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AutorenbildJacqueline

Was Kartoffel-Tage sind...

2020 bin ich mit Kartoffel-Tagen ins Jahr gestartet. „Kartoffeltage?“, wird sich wohl der Großteil von euch fragen, „Was soll denn das bitte schön sein? Hat sie eine neue Diät gestartet, die auf der 'Wunderknolle' basiert? Baut sie jetzt Gemüse in ihrer Dusche an und warum dann nur Kartoffeln?“. Und manche denken einfach: „Die hat doch voll einen an der Kartoffel!“.

Was ich mit Kartoffel-Tagen meine, ist eigentlich ganz einfach: Es ist ein Euphemismus für miese bis Sch***-Tage. Aber da immer noch in den sozialen Netzwerken der Trend vorherrscht, #happylife, #healthylife und wahrscheinlich sogar Orgasmen vorzutäuschen, tarne ich meine schwierige Zeit hinter dem Codewort „Kartoffel-Tage“, das klingt sogar noch ein bisschen nach Hashtag #healthy.

„Aber warum unbedingt Kartoffeln?“, könnte man sich nun fragen und die Antwort ist ganz einfach: „Es fiel mir irgendwie so ein, als ich deprimiert und antriebslos im Bett lag wie eine Kartoffel im Feld.“ Ich hatte keine Lust aufzustehen, meine Wäsche zu machen, abzuspülen – ähnlich eben wie eine Kartoffel, oder kennt ihr eine Kartoffel, die gerne abspült?!

Außerdem fühlte ich, wie ich langsam verschrumpelte – vor allem kognitiv. Ich tat nur noch mechanisch meine Arbeit wie eine Kartoffel, wenn sie wächst. Das liegt nun mal in ihrer Natur, sie kann sich nicht dagegen wehren, es ist ihr Job, so wie es meiner ist, mich ins Büro zu begeben, meine Masterarbeit endlich fertig zu schreiben und nicht vollkommen den Kopf zu verlieren. Wirkliche Ziele hatte ich also in den letzten anderthalb Wochen nicht. Es ging nur darum, die Tage und den Winter zu überstehen – wieder eine Gemeinsamkeit mit dem knolligen Nachtschattengewächs.

Damit das möglich war, verkroch ich mich, ich verbuddelte mich in meinem Bett, zog nach getaner Arbeit die Decke über den Kopf und tat so, als wäre ich eben eine Kartoffel, die unter der Erde chillt und von dem, was an der Oberfläche abgeht, nichts mitbekommt. Ich wurde somit mehr und mehr in den letzten Kartoffel- Tagen zur Einsiedlerkartoffel, sodass wohl – hätten Außenstehende mich gesehen – die Vermutung aufgekommen wäre, ich sei giftig wie eine schon lange vor sich hin schrumpelnde Kartoffel im Küchenschrank, weil man doch lieber Nudeln isst.

Kartoffeltage...oder my bed is my castle.

Wer jetzt die Vermutung anstellt, ich hätte einfach nur PMS gehabt, der irrt sich gewaltig – leider. Es wäre viel einfacher zu erklären „Ich habe PMS!“ als „Irgendwie reiht sich einfach nur ein Kartoffel-Tag an den nächsten!“. Mit meinem Langzeitzyklus kann ich leider nur seltenst meine Gefühls- und Motivationsschwankungen auf meinen Hormonhaushalt schieben. In der Theorie bin ich also immer ausgeglichen, aber in der Praxis nun mal nicht. Ich weiß auch genau, woher meine Kartoffel-Tage rühren, warum ich einfach mich zurück unter die Erde buddeln und verschwinden, warum ich zu gefühllosen Kartoffel (ich hoffe, ich tue der Knolle damit kein Unrecht) werden möchte, deren größter Traum es ist, zu einem leckeren Kartoffelauflauf mit ganz viel Käse verarbeitet zu werden.

(Unnützes Wissen Folge 4321 mit Jacqui: Ein Kartoffelgratin hingegen wird ohne Käse zubereitet, dort bildet die Sahnesoße eine zarte Kruste über den Kartoffelschichten. Wer also verständlicherweise auf Käse nicht verzichten kann, der muss eben auf die Bezeichnung „Gratin“ verzichten - man kann nunmal nicht alles im Leben haben!)

Bei dem Gedanken kriege ich gerade Hunger – was essen Kartoffeln eigentlich? Leben sie wirklich nur von Licht, Wasser und den Nährstoffen im Boden oder genehmigen sie sich auch mal einen saftigen Regenwurm zwischendurch? Sehen sie vielleicht nur harmlos aus? Sind sie eigentlich gar nicht die friedlichen Kohlehydrat-Buddhas unter der Erde, sondern aufgrund ihres hohen Stärkegehalts richtige Kampfknollen? Hat jemand denn wirklich schonmal untersucht, was die dort so unter der Erde treiben? Weiß es jemand ganz genau? Oder fressen die vielleicht sogar manchmal ihre Mit-Kartoffeln? Sind Drillinge eigentlich mal Vierlinge gewesen?

Ich schweife vom Thema ab, ich merke es selbst. Wo waren wir stehen geblieben? – Achja, bei PMS, die eigentlich keine Rolle spielt, aber alles vereinfachen würde und doch etwas mit Kartoffel-Tagen gemeinsam hat: Sie geht vorbei und es kommen auch wieder gute Tage. Es kommen auch wieder die Tage, zu denen wirklich der Hashtag #happylife passt, an denen aus meinem Nachtschattengewächs-Mood ein echtes Radieschen-Gemüt wird: frech, rosig und froh. Es wird auch wieder die Tage geben, an denen ich übers Feld wandele, an denen mir die Sonne ins Gesicht scheint und das Leben wieder unkartoffeliger wird. Das weiß ich und das sorgt dafür, dass ich momentan akzeptieren kann, dass ich mich wie eine schrumpelige Kartoffel fühle. D. h. aber nicht, dass ich nicht versuche, mich auszubuddeln, aus dem Schatten zu treten und die Erde von mir abzuklopfen. Aber es ist okay, solche Tage zu haben, nur mit kleinen Schritten voran und täglich nur wenige Zentimeter der Erdoberfläche näherzukommen. Auch solche Tage braucht man im Leben und wenn das Jahr so startet, dann kann es doch eigentlich nur besser werden...

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