Es ist wieder an der Zeit, die Jeans wegzupacken, die dicken Haargummis und das Trockenshampoo rauszukramen und eine Familienpackung Kaffee zu kaufen. Es nahen die Stunden, Tage, Wochen, in denen das Leben draußen verschwimmt zu einer undefinierbaren Masse, einem Objekt, das sich dem Verständnis des studentischen Individuums für diese Zeit in seinem Leben fast vollkommen entzieht. Denn – seien wir mal ehrlich – in diesen Tagen und Wochen fällt es manchmal schon schwer, sich selbst im Spiegel wiederzuerkennen: Man sitzt nämlich in einer Festung aus ungefähr 354 Karteikarten, fünf Bücher-Stapeln, 1000 Lernzetteln und sieben Skripten, in die niemand reinkommt, geschweige denn man selbst heraus. In dieser Zeit des Jahres – ich glaube, fast alle wissen von welcher Zeit ich spreche und ich muss das böse Wort nicht in den Mund nehmen – wird der gewöhnliche Student also zu einem akademischen Eremiten, zum Robinson Crusoe auf der schwindenden Insel der Prokrastination, fernab von der realen Zivilisation, irgendwo zwischen intellektuell- anspruchsvoller Kost und einer Menge Junk Food. Fast 24/7 befindet man sich in dieser akademischen Blase, in der es weder Morgen noch Abend gibt, sondern nur noch „Lern- und Arbeitszeit“. Muss man dann doch mal diesen abgeschotteten Lebensraum verlassen, sich nach draußen wagen, dann fällt es doch manchmal schwerer als gedacht, soziale Interaktion auszuüben. Besonders die Fähigkeit des Sprechens leidet unter der Einsamkeit des Genies, sodass man in Ausnahmesituationen, wie z.B. an der Kasse des Discounters seines Vertrauens, entweder bei der Verabschiedung nur Müll redet: „Guten Appetit und frohe Weihnachten!“ oder man sich der höchst distinguierten, wissenschaftliche Hochsprache bedient: „Haben Sie adäquaten Dank und einen höchst zufriedenstellenden Abend, insofern sich die Prämisse a bewahrheiten sollte.“ (Ein normaler Mensch würde übrigens „Danke, schönen Abend noch“ sagen.) Es scheint somit besser, die Öffentlichkeit in dieser Zeit zu meiden und sich in seine Festung zurückzubewegen, dorthin, wo es niemanden stört, dass die Haare morgens, mittags, abends vollkommen wild in alle Richtungen stehen oder aufgebunden zu einem Dutt, wie ein fettiger, kleiner Gnom, auf unseren Köpfen thronen. (An dieser Stelle der Hinweis: Dieser „Dutt“ ist nicht mit einem „Insta-Messy-Bun“ zu verwechseln, er ist eine solche Erscheinung, dass er meiner Meinung nach den Neologismus „Greasy Chunk“ verdient!)
Hier in dieser Blase, in der innere Werte mehr zählen als äußere, ist es auch erlaubt bzw. erforderlich, Jogginghosen oder Leggins zu tragen. Doch nicht aus Gründen der Bequemlichkeit oder wegen der Tatsache, dass man die Kontrolle über sein Leben verloren hätte (Sorry, Karl), sondern aus Sicherheitsgründen: Das Tragen von anderen Hosen birgt die Gefahr, das wachsende Gehirn einzuschnüren. So kommt es nämlich des Öfteren in der Prüfungsphase dazu, dass während die Muskeln schwinden, das Gehirn aufgrund der vielen Arbeit anfängt, sich bis in den Bauchraum auszudehnen. Diese Expansion macht sich u .a. durch kleine Röllchen über dem Hosenbund bemerkbar, die sonst fälschlicherweise immer in zu engen Zusammenhang mit dem Junk- Food- Konsum gesetzt werden. Ähnliches gilt also auch für die Oberbekleidung, auch diese muss möglichst locker sitzen, hier bietet sich also der altbewährte Sweater oder ein Hoodie an – am besten sind die Modelle mit Kapuze und Bauchtasche: Die Kapuze schützt vor dem Sonnenlicht, das möglicherweise über die Bücherstapel hinweg einem ins Gesicht scheinen könnte. (An dieser Stelle eine Entwarnung: Sonne allein, kann den mühsam gezüchteten, tiefschwarzen Augenschatten nichts anhaben, dafür bräuchte man nämlich zusätzlich noch ausreichend Schlaf. Dieses Phänomen ist aber in dem beschriebenen temporären Lebensraum [hier akademische Blase oder Festung genannt] nicht existent!) Die Bauchtasche bietet darüber hinaus die Möglichkeit, darin Gemüse (Chips) und Säfte (Fanta) vor dem Bib-Personal zu verstecken oder einfach auch zuhause beides immer in Griffweite zu haben ohne Platz auf dem Schreibtisch zu verschwenden. Außerdem ist ein Hoodie gerade für weibliche Studierende eine Option, nicht nur ihre Gedanken zu befreien. Alles in allem ist der Dresscode dieses ca. alle halbe Jahre auftretenden Zustands also mit zwei Worten zu charakterisieren: bequem und vor allem schnell überzustreifen. Besonders letzterer Punkt ist gerade in diesen apokalyptischen Perioden des Studentendaseins von größter Bedeutung, denn man hat gefühlt für gar nichts Zeit, denn es scheint, als gingen die grauen Herren in allen Studentenstädten um. So kommt bei dem ein oder anderen der Wunsch nach den alten Zeit wieder auf; nach den Schuhen mit Klettverschlüssen (Schnürsenkel- Binden kostet nämlich sicher 20 Sekunden mehr) und nach der Mama, die einem die Jacke anzieht – denn in der gewonnenen Zwischenzeit lässt sich mindestens eine Karteikarte durchgehen! Ebenso sehnt man sich nach den Abiturprüfungen zurück, die einem zwar damals wie ein Marathon erschienen, aber im Laufe der Studienzeit sich als 800m- Lauf zum Aufwärmen herausstellten (also jedenfalls für diejenigen, die damals die zwei Runden um den Sportplatz in 3 Minuten geschafft haben – also definitiv nicht für mich, aber die Metapher passte so gut zum Rest!). Denn das was wir jetzt gerade durchmachen, sind keine Bundesjugendspiele mehr, sie sind Ernst, der Ernst des Lebens, sie sind ein IRON-MAN. Eine Herausforderung an uns selber, in der wir mit reiner Haut und glänzendem Haar hinein und am Ende mit pickligen Teenager-Face und fettigen Strähnen wieder herausgehen. Diese Phasen unseres Lebens sind die, in denen wir wachsen (intellektuell, charakterlich und ausdehnungstechnisch). Also tragt mit Stolz eure Jogginghosen und „Greasy Chunks“, wir rocken auch dieses Semester den SHIT!
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