzw. wohl mit jeder chronischen Krankheit- es endet nunmal nicht an dem Punkt, an dem die Therapie begonnen hat. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle auch betonen, wie dankbar ich bin, dass ich endlich weiß, was mit mir "falsch" läuft, das Kind endlich endlich einen Namen hat. Die Diagnose nützt zwar nichts gegen den Schmerz an sich oder die ganzen Begleiterscheinungen der Erkrankung, aber sie hilft diese zu akzeptieren. Stetig bin ich auch noch dabei, mich mit meiner neuen täglichen Begleiterin "Endometriose" anzufreunden; ich kann sie nicht vertreiben, bekämpfen zwecklos – ich muss einfach lernen mit ihr zu leben und das beste draus zu machen. Ich bin froh über die Therapie- Möglichkeiten, die es gibt; ich kann meine Urlaube jetzt etwas freier planen (die Berechnung meiner „Erdbeermassaker-Woche“ ist jetzt um einiges einfacher geworden), ich habe ein besseres Verhältnis zu meinem Körper aufgebaut, zeige mehr Verständnis für meine (körperlichen) Schwächen und habe dadurch viel Stärke gesammelt. Ich setze mich selber, wenn ich meine Periode habe, nicht mehr so unter Druck, trotz Krämpfen und Schmerzen eine utopische Tampon-Werbung zu leben. Ich gebe mir Ruhe und Zeit, versuche mich soweit wie möglich zu schonen und nicht mehr am Schmerz zu verzweifeln. Darüber hinaus bemühe ich mich, selbstbewusst und offen mit dem Thema umzugehen, mich und meine Beschwerden also nicht mehr zu verstecken. Denn nur so kann man auch seiner Außenwelt die Chance geben, ebenfalls Verständnis für einen zu entwickeln. Wenn man nämlich nicht Klartext redet, nicht sagt, dass gerade sein Erdbeerfeld bis zum Erdkern umgegraben wird, dann kann man auch keine Rücksicht von anderen verlangen. Deshalb sagt, was euch fehlt, was ihr braucht und wie es euch geht. Lasst Endometriose nicht ein Tabu-Thema bleiben!

An dieser Stelle auch noch ein kleiner Shout-Out an die österreichische Instagrammerin und Bloggerin Lisa-Maria, die seit Jahren mit einer sehr schweren Form von Endometriose lebt und trotzdem ein Sonnenschein auf zwei Beinen ist. Auf Instagram spricht sie ganz offen über die Erkrankung, gibt hilfreiche Tipps und ist das beste Beispiel für ein energetisches Leben nicht trotz, sondern mit einer chronischen Krankheit. Schaut gerne vorbei: https://www.instagram.com/findloveyourbody/!

Dementsprechend gilt eigentlich für alle Menschen, ob mit oder ohne chronische Erkrankung, liebt euren Körper, akzeptiert ihn mit all seinen vermeintlichen „Makeln“ und Unzulänglichkeiten. Ihr habt nur diesen einen, also macht das Beste draus und lasst euch nicht aufhalten. Denn ihr seid stark mit oder ohne Endometriose!

Mehr Infos und Tipps zum Thema Endometriose findet Ihr entweder auf meinem Blog (https://jacquiloveslife.wixsite.com/blog/blog-chronik/n%C3%A4hk%C3%A4stchen-erdbeer-massaker-oder-endometriose-ein-erfahrungsbericht), auf der Seite der Endometriose- Vereinigung Deutschland (https://www.endometriose-vereinigung.de/home.html) oder bei einem Arzt Eures Vertrauens.

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