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AutorenbildJacqueline

Übermüdete Gedanken zum Thema Schlaf

Schlaf. Wir brauchen ihn, aber bloß nicht zu viel, das ist ungesund. Und auch bloß nicht zu wenig, daran können wir nämlich auch sterben. Paradox, wenn man es oberflächlich betrachtet, logisch, wenn man philosophisch argumentiert, denn die Menge macht das Gift. Obwohl – das literarische Topos der Gifteinnahme wird wiederum oftmals in sehr enge Beziehung mit der romantisierenden Vorstellung eines letzten, seligen Schlafes gesetzt. Ach ja, so ein seliger Schlaf an sich wäre zur Abwechslung auch mal was Schönes.


Aber für immer – wie es im Falle mit dem Gift wäre – dann doch wohl nicht die richtige Wahl, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Außerdem klopft da ja auch noch das christliche Populärwissen an die mentale Gedankentür und weist einen darauf hin, dass selbst der seligste Schlaf durchaus zu einem unangenehmen Erwachen führen könnte: Weiß man doch nicht, wo man vielleicht landet – auf einer himmlisch-weichen Wolke oder im lodernden Inferno der Hölle.


Aber nicht zu schlafen, ist auch irgendwie die Hölle. Diese Momente, wenn man eigentlich ins Schlummerland abdriften sollte, aber dann doch wachliegt und das mit ständigem Blick auf die Uhr, deren Zeiger weiter und weiter voranschreiten. Man will eigentlich schon längst schlafen, aber das gute Gehirn, dieser glibberige Neuronenhaufen, meint mal wieder, das alte Fotoalbum mit den peinlichsten und unrühmlichsten Augenblicken aus dem Leben aufschlagen und auf Seite sechs hängen bleiben zu müssen: Erinnerst du dich noch? An diesen einen Tag im Jahr 2007? Da hast du dich wirklich nicht von deiner besten Seite gezeigt. Die anderen haben zurecht gelacht. Ach man, war das peinlich!


Und hat man es dann doch geschafft, das Album zuzuschlagen und seinem kognitiven Archivar des Scheiterns für diesen Tag in den Dienstschluss zu schicken, sind es nur noch vier Stunden bis der Wecker klingelt. Vier Stunden! Lohnt sich das überhaupt noch? Oder sollte man sich dann, wenn man eh schon quicklebendig in seinem Bett rumliegt, nicht doch noch an die Steuererklärung machen oder wenigstens ein bisschen aufräumen? In diesem Chaos kommt doch eh keiner zur Ruhe!


Apropos Ruhe und Schlaf: Ruheloser Schlaf ist auch so eine Sache. Man wälzt sich hin und her, träumt sich irgendeine Alice-im-Wunderland-Karambolage zusammen und soll danach ausgeruht sein. Wie soll das funktionieren, lieber Körper? Wie soll man ausgeruht und voller Tatendrang morgens aufwachen, wenn nachts dreißig weiße Kaninchen mit rot-umränderten Augen und ein verrückter Hutmacher mit brühendheißem Teewasser hinter einem her waren? War das bloß eine Finte, lieber Körper, einen abends müde zu machen, damit du deine komischen Fantasien ausleben kannst? Fehlt nur noch, dass die Herzkönigin bereits abends am Bett steht und einen mit den Worten „Schlaf schön und verlier‘ nicht deinen Kopf, mein kleines Ass“ zudeckt.


Gruselige Vorstellung. Ähnlich wie der weitverbreitete Aberglaube im Mittelalter, dass einen der Tod holt, wenn man im Liegen schläft. Obwohl noch gruseliger ist die Vorstellung, die als Schlussfolgerung daraus erwächst: Im Sitzen schlafen zu müssen. Jedoch muss ich einwenden, dass das im Auto ganz gut bei mir funktioniert. Bereits in Kindertagen waren Autofahrten ein vollkommen nebenwirkungsfreies, legales Narkotikum für mich – vielleicht weil ich doch tief in mir drin das Gedankengut meiner Vorfahren trage, die fest davon ausgingen, dass man im Sitzen nicht für immer einschlafen könne.


Jaja, das mit dem Schlafen und vor allem dem guten Schlafen ist so eine Sache, die ich noch nicht ganz durchblickt habe – das einzige, was ich weiß, ist dass mein Körper wissen muss, was gut für mich ist. Und wenn er meint, mir müssen abends um zehn die Augen zufallen, damit er mir seine kleinen possierlichen Killerkaninchen und den gruseligen Typen mit großem Hut zeigen kann, dann ist das so. Und ist es auch okay, wenn ich sonntags mittags einfach mal vier Stunden schlafe, einfach weil sonntags mittags ist und ich doch eigentlich eh nichts Besseres zu tun habe. Du hast gewonnen, Körper! Ich gebe mich diesem Schicksal hin, rede mir ein, ich brauche das und argumentiere aller Kritik zum Trotze mit den weisen Worten: Der Körper nimmt sich, was er braucht!

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