Ich komme jetzt langsam in das Alter. In das Alter, in dem andere Menschen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis sich verloben, heiraten und über die Babyplanung reden. Und dann bin da ich. Ich, die sich manchmal fragt, ob sie anders, seltsam oder irgendwie „falsch gepolt“ ist, weil für mich das alles irgendwie keine Rolle spielt. Noch vor einem Jahr habe ich mir diese Fragen nicht gestellt, ich habe voller Selbstbewusstsein dazu gestanden, dass ich keine Kinder will und für mich nur die Steuervorteile einer Ehe interessant sind, aber alles andere mich eher abschreckt. Diese Ansichten haben sich bis heute nicht geändert, aber in gewisser Weise lässt es mir keine Ruhe, dass ich anscheinend nicht das Gleiche fühle und denke wie viele andere um mich herum.
Manchmal, wenn ich mich diesen unnötig kritischen Gedanken hingebe und mich und meinen Lebensentwurf in Frage stelle, drängt sich mir das Gefühl auf, einfach unheilbar anders zu sein. Ein Gefühl, das ich vor allem aus meiner Kindheit und Jugend kenne, in der mir oft gezeigt worden ist, dass ich nicht „dazugehöre“. Dass ich seltsam bin, weil ich nicht dem „Mainstream“-Teenie entsprach, da meine familiäre Sozialisation mich in mancher Hinsicht auch zur Außenseiterin gemacht hat. All diese Empfindungen kommen in diesen Momenten hoch und ich frage mich ein zweites Mal in meinem Leben, warum ich nicht so sein kann wie andere in meinem Alter.
Warum ich mich mit meinen fast 28 Lebensjahren auf dem Buckel immer noch oftmals fühle, als wäre ich 20. Warum ich trotz meinen über zwei Jahren im Berufsleben, mich immer noch nicht anders wahrnehme, als in der Zeit als ich noch studiert habe. Warum ich in manchen Augenblicken am liebsten meiner Mama sagen würde, dass sie einen Arzttermin für mich vereinbaren oder irgendetwas anderes regeln solle, weil ich mich das nicht traue. Und andere in meinem Alter treffen so bedeutungsvolle Entscheidungen wie eine Verlobung oder haben sogar gerade schon ein Kind bekommen. Ich hingegen bin so eben in der Lage dazu, wenn ich keine Kontakt-Email-Adresse finden konnte, mich zu überwinden, irgendwo anzurufen.
Das alles hat mich in den letzten Wochen und Monaten verunsichert, mich viel Grübeln lassen und mich in meinen Träumen zum Teil verfolgt. Aber im Endeffekt habe ich festgestellt, dass mein Lebensentwurf für die Zukunft, nämlich einen Partner ohne Eheversprechen an meiner Seite zu haben, eine französische Bulldogge namens Louis zu besitzen und in einer schönen Wohnung mit Balkon in der Stadt zu wohnen, sich nicht geändert hat und immer noch meinen Bedürfnissen entspricht. Ich bin einfach ein Mensch, dem enge, schwer aufzulösende Bindungen, in denen das Potenzial besteht, sich gefangen zu fühlen, und große Verantwortung gegenüber anderen Personen einfach zu viel ist. Nicht, weil mir andere Menschen egal und Freundschaften unwichtig sind oder ich meinen derzeitigen Partner nicht liebe, sondern weil ich merke, dass es schon schwer genug ist, für sich selbst Verantwortung zu tragen. Seinen eigenen Bedürfnissen nachzukommen und diese voll zu erfüllen, auf sich zu achten und sich Pausen zu gönnen, wenn man welche braucht, und sich und seinem Körper die Liebe und Akzeptanz zu schenken, die man verdient.
All das ist etwas, was ich gerade auch noch lerne. Ja, ich lerne momentan aktiv, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Etwas, das ich leider nicht in die Wiege gelegt bekommen habe und etwas, das überschattet davon war, dass ich auch schon viel zu früh, Verantwortung für andere und ihr Handeln übernehmen musste. Dementsprechend sind Themen wie Heiraten, Hausbauen, Kinderkriegen zurzeit und wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht auf meiner To-Do-Liste. Ich muss erstmal versuchen, mich selbst an oberster Stelle auf diese zu setzen.
Wenn ich das jetzt gerade selbst alles so lese, was ich hier geschrieben habe, finde ich plötzlich, dass es äußerst plausibel ist, warum ich nicht den Weg vieler meiner Bekannten und Freunde einschlage. Dass es in keiner Weise seltsam ist, dass ich mein Leben anders plane und deshalb kein Zukunftsentwurf schlechter oder besser ist als der andere. Und dass ich mir manchmal einfach zu viele Gedanken darüber mache, ob ich „seltsam“ bin, nur weil ich manche Dinge für mich anders handhabe. Immerhin zwinge ich mich auch nicht, Bananen zu essen und zu mögen, nur weil es kaum jemanden auf dieser Welt gibt, dem diese gelben, phallischen Missbildungen der Gattung „Beere“ nicht schmecken.
Aber trotzdem gebe ich mir auch die Erlaubnis, mal nicht immer rational und Herrscherin über meine Gedanken zu sein. Es passiert halt, dass man sich mit anderen vergleicht. Es gehört zum Menschsein dazu, auf andere zu schauen, da durch Nachahmung früher wie heute Wissen und Werte weitergeben werden. Es ist also vollkommen normal und durchaus auch sinnvoll, andere Menschen und ihre Ideen und Wünsche nicht aus den Augen zu verlieren. Anderen zuzusehen kann inspirieren, einem auf einem ähnlichen Lebensweg bestärken oder dazu führen, dass man eben sich noch einmal bewusst dazu entscheidet, einen anderen Pfad einzuschlagen. Dabei muss man sich aber nicht „komisch“ oder „seltsam“ fühlen, denn so individuell wie jede Person ist, so individuell ist auch das, was uns im Leben glücklich macht – und genau dem sollten wir folgen.
Inspirierend! Kennst Du die Fabel vom Igel und dem Hahn? Das passt ziemlich gut zu Deiner Anekdote! Es war einmal ein Hahn, der sich weit und breit rühmte. Jeden Tag schrie und gockelte er umher, weil er sehr stolz auf seinen Kamm war. Eines Tages als er wieder einmal so krähte, trat er plötzlich auf einen Igel und tat sich furchtbar weh. Der Igel sagte: "Na, hallo, du guter Gockel." Da antwortete der Hahn: "Lass mich, ich bin anders." Dann fing es an zu regnen. Der Igel stach dem Hahn sodann in den anderen Fuß. Der Hahn fraß den Igel und ging nachhause. Weißt Du, was ich Dir sagen will?