WIEN: Auf den ersten Blick vielleicht eine von vielen Touristenstädten, in denen Asiaten auf 15cm Regenbogen-Sohlen (keine Erfindung, wirklich gesehen) mit ihren Selfiesticks Duelle ausfechten. In der österreichischen Hauptstadt dann spezifisch kombiniert mit dem obligatorischen Schnitzel- und Wiener-Würstchen-Essen und dem Plündern des Manner- Shops. Das alles natürlich nachdem man im Halbe-Stunden-Takt von einem ins andere Museum gestolpert ist, den Schlossgarten von Belvedere nur durch das Objektiv betrachtet hat und dann mit fünf SD-Karten voller Fotos, Selfies und sonstigen Schnappschüssen nach Hause fliegt, aber nichts von Wien an sich mitbekommen hat. Aus dieser Perspektive wollte ich die österreichische Metropole nicht erleben. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich schon mal dort war und mich bei eben jenem Aufenthalt – was Museums-Hopping angeht – schon ein bisschen wie die oben beschriebenen Parade-Touris benommen habe. Dieses Mal sollten aber jene alten Verhaltensmuster abgelegt werden; in der Heimat vom Wiener-Schnitzel, Kutschfahrten und Museen drehte sich in den drei Tagen meines Aufenthalts alles darum, möglichst vegetarisch und zu Fuß die Stadt und nicht nur ihre „Hotspots“ zu erkunden. Einfach mal testen, wie es sich als Wiener so lebt … jedenfalls soweit es einem als im Endeffekt doch „Touri“ möglich ist. Ich kam infolgedessen zu drei grundlegenden Eindrücken von Wien und der zugehörigen Lebensart, die ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte.
Breakfast by Tiffanys in Vienna
Eigentlich bin ich gar kein großartiger Frühstücksmensch, für mich war generell eher das Abendessen die wichtigste Mahlzeit am Tag – bis jetzt, denn dies änderte sich in der Heimat von Sisi und Franzl vollkommen. Die Wiener, die können’s einfach! Gefrühstückt habe ich beide Morgen, die ich dort war, in mehr oder weniger kleinen Cafés bzw. Bistros auf der Margarethen-Straße: Spärliche aber moderne Einrichtung, kein Hochglanz dafür Charme und selbst unter der Woche bereits morgens gut besucht.
Die Rede ist vom Figar 1040 (mit dem coolsten Wandgemälde ever, das ich leider aber vergessen habe zu fotografieren, was im Endeffekt aber Absicht war, damit ihr dort hingeht, falls ihr mal in Wien seid) und vom Propeller. Beide Male hatte ich ein Avocado-Brot mit jeweils verschieden zubereitetem Ei (einmal als Spiegelei, das andere Mal pochiert) und dazu eine echte Wiener Melange. Mit dieser kulinarischen Kombi wurde ich bereits an meinem ersten Morgen in Wien zum Frühstücksfetischist bekehrt, denn diese Kreationen riefen in mir den Glauben hervor, dass Jesus selbst dieses Brot gebacken haben müsse und der Kaffee direkt aus einer Leitung vom Himmelsbrunnen käme. Ums kurz zu machen: Es war einfach himmlisch! (Hier einen Shout-Out an die Frühstückerinnen, deren Blog mir und meiner Begleitung diese beiden Location empfohlen hat: https://www.diefruehstueckerinnen.at/stadt/wien/) Allgemein sind Brot und Kaffee hier in Wien wirklich Next-Level; in diesem Zusammenhang auch einen Besuch wert ist das Kleine Café in der Innenstadt. Nicht ganz so hipp und modern, dafür urig und mit dem Charisma vergangener Zeiten. Die Sandwiches (die hier „nur“ aus einer Stulle kräftigen Krustenbrots bestehen) mit Thunfisch- oder Eiersalat waren auch hier unbeschreiblich gut und super frisch.
Moderne Metropole im barocken Kleid
Geht man in Wien durch die Straßen, ist es zunächst einmal, als hätte man eine Zeitreise in den Barock bzw. in den Historismus gemacht. Eine Häuserzeile versucht die nächste zu überbieten mit Stuck, Figurenwerk sowie Erkern und Türmchen und dennoch hat man nicht das Gefühl, dass man an einer mit Schmuck überladenen, stark parfümierten alten Dame mit Pelzkragen vorbeigeht. Die dezenten Pastellfarben, in denen die meisten Bauwerke gehalten sind, und auch die schlichte Inneneinrichtung und Aufmachung der Ladenlokale sorgen dafür, dass ein Mix entsteht, der für Wien so charakteristisch ist: Habsburg trifft Hippster.
