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#witchywomen: Lúthien - Tolkien frei nacherzählt (Teil 4)

Wilder Wahnsinn trieb ihn an. Er hastete durch die Wälder und Wiesen der verschiedenen Landschaften Mittelerdes, doch nahm sie kaum wahr. Jedes Lebewesen, das ihm in den Weg trat, zerfetzte er und hielt dafür nicht einmal inne. Überall, wo er gewesen war, hinterließ er Blut und Zerstörung, während sich der Silmaril immer noch in seinen Gedärmen wandte und ihm keine Minute der Ruhe gönnte.


„Carcharoth hat die Grenze von Doriath erreicht“, diese Nachricht ließ Lúthien erschaudern. Sie wusste, was dies bedeutete: Tapfere Elbenkrieger würden ausschwärmen, um sich der Bestie zu stellen und an vorderster Front würde Beren stehen und sie anführen. Mit Grauen erinnerte sie sich an die schreckliche Nacht in Morgoth‘ Feste und wünschte, Carcharoth hätte eine andere Richtung eingeschlagen oder wäre an dem verschlungenen Silmaril qualvoll verendet.


Doch Lúthien äußerte ihre Bedenken nicht laut. Sie wusste, dass nichts und nieman Beren davon abhalten könnte, sich seinem alten Feind zu stellen und Rache zu üben. Doch war sie froh, dass Huan ihn begleiten würde. Der große Jagdhund war zu ihnen zurückgekehrt, als sein Herr und dessen Bruder Doriath angegriffen hatten und dabei gescheitert waren. In diesem Kampf schlug er sich schlussendlich auf die Seite von Lúthiens Elbenvolk und sagte seinem Herren die Treue auf.


Und so führten Beren und Huan die Wolfshatz an und trafen schon bald auf Carcharoth, während er ein weiteres Dorf zerstörte. Einen solchen Kampf würde das Volk von Mittelerde nie vergessen, das war gewiss. Mit Schaum vor dem Mund und wirrem Blick griff der Werwolf Huan und Beren an, die sich bis aufs Blut verteidigten. Carcharoth war mächtig und die Schmerzen, die ihm der Silmaril bereitete, stachelten ihn noch weiter an. Doch am Ende gelang es Huan und Beren, ihn zu besiegen und schlussendlich zu töten, doch zahlten sie beide dafür mit ihrem Leben.


Huan schleppte sich mit letzter Kraft zu seinem Herren und sagte ihm mit seinen wenigen verbleibenden Atemzügen Lebewohl. Seinen ebenfalls im Sterben liegende Herren Beren konnten die Adler noch zu Lúthien bringen, die an seinem Bett weinend auf die Knie sank. Bevor auch er für immer die Augen schließen sollte, bat Lúthien ihren Geliebten darum, in Mandos‘ Hallen auf sie zu warten und nicht über das Außenmeer Ea zu verlassen. Im Gegensatz zu Elben war es sterblichen Menschen nämlich nicht erlaubt, in Mandos‘ Hallen länger als nötig zu verweilen. So starb Beren Erchamion, Barahirs Sohn, mit 59 Jahren im Jahr 503 des Ersten Zeitalters in den Armen seiner einzig wahren Liebe Lúthien.


Lúthien war infolgedessen untröstlich. Kummer und Sehnsucht verzehrten sie. Und so musste König Thingol mitansehen, wie seine geliebte Tochter dahinschwand. Drei Jahre später folgte sie Beren aus Mittelerde und fand sich in den Hallen des Valars Mondos wieder. War ihr Blick eben noch von Tränen und einem Schleier aus Schmerz getrübt, klärten sich ihre Augen in dem Moment, als sie ihn wiedersah: Beren hatte auf sie gewartet und trat ihr in Mandos‘ Reich entgegen. Doch drohte eine weitere Trennung den Liebenden, durfte Beren als Mensch hier nicht viel länger umherwandern.


In ihrer Verzweiflung und mit letzter Kraft begann Lúthien zu singen. Ihre liebliche Stimme hallte zwischen den Säulengängen wider und erfüllte den gesamten Palast des Hüters der Totenhäuser. Sie sang Tag und Nacht, sofern es diese in Manods‘ Hallen gegeben haben mag. Sie sang so wunderbar und klar wie eine Nachtigall.

Und Tinúviels Gesang drang bis zu den Ohren des Schicksalsrichters Mandos heran, dessen sonst kühles Herz auf einmal mit Wärme und Mitgefühl überschwemmt wurde.


Er trat an die Sängerin und ihren Geliebten heran und fragte nach ihrem Begehr. „Das Leben war zu kurz für unsere ewige Liebe“, erklärte Beren, „Und selbst im Tode bleibt uns die Vereinigung verwehrt“. „So möchte ich euch bitten, Mandos, Hüter der Totenhäuser, oberster Schicksalsrichter, lasset uns zurückkehren nach Mittelerde und noch das Leben zusammenführen, dass wir uns so wünschen“, bat Lúthien, noch immer singend, noch immer tieftraurig.


Von der Geschichte und dem Gesang Lúthien Tinúviels berührt, willigte Mandos ein, die beiden zurückzuschicken. Jedoch mit einem Preis: Lúthien müsse ihre Unsterblichkeit aufgeben. Sie tat es, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Mit einem Mal war ihr Herz wieder leicht und sie ergriff Berens Hand. In seinen Augen glitzerten Tränen der Dankbarkeit und der Freude und so kehrten sie vereint nach Mittelerde zurück.


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Das Glück sollte ihnen nun lange hold bleiben. Sie ließen sich in Tol Galen nieder, wo sie das Schicksal mit einem Sohn beschenkte: Dior Aranel. Dieser sollte wiederum Nimloth heiraten und mit ihr zwei Söhne zeugen, welche niemand anderes waren als Elros und Elrond, der König von Numenor und der Herr von Bruchtal. Lúthien war damit die Begründerin der berühmten Linie der Halbelben und Urgroßmutter der berühmten Arwen Abenstern, welche ähnlich wie sie ihre Unsterblichkeit für einen Menschen aufgab, um mit ihm zusammen zu sein.

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