Es ist ein grauer Morgen. Der Himmel blickt mir fahl entgegen. Das wenige Licht, das durch die Wolken dringt, taucht die Häuserzeile vor mir in ein ungesundes, schmutziges Gelb. Eine gewisse Morgenübelkeit liegt in den Straßen. Die halb geschlossenen Rollläden der Fenster wirken wie müde Augen, die ungläubig in den Tag blinzeln und mir mit ihrem trägen Blick folgen, während ich Schritt für Schritt meinen Weg durch die verlassenen Straßen mache. Ganz Köln scheint noch in Lethargie und Katerstimmung zu liegen. Bonbon-Papierchen schwindeln orientierungslos über den Asphalt, selbst dem Wind scheint die Puste ausgegangen zu sein, seit der Trubel der letzten Tage verstummt ist. Der Morgen ist grau, denn es ist Aschermittwoch.
Heute beginnt die Fastenzeit. 46 Tage – also bis zum Ostersonntag – werde ich nun auf Alkohol verzichten. Ich mache dies nicht aus religiösen Gründen und auch nicht, weil ich Alkohol verteufele, sondern es soll mehr oder weniger ein Selbstexperiment werden. Neugierde treibt mich an und Gruppenzwang zwingt mich hoffentlich zum Durchhalten, denn ich mache dies nicht allein. Freunde von mir – u. a. auch Phantasiekonfetti vom gleichnamigen
– haben sich ebenfalls dafür entschieden, auf das Bier beim Karaoke, den Wein beim Essen und den gelegentlichen Sekt beim Mädelsabend zu verzichten.
Für mich ist dies eine Gelegenheit, mal wieder meinen inneren Schweinehund an die kürzere Leine zu legen und dabei selbst aus einer Comfort-Zone herauszutreten. In den nächsten Wochen wird es nämlich kein Einlenken nach dem Motto „Jaaaa okay, dann trink‘ ich ein Bierchen mit!“ geben. Reine Einladungen á la „Komm‘ wir gehen heute was trinken!“ fallen auch raus und der Ausspruch „Ich brauch‘ jetzt echt einen Schnaps“ wird wohl zu einem (er)nüchtern(d)en „Ein Kamillentee zur Beruhigung wäre jetzt angemessen“.
Ich glaube, dass es mir an der ein oder anderen Stelle schwerfallen wird, „Nein“ zu sagen – zu meinen Mitmenschen, aber auch zu meinem inneren Schweinehund. Es könnte in manchen Momenten sogar etwas unangenehm werden, denn ich glaube, jeder kann sich vorstellen, wie anstrengend es sein wird, eine nüchterne Person unter Angetrunkenen zu sein. Ich will und werde mich die Fastenzeit über aber auch nicht verstecken, das ist ja nicht der Sinn der Sache. Das wäre ja so, als wenn man zum Mond fliegen würde, um Schwerkraft zu fasten – wo bleibt da die Challenge?
Ob und was sich die nächsten Wochen und Tage verändern wird, kann ich noch nicht abschätzen. Ich weiß nur, dass ich momentan noch ein bisschen aufgeregt bin, weil ich gerade eine neue „Mission“ habe. Ich ändere etwas in meinem Leben für einen bestimmten Zeitraum. Es fühlt sich fast so an, als würde ich in ein Auslandsjahr oder das Dschungel-Camp gehen. Ich spüre ein aufgeregtes Prickeln in mir und unter den gegebenen Umständen kann ich mir zu 100 Prozent sicher sein, dass es nicht von einem Gläschen Sekt herrührt und sich morgen in ein unangenehmes Blubbern in der Magengegend verändern wird.
Es ist schon ein bisschen aufregend und ich denke, dass solch ein Vorhaben mir nicht schaden wird, immerhin begann so meine Rückreise zum Vegetarismus. Letztes Jahr habe ich nämlich tatsächlich Fleisch gefastet, bin dann noch einmal kurz omnivor gewesen und im Endeffekt jetzt wieder überzeugte Vegetarierin und sogar Teilzeit-Veganerin. Jedoch glaube und strebe ich auch gar nicht an, dem Alkohol vollends abzuschwören – was wiederum auch nicht heißt, dass ich Alkoholkonsum uneingeschränkt gutheiße. Aber wie ich es auch mit dem Verzicht auf tierische Produkte und bezüglich eines nachhaltigeren Lebens halte, so halte ich es auch mit meinem Gläschen Wein oder einem geselligen Bierchen. Ich werde nach dem Fasten das tun, was sich gut für mich anfühlt und nur das – wenn nötig – verändern, was wirklich einer Veränderung bedarf. Deshalb gehe ich schwer davon aus, dass Ostern glatt ein Sektfrühstück drin sein wird oder ein, zwei Schlucke Eierlikör, denn an Ostern frisst der Hase den Kater.
Wie es mir in den folgenden Wochen ergeht, werde ich euch in regelmäßigen Updates berichten – sofern es etwas zu berichten gibt. Also, bleibt dran. Das große Fazit gibt’s dann in 42 Tagen – seid gespannt.
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