„Ach, ich hätte auch gerne Locken!“, ein Satz, den jede Besitzerin einer Naturkrause schon einmal vernommen hat. In solchen Situationen lächelt man nach außen hin und versteckt hinter dieser sozialen Geste die Tatsache, dass man bereits einen harten Kampf hinter sich hat. Einen allmorgendlichen harten Kampf, der immer nach dem Aufstehen ausgefochten werden muss. Denn im Gegensatz zu dem, was Hollywood uns gerne präsentiert, wachen Curly- Girls nicht mit einer Engelsmähne auf, in der sich die ersten Sonnenstrahlen verfangen. Ganz im Gegenteil: Die Hydra höchstpersönlich ist aus dem griechischen Legendenreich auferstanden, um sich auf deinem Kopf niederzulassen. Und dieses Monstrum aus der Sagenwelt kann nur mit zwei Methoden gebändigt werden; entweder radikal mit einer Dusche oder mit einer Menge Haaröl … und mit „einer Menge“ meine ich jetzt nicht drei Pumpstöße oder so, sondern ungefähr die Portion, die man braucht, um ein Schälchen Pommes zu frittieren. Als Curly- Girl hat man nämlich das Problem, dass man zwar nie fettige Haare hat, aber dafür genau die gegenteilige Situation; gefühlt hat man die Wüste Gobi auf dem Kopf. Dementsprechend kullern in der Wohnung eines jeden Lockenkopfes auch gerne mal einige Haarknäule herum, die an Steppengras erinnern und deren Weg durch das Zimmer man gut mit Western-Musik untermalen könnte.
An einigen Tagen bleibt aber dennoch nur der Ausweg seine Haare zu waschen – ein mancher versteht vielleicht jetzt nicht, was daran so schlimm und anstrengend sein soll - aber an dieser Stelle sei gesagt: Lockenpflege ist ziemlich aufwendig! Man kann hier nicht mit einfachen Geschützen vorgehen wie einem Shampoo oder glatt einem Shampoo kombiniert mit einem Duschgel (der Feind von Locken schlechthin!). Nein, man braucht je nach Länge der Haare gefühlt bis zu einer halben Packung Conditioner. Denn bei Locken reicht es nicht die Spitzen mit einer haselnussgroßen Menge des Produktes einzureiben, sondern die passende Vergleichsgröße wäre hier wohl eher eine Kokosnuss. Auch die Prozedur nach dem eigentlichen Duschvorgang ist zeitintensiv; denn entweder hängt man eine halbe bis eine ganze Stunde über dem Diffuser bis zur Nackenversteifung oder man lässt sie Lufttrocknen, was auch mal so zwei, drei Stunden dauert. Aber dann, dann sieht man gut aus. Dann sind die Locken wie gemalt, wie aus einer Hollywoodtraumfilmproduktion, wie aus der Shampoo- Werbung… und dann, dann schaut man aus dem Fenster und sieht es nieselt. Es nieselt, das Todesurteil für jedes Curly-Girl, denn nur zwei Minuten unter diesen Wetterumständen sorgen für den Einbruch der Apokalypse. Man steht dem Endboss gegenüber, keinem Geringerem als dem FRIZZZZZZZZZZ. Für alle, die nicht wissen, was FRIZZZZZZZZZZ ist, kurze Erklärung: Das sind diese kleinen Härchen, die von der aufstrebenden Art sind und bei Regen und feuchtem Wetter erst richtig wach werden.
Sonst liegen sie gerne bei den anderen Haaren und freuen sich ihres Lebens, aber wenn sie mit ein bisschen Wasser in Berührung kommen, dann stehen sie auf, streben nach oben, erheben sich gegen den Rest der Haarwelt. Man könnte meinen, die Französische Revolution wäre nichts dagegen. Das Ergebnis von dieser Haarrevolte beschreibe ich immer gerne mit folgendem Vergleich: Kennt ihr diese Statuen in der Kirche, die nicht so einen kleinen Ring wie ein UFO über dem Scheitel schweben haben, sondern so einen Heiligenschein, der einmal so rund um den Kopf geht? – So müsst ihr euch auch die frizzigen Härchen vorstellen, die bei feuchtem Wetter ihren großen Auftritt haben. Man hat wie einen Heiligenschein (das ist aber auch das einzig Engelsgleiche was man als Lockenträger in solchen Situationen noch an sich hat) nur halt in seltsamer, in weniger erhaben und mehr so nach „aufgeplatztes Sofa-Kissen unter 1000 Volt“- Art. Da hält auch keine Drei-Wetter-Taft, da müsste man sich schon Metallschutzlack in die Haare schmieren oder gleich Zement, damit so etwas nicht passiert. Ein weiterer deprimierender Aspekt von Locken ist die Tatsache, dass man zumeist aus der Dusche kommt und sich wie Rapunzel fühlt; die Haare fallen einem über die Schultern, den Rücken hinab und wenn sie dann trocken sind … dann hat man gefühlt einen Bob. Ja, das Locken wachsen, sieht man auch nur im nassen Zustand oder wie bei mir (da ich gefärbt bin) am Ansatz. Das hat zur Folge, dass man generell seine Locken züchtet und züchtet, aber sie optisch nicht wirklich länger werden. Sobald man sie aber dann auch nur 5cm abschneiden lässt, sieht es aus, als hätte man sich von mindestens 15cm getrennt. Mit Locken hat man’s einfach nicht immer leicht, aber an schönen Sommertagen, wenn kaum Wind ist, die Sonne scheint, man nicht im See badet oder jemand einem Erfrischungsspray ins Gesicht und die Haare sprüht, die Locken frisch gewaschen sind, eine kokosnussgroße Menge Conditioner eingearbeitet worden ist und man danach seinen Kopf in einen Eimer Öl getunkt hat, dann sehen Locken schön aus. In diesen Momenten sind Curly-Girls, die glücklichsten Frauen dieser Welt, beantworten gerne Fragen wie „Sind das Naturlocken?“ mit einem freudigen „Ja klar“, bevor sie eine halbe Stunde später unter ihren dicken Haaren wieder anfangen zu schwitzen und auf ihrem Kopf wieder die Französische Revolution beginnt.
Andererseits liebe ich meine Locken und alle die auch Curly-Girls sind, sollten das auch. Denn Locken können Spaß machen und sind – bei mir jedenfalls – ein Teil meiner Persönlichkeit. Ohne meinen Lockenkopf fühle ich mich nicht komplett ... und mit der richtigen Pflege und den passenden Produkten gewinnt man an vielen Morgenden auch den Kampf gegen die viellockige Haar-Hydra.
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