Durch die beeindruckendne Häuserzeilen fährt man in Wien momentan übrigens nicht mit Kutschen, sondern schadstoff- und pferdeäpfelarm mit dem E-Roller. Überall in der Stadt lehnen sie an Stuckwänden, an der Hofburg, am gerade nachhaltig sanierten Parlament oder unten am Donaukanal. Letzterer Ort zeigt übrigens die hippe und künstlerische Seite von Wien in Purversion. Während etwa 10m oberhalb der Kanal-Promenade noch der Historismus die Straße beherrscht, sieht es unten am Wasser ganz anders aus: Kunst aus Schrott, Graffiti-Teufel mit Zuckerstangenkrause, Smileys auf düsterem Grund oder auch das ein oder andere etwas drastischere Kunstwerk, bei dem man nicht hin aber auch nicht weggucken kann- hier regiert die Kunst in grellsten Farben und ausdruckstärkstem Auftreten. Geht man hier unten ein bisschen weiter verflüchtigen sich die Bilder und von der Gallerie kommt man zu einem Abschnitt,in dem sich eine Strandbar an die nächste reiht. Man kann nur vermuten, was hier im Sommer los ist (eigentlich der perfekte Grund wiederzukommen, oder?). Tragen einen die Füße oder E-Roller noch weiter, erreicht man Ort, der wie aus dem Farbkasten unserer Grundschulzeiten gesprungen ist: Ein Gemeinschaftsgarten, der die Promenade in der noch etwas zaghaften Februarsonne zum Strahlen bringt. Hier werden Gemüse und Kräuter angebaut und wer mag, kann im Vorbeigehen die Pflänzchen mit ein bisschen Wasser aus den vielen Trinkbrunnen Wiens beglücken. Weitere „Farbkleckse“ unter sonst eher eintönigen Lokalitäten sind im Übrigen auch die vielen veganen Restaurants in der Heimat des Wiener Schnitzels. Besonders empfehlen kann ich die Swing Kitchen und das Veggiezz: keine Eier, keine Milchprodukte und erst recht kein Fleisch, aber dafür 100% Geschmack. Getestet und für besonders gut befunden: Der Vienna- und der BBQ-Burger aus der Swing Kitchen und die Pommes vom Veggiez, die es zu Wraps und Burgern gibt!
Entspannt und stilsicher
Lockerer und weniger unruhig, einfach genussvoller als in Deutschland, so erschien mir das Leben in Wien auf meinem kleinen Städtetrip – und das bei dem hohen Koffein-Konsum in Wien. Bei einer Melange werden Business-Meetings abgehalten oder einfach am Laptop gearbeitet. Gehetzt wirkt hier keiner(und wenn, dann nur die Touris), selbst das Personal in den Cafés nicht. Auch in den Parks der Stadt ist immer etwas los ohne, dass es ungemütlich ist oder zu laut. Den Sonntagnachmittag habe ich z. B. im Wiener Stadtpark verbracht (eine hübsch-angelegte Gartenanlage direkt am s. g. Wienfluss gelegen, dessen kleine Promenade an das Seine-Ufer in Paris erinnert). Die Nase in die Sonne gestreckt, auf einer Bank sitzend, so wie gefühlt halb Wien, habe ich die ersten Flügelschläge des erwachenden Frühlings gespürt.
Nebenbei beobachtete ich die Leute, die entspannt an mir vorbeiflanierten und musste feststellen, dass die Passante einerseits alle genießerisch zu schlendern schienen und andererseits der Großteil von ihnen sehr gut gekleidet war. Natürlich trugen einige davon auch gewisse Marken, die man als recht hochpreisig kennt, sodass meine Begleitung nur kurz anmerkte, dass man aufpassen solle, diese Menschen nicht anzurempeln, das könne nämlich sehr teuer werden. Dennoch muss ich es den Wienern lassen, während man Mode kaufen kann, ist das bei Stil nicht der Fall … und Stil hat Österreichs Residenzstadt allemal, ob wie oben beschrieben bei der Architektur (übrigens eine recht schöne Ecke Wiens ist auch am Hunderwasserhaus etwas abseits vom Trubel) oder den Style seiner Bewohner betreffend. Ich zücke meinen – natürlich auch sehr schicken – Hut für diese Kombination aus der Kaffeehaus-Lockerheit und dem Wiener Sinn für Mode.
Summa summarum ist mein Eindruck von Wien durch und durch positiv: Eine Stadt zum Genießen, (er-)lebenswert und beeindruckend. Hier kann man Prinzessin spielen ohne auf die Annehmlichkeiten des Hier und Jetzt zu verzichten. Wien ist trotz seiner barocken Prachtbauten und seiner glanzvollen Geschichte nicht in der Vergangenheit verhaftet. Die Stadt ist fortschrittlich, jung und nachhaltig und das ohne erhobenen Zeigefinger, sondern ganz natürlich, als wäre dies ebenso wenig ein Kunststück wie der Bau von Belvedere.
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