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AutorenbildJacqueline

Von etwas anderen Zukunftsplänen

Ich bin jetzt bereit. Ich bin jetzt bereit den Schritt ins Erwachsenenleben zu gehen. Ich habe mich damit abgefunden, ab nächsten Monat kein Student mehr zu sein und endlich mein bald 25-jähriges Ich aus den viel zu engen Kinderschuhen loszuschnüren. Ich bin sogar bereit, noch einen Schritt weiterzugehen als nur in mein Berufsleben. Ich habe den Elan einfach direkt mit einer solchen Energie loszulegen, dass ich einfach über das Ziel hinausschieße und direkt in Rente gehe. Das erscheint mir in Anbetracht vielerlei Umstände der richtige Sieben-Meilen-Stiefel-Schritt für mich zu sein, denn ich finde, ich würde eine gute, wenn nicht sogar eine preisverdächtige Rentnerin („Omi des Monats“ oder so) abgeben.

So sitze ich schon heutzutage viel zu lange beim Friseur, meistens so zwischen zwei bis drei Stunden und das, obwohl ich keine Dauerwelle kriege. Aber ganz ehrlich, das würde ich glatt auf mich nehmen, ich würde meine Locken auf Lockenwickler aufdrehen und dem Paradoxon seinen Lauf lassen – nur um zu beweisen, dass ich mehr als geeignet bin, bereits heute meinen Ruhestand anzumelden.

Bei anderen Dingen bin ich mittlerweile sogar schon voll im Rentner-Dasein angekommen. Ich habe die wunderbare Lebenseinstellung entwickelt, dass nach acht Uhr abends nichts mehr Weltbewegendes passiert, sodass ich meistens bereits vor neun Uhr einfach einschlafe. An ein abendliches Sozialleben ist somit eh nicht mehr zu denken. Dementsprechend und nach dem Motto „Wer schleppt auch seine Oma mit in den nächsten Club?!“ würde ich es nicht bedauern, meine sozialen Interaktionen auf den Nachmittag, wenn nicht sogar Morgen zu verlegen, denn abends ist mit mir eh nichts mehr anzufangen.

Damit ich morgens und nachmittags auch was rentnermäßiges zu tun habe, würde ich mir dann ab April einen kleinen Hund anschaffen. So eine richtige kleine Rentner-Fußhupe, bei der man sich durch die starke Fellbewachsung nie ganz genau sicher sein kann, wo Vorne und wo Hinten ist. Ich wäre wirklich eine goldige kleine Oma, wie ich mit meiner Fake-Dauerwelle (an dieser Stelle wirft mein Hirn die Frage ein „Gibt es auch eine natürliche Dauerwelle?“ und findet keine passende Antwort) und meiner Fellhupe durch den Park spaziere und mich dort mit meinen Hundefreundinnen treffen, deren Bezeichnung recht irreführend ist, weil sie eigentlich nur andere Omis mit Hunden und keine Vierbeiner sind. Aber solch wirres Zeug darf ich nun zurecht reden, denn nicht nur ich, sondern auch mein Hirn ist zu diesem Zeitpunkt ja dann im Ruhestand und ich darf endlich die verschrobene Alte sein, die ich in meinem tiefsten Inneren schon sicher seit fünf Jahren bin.

Aber nun zurück zu meinen Hundefreundinnen und mir bei unserem Meet-Up auf einer Bank in einem x-beliebigen Park in Köln. Wir sitzen dort und weil wir sonst nichts erleben, tauschen wir uns über das Leben von anderen aus. Wir lästern natürlich nicht, das tun harmlose, kleine Omis wie wir nie. Wir stellen nur fest und beraten darüber, ob die Jugend von heute wirklich vor die Hunde geht. Apropos Hunde: Die spielen freudig zusammen, denn noch befinden sie sich nicht im seichten Alkoholrausch von dem Schlückchen Sherry, das wir Omis uns mit unseren kleinen, quietschenden Fellhupen jeden Abend teilen. Die guten Schokomeeresfrüchte, die man als Rentner einfach standardmäßig und nicht nur bei Corona gebunkert hat, die sind aber ganz für uns alleine, denn Schokolade ist für Hunde ja hoch giftig und ungesund.

Wenn wir dann fertig mit dem Mittagspläuschchen sind, gehen wir optional noch in einem netten Café stilvoll einen Kaffee trinken – damit müsste ich dann jetzt wieder anfangen, aber was bringt man nicht alles für Opfer, wenn man seiner Bestimmung nachgeht? Und dann gibt es natürlich auch keinen fancy Latte Macchiato oder einen Flat White, sondern entweder einen guten Filterkaffee oder einen Cappuccino, jedoch nicht mit Milch, sondern mit Schlagsahne. Alles andere wäre doch viel zu exotisch für eine ernstzunehmende Rentnerin!

Und weil wir uns dann nichts mehr zu erzählen haben, verwickeln wir die arme, studentische Kellnerin in ein unangenehmes Gespräch über ihren beruflichen Werdegang und ihr pikantes Liebesleben. Dabei halten wir uns für reizende ältere Damen, die einfach nur Interesse an ihren Mitmenschen zeigen, während wir tief im Inneren wissen, dass wir wie die Kaffeekränzchen-Gestapo sind, die die arme Studentin in ein Gespräch verwickelt, das sie niemals hätte führen wollen. Doch wir forschen alten Damen, die sich eher als couragiert und interessiert wahrnehmen, fragen sie nonchalant aus: Was sie denn so studiere und ob sie als „so hübsches junges Ding“ denn einen „charmanten Kavalier“ habe, der ihr den Hof mache. Dabei zwinkere ich ihr als Teil der Kaffeekränzchen-Gestapo nach bester Ruheständler-Art vielsagend und verschwörerisch zu, ganz nach dem Motto „Mir kannst du es doch verraten, wem soll ich das denn erzählen?!“…außer meinen anderen Hundefreundinnen, meiner Friseurin und der netten Nachbarin von Nebenan, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Ihr merkt wahrscheinlich, für solche unangenehmen Gespräche bin ich mehr als gemacht.

Danach fahre ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und meiner kleiner Fellhupe namens Prince Charles (die Ähnlichkeit mit seinem Namensvetter ist verblüffend, immerhin hat der kleine haarige Prinz auf vier Beinen genauso viel Chancen auf den britischen Thron wie sein zweibeiniges, schütteres Pendant) zurück nach Hause und herrsche irgendwelche Jugendlichen an, sie sollen für mich Platz machen, ich sei ja schließlich Rentnerin. Diese schauen mich leicht irritiert an - vermutlich, weil man eine invalide Mitzwanzigerin im Ruhestand nicht jeden Tag zusehen bekommt.

Ich für meinen Teil finde jedoch, dass kein Zweifel mehr daran bestehen sollte, dass ich wirklich trotz meines biologischen Alters eine tolle Rentnerin wäre, die ihre gesellschaftliche Stellung mehr als zufriedenstellend ausfüllen würde. Infolge dieser Einsicht müssen dann auch die Halbstarken in der Straßenbahn für mich aufstehen und ich setze mich zufrieden auf den einzigen freien Platz, während ich in meinen alten Knochen spüre, dass es einfach meine Bestimmung ist, direkt von der Jugend ins Rentnerdasein überzugehen.

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