In dunkelster Stunde, in tiefster Nacht
Wird, was vermisst, zurückgebracht.
Was schliefet, das wachet,
was weintet, das lachet.
Was tot geglaubt, lebet,
was starr lag, erbebet
Unter den Hufen von Odins Heer,
das reitet so wild im Wald daher.
Das Leben kehrt heim, die Dunkelheit fällt,
die Rückkehr des Lichts, das feiert die Welt.
Yul – oder auch Mittwinter genannt – feierten einst die Germanen, wenn die Tage wieder länger und die Nächte kürzer wurden. Zwölf Tage lang zelebrierten sie die Rückkehr des Lichtes und der Sonne in die vom Winter geplagte Welt. In jenem Zeitraum ruhte jegliche Betriebsamkeit, die Äcker und Handwerksbetriebe blieben leer, stattdessen wurde zusammen geschlemmt und gefeiert, es wurden Feuer entzündet und die Ahnen geehrt. Die Menschen gaben sich unbändiger Freude hin, denn am 21. Dezember, am Tag der Wintersonnenwende, gebar die Muttergöttin den Sonnengott wieder, welcher schon bald erstarken und den Jahreszeitenwechsel mit sich bringen würde. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung und der s. g. Julfrieden, der auch die größten Streithähne dazu anhielt, jeglichen Zwist und jegliche Fehde für diese Zeit ruhenzulassen. So wundert es auch nicht, dass eine mögliche Herkunft des Wortes Yul, welches erstmals schriftlich im 4. Jahrhundert n. Chr. erwähnt worden ist, das altnordische Wort „jól“ darstellen könnte, welches einfach mit „Festmahl“ zu übersetzen ist.
Aber auch der Gott Odin, welcher ebenfalls auf den Namen „Jólnir“ hörte, könnte ein Namensgeber der Feierlichkeiten gewesen sein. So erzählten sich die Germanen nämlich, dass jener Göttervater und seine wilde Heerschar in den letzten Tagen des Jahres – den s. g. Raunächten – in den Wäldern ihr Unwesen treiben würden. Ließe man den Gott ungestört auf seiner s. g. „Jolareidi“ gewähren und mied die bewaldeten Gebiete in seinem Umkreis, hieß es weiter, werde man mit Fruchtbarkeit und Jagdglück belohnt.
Das Yulfest ist somit nicht nur eines der paganistischen Sonnen-, sondern auch der Fruchtbarkeitsfeste, welche die Menschen im Einklang mit der Natur zelebrierten: Die menschliche und natürliche Kraft erwachten für einen neuen, lebendigen Zyklus, welcher das Korn auf den Feldern gedeihen und die Kornkammern am Ende des Sommers sich füllen ließ. Mit dem Yulfest feierten die Germanen die alljährliche Erfüllung des Versprechens der Wiedergeburt – des Lebens in Form des Lichtes und des reinkarnierten Sonnengottes.
Um dies zu untermalen und den jungen, noch schwachen Sonnengott zu unterstützen, war es außerdem Tradition, große Feuer zu entzünden, in denen man zum Ende der Feierlichkeiten auch seine Yulbäume verbrannte. Yulbäume waren zumeist Pinien, die mit Leckereien geschmückt wurden, um den zur Winterzeit umherwandelnden Geistern und Ahnen eine Stärkung zukommen zu lassen und ihnen einen Rastplatz anzubieten. Dies hatten sich jene nach dem damaligen Glauben auch verdient, kämpften sie doch mit um die Rückkehr des Lichtes. War dieser Kampf jedoch bei Anbruch des neuen Jahres gewonnen und Odin zog mit seinem Heer aus den Wäldern, opferte man die Yulbäume den Flammen. Damit nährte man nicht nur die Feuer, sondern verbrannte symbolisch auch allen Kummer aus dem vergangenen Jahr und machte Platz für Neues.
Das Licht, es erfüllet, was dunkel lang lag,
es bringt nach der Nacht den helllichten Tag.
Hoffnung und Wachstum, Stärke und Kraft,
liegt in der Sonne, die wiedererwacht.
Schenket uns Trost, schenket uns Mut,
welche sich spiegeln in des Julfeuers Glut.
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