Man könnte fast sagen, ich lebe polyamourös – ich brauche Abwechslung, weil ich mich selbst verändere und diese Veränderung schlägt sich vor allem in jenem Bereich meines Lebens nieder: In meinem Kleiderschrank und in meinem textilen Konsum. Das ist eine meiner vielen Schwächen, die ich andererseits aber auch als Ausdruck meiner Kreativität, meiner Wandelbarkeit und meines leicht hedonistischen Wesens sehe.
Zwar verführt mich auch immer wieder die Idee des „Capsule Wardrobes“ zu großen Ausmist-Aktionen, die die Hälfte meines Kleiderschrankes betreffen, aber im Endeffekt füllt sich dieses Mobiliar – das sich bei mir aus einer Kleiderstange, einer Kommode und einer Kiste unterm Bett zusammensetzt – schneller wieder, als ich überhaupt „Capsule Wardrobe“ sagen kann.
Außerdem ist mir das zugrunde liegende Konzept auch immer noch ein kleines Rätsel. Soll man doch wenige Kleidungsstücke besitzen, die möglichst alle untereinander miteinander kombinierbar sind. Da ich aber eine bekennende Kleider-Liebhaberin bin und diese wunderbaren, umschmeichelnden Stoffkreationen nicht im 2000er Style über eine Jeans tragen möchte, habe ich den „Capsual Wardrobe“ dann doch mit diesem Erklärungs- und Entschuldigungsprinzip für mich verworfen.
Die einzige Möglichkeit jenes Konzept für mich zu rehabilitieren, wäre, wenn „Capsual“ keine Tablettenkapsel oder ähnlich kleines, sondern eine Raumkapsel meinen würde (da bekäme ich meinen Kleiderschrankinhalt unverändert wohl ganz gut hinein) und ich irgendwie das Bild von Teenager-Disney-Sternchen in o. g. Kleider-Jeans-Kombi aus meinem Kopf bekommen würde.
Aber nun gut, wie oben bereits erwähnt und ehrlich zugegeben, ist mein Klamottenkonsum und die Anhäufung von Textilien eines meiner persönlichen Schwächen zugeordneten Hobbys, welches sich wenigstens seit ein paar Jahren in der Hinsicht nachhaltiger gestaltet, dass ich nun nicht mehr Fast-Fashion direkt von der Stange kaufe.
Während ich früher mit der Begleitung von Freundinnen oder auch meiner Mutter durch die Einkaufsstraßen Deutschlands gezogen bin und mit meinen Kinder- bzw. Teenagerhänden die von den Gleichen gefertigten Kleidungsstücke in meinen Einkaufsbeutel gleiten ließ, kaufe ich heute nur noch Second-Hand bzw. Third-Hand oder durch wie viele Hände diese auch immer gegangen sind. Egal, man kann sie ja waschen!
Jedoch hat auch Second-Hand-Shopping für mich seine Tücken. Und damit meine ich noch nicht mal, dass man nicht immer direkt das richtige Teil in der richtigen Größe findet und manchmal dann auch die Suche leid ist, es sein lässt und dann feststellt, dass man dieses Teil doch nicht so dringend braucht.
Nein, das eigentliche Problem für mich ist, dass Second-Hand-Shopping auch immer ein bisschen so sich anfühlt, als würde man ins Tierheim gehen. Denn der Effekt ist ein ähnlicher: Ich habe stets das Gefühl, dass diese Kleidungsstücke mich mit großen traurigen Knöpfen anschauen, weil ihre Besitzerinnen und Besitzer sie nicht mehr wollen. Und wie kann ich da „Nein“ sagen zu dem zehnten niedlichen Sommerkleidchen, welches doch so gerne mal wieder eine große, grüne Wiese im Sonnenschein sehen und ein gemütliches Plätzchen in einem Kleiderschrank haben wollen würde? Verdient es dies nicht? Ein bisschen Körperwärme und Wertschätzung?
Damit ist auch das Einkaufen auf Second-Hand- Plattformen oder in entsprechenden Läden keine Heilung für eine Seele wie meine, die manchmal gerne Frust- und Lustshopping betreibt, aber dennoch fühlt man sich dadurch nicht ganz so verwerflich schlecht. Immerhin unterstützt man einerseits nicht mehr die zweifelsohne zweifelhaften Unternehmen der Fast-Fashion-Industrie. Andererseits gibt es noch einen weiteren Benefit von Second-Hand-Shopping – speziell für diejenigen, die wie ich das deutsche Gedankengut der Schnäppchenkultur in sich tragen: Auch hier kann man ähnlich wie nach Einkauftouren in den heutzutage zahlreichen Sale-Perioden sagen: „Guck mal, wat ich jespart hab!“.
Man hat nämlich ebenfalls das befriedigende Gefühl der „Sieben auf einen Streich“ bzw. auf nicht Grimm’schen Deutsch „Der LKW-Ladung Klamotten für kleines Geld“ und nichtsdestotrotz hat man jedoch niemandem – nicht mal einer Fliege – etwas zu Leide getan mit seinem Einkauf. Ich würde sogar meinen, das ist noch ein bisschen befriedigender als alles, was ich so als Teenager an Glücksgefühlen nach einem Fast-Fashion-Shoppingrausch verspürt habe.
Für meinen Teil habe ich also Frieden gemacht mit meiner manchmal zu Eskalationen neigenden Liebe für neue Kleidungsstücke und dabei einen Weg für mich gefunden, diese dann doch möglichst nachhaltig und umweltfreundlich zu leben. Es ist mir nun nicht mehr Jacke wie Hose, wo Jacke und Hose herkommen, die nun demnächst wieder in meinen Kleiderschrank einziehen dürfen. Und ich denke, das tapfere Schneiderlein wäre stolz auf mich.
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