Von neu entfachten Feuern und Götterhochzeiten
- Jacqueline
- 26. Apr. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Feuer lodert, Flammen flackern, hier und dort und überall. Da am Waldrand bei den Ackern, weit entfernt von Haus und Stall.
Heute Abend lasst uns feiern, heute Abend lasst uns sein. Heute Abend bei den Feuern in dem lichterlohen Schein.
Langsam geht der Tag zu Ende, heute fängt der Sommer an. Begrüßt mit mir die Zeitenwende, Göttin und gehörnten Mann.
„Gehörnter Gott, so leg‘ dich nieder zu mir an des Feuers Rand“, sagt die Jungfrau immer wieder, reicht Cernunnos ihre Hand.
Heute Nacht wird es geschehen, heute Nacht wird Sommer werden. Sorg‘ und Leid wird jetzt vergehen - wie im Himmel so auf Erden.
In der Nacht zum 1. Mai feierten die Kelten ein ganz besonderes Fest; ein Fest, das die Ankunft des Sommers und die vollständige Rückkehr der Lebensfreuden ankündigte. Genannt wurde diese Feierlichkeit zwischen Tagundnachtgleiche und Sommersonnenwende „BELTANE“, eine zusammengesetzte Bezeichnung aus den keltischen Worten „bel“, was so viel bedeutet wie „hell“, und „tenîa“, welches mit „Feuer“ zu übersetzen ist. Zelebriert wurde also das „helle Feuer“, welches metaphorisch wie auch ganz wörtlich genommen werden kann.
An Feuern – die heute noch in unseren Oster- oder auch Maifeuern weiterleben – trafen sich nämlich die Menschen und huldigten dem Leben, der Fruchtbarkeit und der Mutter Erde. Das Ende des Aprils und das Anbrechen des Mais standen für den Sommeranfang, der nun den Menschen Wonne und Fülle schenkte. Alles Leid der Wintermonate war ab diesem Zeitpunkt vergessen und der schüchterne Frühling wurde nun von der alles überströmenden Wärme und Fruchtbarkeit des Sommers abgelöst. Beltane war – neben Samhain – der höchste Feiertag im keltischen Jahreskreis und in seiner Bedeutung dem Herbstfest entgegengestellt: Während an Samhain die Vergänglichkeit und der Tod im Mittelpunkt standen, waren es bei Beltane Fruchtbarkeit und Wachstum.

Beltane war somit ein Fest, das das Leben zelebrierte, seine Entstehung in den Vordergrund rückte und dazu anhielt, die folgenden Monate der energetischen Fülle und der in voller Pracht stehenden Fruchtbarkeit zu genießen, um im dunklen Winter davon zehren zu können: Die Wärme hat über des Winters Kälte gesiegt, das Licht über die drückende Dunkelheit, der Frühling hat dem Sommer nun seinen Weg in die Natur und in die Herzen der Menschen gebahnt.
Im keltischen Glauben stand darüber hinaus die Vereinigung der dreifaltigen Muttergöttin, die dem Frühling entsprechend ihre jungfräuliche Form angenommen hat, mit ihrem männlichen Gegenpol, dem „Gehörnten“, im Zentrum der Feierlichkeiten. Letzterer repräsentierte das Gegenstück zur weiblichen Erde und wurde daher mit dem Himmel oder auch der Sonne assoziiert. Oftmals stellte man ihn als Hirsch dar, sein Geweih symbolisierte in diesem Zusammenhang eine Verbindung zwischen Himmel und Erde. Außerdem stand der Hirsch in vielen Kulturen für den Inbegriff von Männlichkeit: Seine Stärke, sein Mut und seine Kampfeslust machten ihn zum König des Waldes und damit zu einem alten Sinnbild männlicher Energie.
Doch es steckt noch mehr hinter der Symbolik des Hirsches: Sein jährlicher Geweihabwurf im Frühling und die Erneuerung dessen im Herbst galten als Repräsentation des zyklischen Wachstums, des immerwährenden Kreislaufs von Geburt und Tod, Entstehung und Vergehen - eine Größe, die in naturnahen Religionen, die abhängig von Ernte und Viehzucht waren, einen Grundpfeiler ihrer Weltsicht bildete. Demnach ist die Bezeichnung des Himmelsgottes als „Gehörnter“, oder in der latinisierten Form als „Cernunnos“, ein Hinweis auf seine symbolische Gestalt.
Mit dieser göttlichen Vereinigung von Himmel und Erde begann für die Kelten also der Sommer und ähnlich wie die jungfräuliche Göttin und der Gehörnte Gott verbanden sich auch Mann und Frau an diesem Tag. Sex galt zu Beltane nicht nur als irdische Lust, sondern gleichermaßen als Teilnahme an der alles umgebenden florierenden Fruchtbarkeit. Mensch und Natur wurden eins sowie Himmel und Erde. Die wilden Energien, die in Flora und Fauna walteten, griffen auf Männer und Frauen über und alles gab sich der Entstehung neuen Lebens hin, dem Genuss der Freude am Sein, der Liebe und der allgemeinen, alles überflutenden Euphorie über das Anbrechen des Sommers.
Sorgenfreiere Tage, wärmender Sonnenschein sowie ein Aufblühen des Lebens erwarten uns also nächste Woche. Nehmt diese Gedanken mit, tragt sie in euren Herzen, lasst sie in jede Faser eures Körpers eindringen und heißt den Sommer und die Helligkeit willkommen. Wenn ihr mögt, feiert Beltane wie die alten Kelten oder genießt einfach den letzten Aprilabend dieses Jahres auf eure eigene Art und Weise – aber seid euch bewusst, dass jeder Winter, emotional oder auch physisch, ein Ende hat und dass das Leben nicht stillsteht, sondern weitergeht.
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