Vielleicht liegt es daran, dass ich die Tochter eines Goldschmiedes bin, vielleicht auch daran, dass ich schon als Kind eine kleine Sammlung an Edelsteinen hatte, oder einfach an der Tatsache, dass mir manchmal Steine sympathischer als Menschen sind. Egal, welche Begründung ihr euch nun aussucht, es ändert nichts daran, dass ich meinen heutigen Blogbeitrag dem AMETHYSTEN widme.
Wer sich jetzt fragt, was es über den violetten Quarz überhaupt großartig zu erzählen gibt, der möge nun weiterlesen, denn die Antwort lautet: Ziemlich viel.
Amethysten haben sich nämlich einen Platz in der Weltgeschichte (und auch auf meinem Blog) redlich verdient. Bereits die Inka und Azteken maßen diesem Quarz, der übrigens in ganz seltenen Fällen auch eine purpurne oder schwarze Farbe haben kann, eine große Bedeutung zu. Sie verehrten ihn als Stein der Schöpfung oder als Auge der Götter. Und auch die Ägypter ließen sich von dem violetten Glanz des Amethysten verzaubern. Überlieferungen nach siegelte Kleopratra mit jenem Quarz, auf dem eine Bacchus-Figur eingraviert war, alles, was man als Pharaonin so siegeln konnte – vielleicht sogar Cäsars Hinterteil.
Wem jetzt der römische Gott Bacchus aufgefallen ist, der auf jenem Siegel scheinbar sehr präsent war, der hat seine Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Detail gelenkt, denn der römische Gott des Weines spielt rund um die Geschichte des Amethysten auch eine ähnlich prägende Rolle wie auf dem Siegel der ägyptischen Königin. So erzählten sich die Römer die Legende, dass Bacchus einst in seiner Trunkenheit die Menschheit verfluchte – vielleicht hatte er damals einen ähnlichen Gedankengang wie ich zu Beginn dieses Beitrags. Wenn dem so ist, dann haben der alte Bacchus und ich schon zwei Gemeinsamkeiten: Unsere Skepsis dem Konstrukt Mensch gegenüber und die Liebe zu gutem Wein. Aber zurück zur Legende: Bacchus schwor daraufhin, dass die erste Person, die an ihm und seinem Lager vorbeiginge, von einem Tiger gefressen werden sollte.
Und so geschah es, dass sich wenig später eine schöne Jungfrau näherte, vollkommen arglos und vielleicht noch mit einem lieblichen Liedchen auf den Lippen. Dieses anmutige Geschöpf, das zufällig unzufällig den Namen Amethyst trug, war kurz davor, in Bacchus Falle zu tappen und von der größten Raubkatze der Welt zerfleischt zu werden. Doch kam ihr in letzter Sekunde Diana, die Göttin der Jagd, zur Hilfe, die nicht – wie es wohl am logischsten wäre – ihren Bogen herauszog und den lauernden Tiger erschoss, nein, sie verwandelte die schöne Amethyst in einen klaren Edelstein, um sie vor dem drohenden Unheil zu retten. An dieser Stelle kurzer Einwurf: Wenn ihr die Wahl hättet, würdet ihr euch für den Kampf gegen die gestreifte Raubkatze oder ein lebenslanges Dasein als Stein entscheiden?
Nun gut, von den wichtigen Fragen des Lebens zurück zu Diana, Bacchus und dem Stein, der gerade noch ein Mädchen war. Bacchus, aus seiner Trunkenheit erwachend, bemerkte sodann, was geschehen war. Ihn erfasste daraufhin eine tiefe Reue, die wohl so der ein oder andere schon empfunden hat, nachdem ihm klargeworden ist, was er so im Suff von sich gegeben hat. Daraufhin übergoss er den klaren Edelstein in Form einer Opfergabe mit Wein (oder vielleicht auch nur in einem Anflug von „Ich rühr‘ nie wieder einen Tropfen Alkohol an!“) und siehe da, der Kristall nahm die Farbe des Traubengetränkes an und färbte sich violett. Der Amethyst ward in der römischen Mythologie geboren und bekam außerdem den Namen „Bacchusstein“.
Aber nicht nur Inkas, Azteken, Ägypter und Römer wussten den violetten Quarz kulturell zu schätzen, sondern auch die Griechen. Diese gaben ihm sogar seinen heutigen Namen, denn Amethyst wird vom altgriechischen Wort „amethystos“ abgeleitet, was so viel bedeutet wie „dem Rausch entgegenwirkend“. In dieser Begrifflichkeit spiegelt sich auch einen Teil der Kraft wider, die dem violetten Kristall von den Griechen zugeschrieben worden ist: Er soll übermäßiger Trunkenheit vorbeugen, was ihm außerdem den Beinamen „Säuferstein“ einbrachte. Darüber hinaus waren die hellenistischen Bewohner davon überzeugt, dass Amethysten ebenfalls vor Zauberei, falschen Freunden und schlechten Gedanken schützen würden – ein echter Glücksstein also!
Die Christen legten die Stärken des Quarzes jedoch wiederum anders aus, Trunkenheit und böse Zauber schienen keine ernstliche Gefahr mehr in der von Gott beschützten Welt darzustellen. Vielmehr wurde der Amethyst einfach mal als Backstein umfunktioniert, denn laut Bibel war er einer der 12 Grundsteine der Jerusalemer Stadtmauer. Dennoch konnte man sich nicht ganz dem Zauber des violetten Kristalls entziehen und man stellte fest, dass sich dieser Quarz auch sehr gut in einem dicken, goldenen Ring machte. Und so geschah es, dass Kardinäle und Bischöfe begannen, den Amethysten als Symbol einer keuschen Gesinnung und tiefer Frömmigkeit zu tragen. An dieser Stelle lenkte der überwältigende Schein des Amethysten wohl sehr gelungen vom eigentlichen Sein ab, welches zumeist bei der hohen Geistlichkeit dem Symbol zum Trotze sehr weltlich war.
Auch die Moderne kann sich von der Magie des lilafarbenen Quarz‘, dessen Farbe in Zusammenhang mit seinem Eisengehalt steht, nicht vollkommen lossagen. So steht er heutzutage für Klarheit, Wachheit und ganzheitliche Harmonie. Er soll außerdem dabei helfen, konzentriert zu bleiben und Traumata zu verarbeiten. Dafür ist es auch nicht mehr notwendig, ihn an einem Band aus Pavianhaaren um den Hals zu tragen, wie der römische Gelehrte Plinius es den Leserinnen und Lesern seiner Werke riet. Das freut nicht nur PETA, sondern auch mich sehr.
Aber nicht nur die Wirkverbindung mit Affenhaaren hat es nicht ins Jahr 2020 geschafft, sondern auch seine Effektivität in Bezug auf eine starke Trunkenheit. Unserer Tage hilft der Amethyst wohl nur insofern gegen einen alkoholbedingten Rauschzustand, dass man ein besonders großes Exemplar von ihm nehmen und es zielgenau auf eine Weinflasche werfen müsste, damit der Amethyst seine Wirkung tut. Jedoch wäre das dann wohl eine ähnlich traurige Geschichte wie die aus der römischen Sagenwelt.
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